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1990 | Buch | 3. Auflage

Synergetik

Eine Einführung Nichtgleichgewichts-Phasenübergänge und Selbstorganisation in Physik, Chemie und Biologie

verfasst von: Professor Dr. Dr. h. c. Hermann Haken

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Das Ziel
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Zusammenfassung
Beginnen wir mit der Beschreibung typischer Beobachtungen aus dem Alltag. Bringen wir einen kalten Körper mit einem heißen in Kontakt, so erfolgt ein Wärmeaustausch, bis schließlich beide Körper dieselbe Temperatur haben (Abb. 1.1). Der Endzustand des Systems ist — zumindest makroskopisch gesehen — völlig homogen. Der umgekehrte Prozeß wird dagegen in der Natur niemals beobachtet: Ein Körper mit homogener Temperaturverteilung erwärmt sich nie spontan am einen Ende, um sich gleichzeitig am anderen abzukühlen. Man folgert daraus, daß es eine eindeutige Richtung gibt, in die dieser Prozeß verläuft. Entfernen wir in einem Gefäß, das mit Gasatomen gefüllt ist (Abb. 1.2), den Stempel, wird das Gas sofort das gesamte Volumen des Gefäßes ausfüllen. Der umgekehrte Prozeß tritt nicht auf: Das Gas wird sich nicht von selbst wieder in einer Hälfte des Gefäßes konzentrieren. Bringt man einen Tropfen Tinte in Wasser, zerfließt der Tropfen mehr und mehr, bis als Endzustand eine homogene Verteilung vorliegt (Abb. 1.3). Wiederum wird der umgekehrte Prozeß niemals beobachtet. Schreibt ein Flugzeug mittels Rauch Wörter an den Himmel, werden die Buchstaben im Laufe der Zeit immer diffuser, um schließlich zu vergehen (Abb. 1.4). In allen betrachteten Fällen strebt das System einem eindeutigen Endzustand zu, dem Zustand des thermischen Gleichgewichts. Ursprünglich vorhandene Strukturen zerfallen und werden durch den homogenen Zustand ersetzt.
Hermann Haken
2. Wahrscheinlichkeit
Was wir von Glücksspielen lernen können
Zusammenfassung
Die Objekte, die wir in unserem Buch untersuchen wollen, können ganz unterschiedlich sein. In den meisten Fällen werden wir aber Systeme behandeln, die aus sehr vielen Untersystemen zusammengesetzt sind; gleichen Untersystemen oder sehr wenigen verschiedenen Sorten von Untersystemen. In diesem Kapitel betrachten wir die Untersysteme und definieren einige einfache Beziehungen. Folgende Objekte können u.a. ein einzelnes Untersystem bilden:
  • Atome
  • Molekule
  • Photonen (Lichtquanten)
  • Zellen
  • Pflanzen
  • Tiere
  • Studenten
Hermann Haken
3. Information
Wie wird man unvoreingenommen?
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wollen wir aufzeigen, wie wir durch eine gewisse Neuinterpretation der Wahrscheinlichkeit in eine scheinbar völlig verschiedene Disziplin, die Informationstheorie nämlich, Einblick gewinnen können. Wieder gehen wir von einer Folge von Ergebnissen 0 und 1 aus, die wir beim Werfen einer Münze erzielen. Wir interpretieren jetzt 0 und 1 als Strich und Punkt des Morsealphabets. Wie jedermann bekannt, kann man mit Hilfe des Morsealphabets Signale übertragen, indem man einer gewissen Folge von Symbolen eine Bedeutung zuschreibt. Mit anderen Worten, eine gewisse Sequenz aus Symbolen trägt Information. In der Informationstheorie versuchen wir, ein Maß für die Größe der Information aufzufinden.
Hermann Haken
4. Der Zufall
Wie weit kommt ein Betrunkener?
Zusammenfassung
Während wir in Kap. 2 ein festes Wahrscheinlichkeitsmaß betrachteten, untersuchen wir nun stochastische Prozesse, bei denen sich das Wahrscheinlichkeitsmaß zeitlich ändert. Wir werden zunächst Modelle zur Brownschen Bewegung als Beispiele für völlig regellose Bewegung behandeln. Sodann werden wir zeigen, wie immer weitere zusätzliche Nebenbedingungen — beispielsweise im Zusammenhang mit der Master-Gleichung — den stochastischen Prozeß immer mehr in einen deterministischen Prozeß überführen.
Hermann Haken
5. Notwendigkeit
Alte Strukturen machen neuen Strukturen Platz
Zusammenfassung
Dieses Kapitel behandelt vollkommen deterministische Prozesse. Die Frage nach der Stabilität einer Bewegung spielt eine zentrale Rolle. Sobald sich gewisse Parameter verändern, kann die stabile Bewegung instabil werden, wobei völlig neue Bewegungsformen (oder Strukturen) entstehen. Obwohl viele Konzepte aus der Mechanik abgeleitet werden, finden sie in vielen Disziplinen Anwendung.
Hermann Haken
6. Zufall und Notwendigkeit
Die Realität verlangt beides
Zusammenfassung
Wir verfolgen einen Ball, der von einem Fußballspieler über den Rasen gedribbelt wird. Seine Geschwindigkeit v wird sich aus zwei Gründen ändern. Einmal wird das Gras durch die Reibung die Geschwindigkeit des Balles kontinuierlich reduzieren, andererseits wird der Fußballspieler durch zufällige Stöße die Geschwindigkeit des Balls erhöhen. Die Bewegungsgleichung für den Fußball wird durch das Newtonsche Gesetz präzise beschrieben: Masse × Beschleunigung = Kraft, d.h.
$$ m \cdot \dot v = F.$$
(6.1)
Hermann Haken
7. Selbstorganisation
Langlebige Systeme versklaven kurzlebige Systeme
Zusammenfassung
In diesem Kapitel kommen wir zu unserem zentralen Anliegen, nämlich der Organisation und Selbstorganisation. Bevor wir mit der mathematischen Behandlung beginnen, wollen wir zunächst diskutieren, welchen Inhalt diese beiden Wörter in unserem Alltagsleben haben.
Hermann Haken
8. Systeme der Physik
Zusammenfassung
Der Laser ist eines der heutzutage am besten verstandenen Vielteilchenprobleme. Er repräsentiert ein System fern vom thermischen Gleichgewicht und liefert uns die Möglichkeit, kooperative Effekte bis ins Detail zu studieren. Wir nehmen den Festkörperlaser als Beispiel, der aus einem gewissen Satz von laseraktiven Atomen besteht, die in eine Festkörpermatrix eingebaut sind (vgl. Abb. 1.9). Wie üblich nehmen wir an, daß die Laserendflächen als Spiegel wirken, die zwei verschiedene Zwecke erfüllen: Sie selektieren Moden, die sich in axialer Richtung ausbreiten und die diskrete Frequenzen des Resonators haben. In unserem Modell werden wir Atome mit zwei Energieniveaus betrachten. Im thermischen Gleichgewicht sind diese Niveaus entsprechend einer Boltzmann-Verteilung besetzt. Durch Anregung der Atome erzeugen wir eine invertierte Population, die durch eine negative Temperatur beschrieben werden kann. Die angeregten Atome beginnen nun Licht zu emittieren, das schließlich durch die Umgebung absorbiert wird, deren Temperatur sehr viel kleiner ist als ħω/k B (wobei ω die Lichtfrequenz des atomaren Übergangs und kB die Boltzmann-Konstante ist), so daß wir diese Temperatur ≈ 0 setzen können. Vom thermodynamischen Standpunkt her ist der Laser ein System (zusammengesetzt aus Atomen und dem Feld), das an Reservoire unterschiedlicher Temperatur gekoppelt ist. Der Laser ist also ein System fern vom thermischen Gleichgewicht.
Hermann Haken
9. Systeme der Chemie und Biochemie
Zusammenfassung
Grundsätzlich können wir zwischen zwei verschiedenen Arten von chemischen Prozessen unterscheiden:
1)
Mehrere chemische Reaktanten werden zu einer bestimmten Zeit zusammengebracht, und wir untersuchen die dann ablaufenden Prozesse. In der herkömmlichen Thermodynamik vergleicht man gewöhnlich nur die Reaktanten und die Endprodukte und beobachtet, in welche Richtung ein Prozeß verläuft. Diese Aufgabenstellung wollen wir in diesem Buch nicht behandeln. Vielmehr werden wir die folgende Situation betrachten, die als Modell für biochemische Reaktionen dienen kann.
 
2)
Mehrere Reaktanten werden einem Reaktor kontinuierlich zugeführt, in dem neue Stoffe kontinuierlich erzeugt werden. Diese Produkte werden aus dem Reaktor so entnommen, daß wir die Bedingungen für einen stationären Zustand antreffen. Diese Prozesse können nur unter Bedingungen fern vom thermischen Gleichgewicht aufrechterhalten werden. Dabei wird eine Vielzahl interessanter Fragen auftreten, die für Theorien über die Bildung von Strukturen in biologischen Systemen und für Theorien zur Evolution von Bedeutung sind. Fragen, auf die wir unser Interesse konzentrieren wollen, sind im wesentlichen folgende:
i)
Unter welchen Bedingungen können wir gewisse Produkte in großen, präzise kontrollierten Konzentrationen erhalten?
 
ii)
Können chemische Reaktionen makroskopische räumliche, zeitliche oder raumzeitliche Muster hervorbringen?
 
 
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10. Anwendungen in der Biologie
Zusammenfassung
In der theoretischen Biologie spielt heutzutage die Frage nach kooperativen Effekten und Selbstorganisation eine zentrale Rolle. Im Hinblick auf die Komplexität biologischer Systeme öffnet sich hier ein weites Feld. Wir haben einige typische Beispiele aus folgenden Gebieten ausgewählt:
1)
Ökologie, Populationsdynamik
 
2)
Evolution
 
3)
Morphogenese.
 
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11. Soziologie und Wirtschaftswissenschaften
Zusammenfassung
Intuitiv ist es ziemlich offensichtlich, daß die öffentliche Meinungsbildung, Handlungen sozialer Gruppen usw. kooperativer Natur sind. Andererseits erweist es sich als äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich, derartige Phänomene auf eine strenge Basis zu stellen, weil die Handlungen Einzelner durch eine Vielzahl sehr oft unbekannter Ursachen bestimmt werden. Wie sich aus den Prinzipien dieses Buches ergibt, existieren bei Systemen mit vielen Untersystemen zumindest zwei Beschreibungsebenen: Die eine analysiert das individuelle System und seine Wechselwirkung mit der Umgebung, die andere das statistische Verhalten unter Verwendung makroskopischer Variabler. Es ist gerade diese Ebene, auf der eine quantitative Beschreibung wechselwirkender sozialer Gruppen möglich wird.
Hermann Haken
12. Chaos
Zusammenfassung
Wissenschaftler nehmen manchmal dramatische Worte aus der Umgangssprache und ordnen ihnen eine fachspezifische Bedeutung zu. Ein Beispiel dafür haben wir bereits kennengelernt, die Thomsche „Katastrophentheorie“. In diesem Kapitel wollen wir uns mit dem Terminus „Chaos“ vertraut machen. Dieses Wort wird von seiner fachspezifischen Bedeutung her irregulärer Bewegung zugeordnet. In früheren Kapiteln haben wir eine Vielzahl von Beispielen für reguläre Bewegungen behandelt, etwa vollkommen periodische Oszillationen.
Hermann Haken
13. Mustererkennung durch synergetische Computer
Zusammenfassung
Eine der faszinierendsten Entwicklungen der Synergetik der letzten Jahre besteht sicher in der Erkenntnis, daß Mustererkennung als Musterbildung aufgefaßt werden kann. Dies ermöglicht es nämlich, die Erkenntnisse der Synergetik auf die Mustererkennung und die Konstruktion zugehöriger Computer anzuwenden. Um diese Entwicklung hier darzulegen, müssen wir uns aber erst darüber verständigen, was wir unter Mustererkennung verstehen. Bei dem Wort Muster denkt man vielleicht zunächst an Strickmuster oder Webmuster; gemeint sind aber hier ganz allgemein Anordnungen von einzelnen Objekten zueinander, wobei die Objekte die Grauwerte in einem Bild sein können, aber auch selbst wieder Gegenstände. Um die grundsätzlichen Ideen hier besonders deutlich hervortreten zu lassen, denken wir im folgenden an Grauwerte, aus denen in einem Bild Gesichter zusammengesetzt sind. Die zu erkennenden Gegenstände sind also in unserem Fall Gesichter. Es leuchtet aber ein, daß genau das gleiche Vorgehen auf ganz andere Gegenstände, wie etwa Werkstücke, angewendet werden kann. Was bedeutet aber die Erkennung eines Gegenstandes oder eines Gesichtes? Wir wollen darunter im folgenden verstehen, daß wir auch einen Teil eines Gesichtes zu einem ganzen ergänzen können und darüber hinaus den zu dem Gesicht gehörigen Namen der betreffenden Person nennen können. Diese Eigenschaft nennt man assoziatives Gedächtnis. Bereits das Telefonbuch liefert uns hierfür ein Beispiel.
Hermann Haken
14. Historische Bemerkungen und Ausblick
Zusammenfassung
Der Leser, der uns durch unser Buch begleitet hat, wurde vermutlich am meisten durch die bemerkenswerten Analogien zwischen völlig verschiedenen Systemen beeindruckt, die auftreten, sobald das System eine Instabilität durchläuft. Diese Instabilität wird durch eine Änderung der äußeren Parameter verursacht und führt schließlich zu einem neuen makroskopischen raumzeitlichen Muster des Systems. In vielen Fällen kann der detaillierte Mechanismus folgendermaßen beschrieben werden: In der Nähe des instabilen Punktes können wir zwischen stabilen und instabilen kollektiven Bewegungen unterscheiden. Die stabilen Moden werden durch die instabilen versklavt und können eliminiert werden. Im allgemeinen führt das zu einer enormen Reduktion der Freiheitsgrade. Die zurückbleibenden instabilen Moden dienen als Ordnungsparameter, die das makroskopische Verhalten des Systems bestimmen. Die sich ergebenden Gleichungen für die Ordnungsparameter können zu wenigen Universalitätsklassen zusammengefaßt werden, die die Dynamik der Ordnungsparameter beschreiben. Einige dieser Gleichungen zeigen eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zu Gleichungen, die Phasenübergänge erster und zweiter Ordnung in physikalischen Systemen im thermischen Gleichgewicht beschreiben. Es treten aber auch neue Arten von Klassen auf, die beispielsweise Pulsationen oder Oszillationen beschreiben.
Hermann Haken
Backmatter
Metadaten
Titel
Synergetik
verfasst von
Professor Dr. Dr. h. c. Hermann Haken
Copyright-Jahr
1990
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-10186-5
Print ISBN
978-3-662-10187-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-10186-5