Zusammenfassung
Am 9. und 10. Juni 1988 trat in Ost-Berlin das Zentralkomitee der SED zur 6. Plenartagung seiner laufenden Wahlperiode zusammen. Kurt Hager, Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK, hatte den Bericht des Politbüros an das zu diesem Zeitpunkt 165 Mitglieder und gut 50 Kandidaten zählende, zwischen den Parteitagen formell höchste Beschlußgremium der SED zu erstatten. „Genossinnen und Genossen“, ließ er unter anderem verlauten, „das Politbüro faßte einen Beschluß über die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen zu den Kreistagen, Stadtverordnetenversammlungen, Stadtbezirksversammlungen und Gemeindevertretungen. In Übereinstimmung mit der Verfassung und dem Wahlgesetz der DDR schlägt das Politbüro der 6. Tagung des Zentralkomitees vor, dem Staatsrat zu empfehlen, die Kommunalwahlen für den 7. Mai 1989 auszuschreiben. Sie werden im Zeichen der weiteren erfolgreichen Verwirklichung der Beschlüsse des XI. Parteitages der SED stehen.“1 Der Chef-Ideologe des Politbüros hätte nach den vorausgegangenen Erfahrungen aus vier Jahrzehnten auch eine Empfehlung für das Wahlergebnis beschließen können — es hätte der Realität durchaus entsprochen, denn wie bei vorhergehenden Wahlen gab es auch diesmal eine interne „Zielstellung “ der Zentrale in Ost-Berlin. „Die Wahlergebnisse 1989 sollten nicht schlechter ausfallen als die der vorangegangenen Wahlen.“2
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Anmerkungen
Aus dem Bericht des Politbüros an die 6. Tagung des ZK der SED, Berichterstatter: Kurt Hager, (Ost-)Berlin 1988, S. 57.
Urteil des Bezirksgerichts Dresden gegen Wolfgang Berghofer und Werner Moke wegen Wahlfälschung vom 7. Februar 1992, in: Neue Justiz Nr. 8/1992, S. 364ff.
§ 1 Abs. 1 des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen in der Deutschen Demokratischen Republik (GB1. I S. 213).
Im einzelnen waren dies die Christlich-Demokratische Union (Ost-)Deutschlands, die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD), die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) und die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) sowie der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB), die Freie Deutsche Jugend (FDJ), der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD), der Kulturbund der DDR (KB) und die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB).
Neues Deutschland vom 10.Mai 1989.
Vgl. Klaus Sorgenicht, Für ein machtvolles Bekenntnis zur bewährten Politik der SED, in: Neuer Weg Nr. 2/1989, S.35ff.
Aus dem Bericht des Politbüros ... (s. o. Anmerkung 1), S. 57.
Ebenda.
Vgl. Gerhard Rein, Die protestantische Revolution 1987–1990. Ein deutsches Lesebuch, Berlin 1990, S. 135.
Zit.in: Stasi intern, Macht und Banalität. Herausgegeben vomn Bürgerkomitee Leipzig, Leipzig 1991, S. 298.
Zit. bei Roland Pechmann/Jürgen Vogel, Abgesang der Stasi, Das Jahr 1989 in Presseartikeln und Stasi-Dokumenten, Braunschweig 1991, S. 106. — Zu den Abkürzungen: ZOV = Zentraler Operativer Vorgang; TV = Teil-Vorgang, OPK = Operative Personenkontrolle, KD = Kreisdienststelle des MfS.
MfS ZAIG Nr. 229/89, zit. bei Armin Mitter/Stefan Wolle, „Ich liebe euch doch alle“. Befehle und Lageberichte des MfS Januar-November 1989, Berlin 1990, S. 38.
Ausführungen des Ministers für Staatssicherheit Erich Mielke auf der Zentralen Dienstbesprechung (28. April 1989), BStU-Dokumentenstelle Nr. 103582, B1.73.
Zit. bei Wolfgang Rüddenklau, Störenfried, DDR-Opposition 1986 — 1989. Mit Texten aus den „Umweltblättern“, Berlin 1992, S. 291.
Zit. bei Thomas Ammer/Hans-Joachim Memmler, Staatssicherheit in Rostock. Zielgruppen, Methoden, Auflösung, Edition Deutschland Archiv, Köln 1991, S. 76.
Neues Deutschland vom 10. Mai 1989.
Kraft Befehl Nr. 189 der SMAD vom 21. Juli 1947 erhielt die Provinz Sachsen den Namen „Land Sachsen-Anhalt“, den es bis zur Neugliederung der DDR in vierzehn Bezirke durch Gesetz vom 23. Juli 1952 behielt. Fortan wurde Sachsen-Anhalt in die Bezirke Halle und Magdeburg aufgeteilt. Erst durch Gesetz vom 22. Juli 1990 entstand das Land SachsenAnhalt mit Wirkung zum 14. Oktober 1990 neu.
Vgl. dazu Günter Braun, Wahlen und Abstimmungen, in: Martin Broszat/ Hermann Weber: SBZ-Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945–1949, München 1990, S. 383ff.
Zit. in Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Berlin 1948, Bd. I, S. 89.
Vgl. dazu Günter Braun, Wahlen und Abstimmungen (s. o. Anmerkung 18), S. 383ff.
Mathias Tullner, Zwischen Demokratie und Diktatur. Die Kommunalwahlen und die Wahlen zum Provinziallandtag in Sachsen-Anhalt im Jahre 1946, Magdeburg 1996, S. 62.
Vgl. dazu Günter Braun, Wahlen und Abstimmungen (s. o. Anmerkung 18), S. 388ff.
Walter Ulbricht, Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Berlin 1963, Bd. III, S. 73.
Vgl. dazu Berliner Schicksal 1945–1952. Amtliche Berichte und Dokumente. Zusammengestellt im Auftrage des Berliner Senats vom Büro für Gesamtberliner Fragen, Berlin 1952, S. 78ff.
Zit. bei Karl Wilhelm Fricke, Opposition und Widerstand in der DDR. Ein politischer Report, Köln 1984, S. 63.
Vgl. dazu Günter Braun, Wahlen und Abstimmungen (s. o. Anmerkung 18), S. 390ff.
Zit. in: Unrecht als System. Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet. Herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Teil I, Bonn/Berlin 1952, Dok. Nr. 200 in S. 174.
Ebenda, Dok. 202, S. 175.
„Verhinderung allgemeiner, freier und geheimer Wahlen,“ (Kommentar), in: Unrecht als System, Teil I (s. o. Anmerkung 27), S. 171.
Ebenda, S. 172.
Walter Ulbricht, Die Organisationsarbeit der SED, zit. bei Richard Lukas, Zehn Jahre Sowjetische Besatzungszone, Düsseldorf 1955, S. 134f.
Jochen Laufer, Das Ministerium für Staatssicherheit und die Wahlfälschungen bei den ersten Wahlen in der DDR, in: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 5/1993, S. 23.
Vgl. dazu Karl Wilhelm Fricke, Zur Geschichte der Kommunalwahlen in der DDR, in: Deutschland Archiv 12 (1995)/5, S. 454ff.;
und Peter Joachim Lapp, Wahlen in der DDR, Berlin 1982.
Vgl. Laufer (s. o. Anmerkung 322), S. 17ff.
Ebenda, S. 27.
Vgl. dazu Karl Wilhelm Fricke, Politik und Justiz in der DDR. Zur Geschichte der politischen Verfolgung 1945–1968. Bericht und Dokumentation, Köln 1979. S. 245ff.
Protokoll des Olbernhauer Prozesses, zit. in: PZ-Archiv. Dokumente, Berichte, Kommentare zu gesamtdeutschen Fragen, Nr. 6/1951, S. 9.
Urteil des Landgerichts Eberswalde vom 23. Februar 1951, zit. bei Fricke, Politik und Justiz in der DDR (s. o. Anmerkung 36), S. 243.
Vgl. Ilse Spittmann/Karl Wilhelm Fricke, 17. Juni 1953. Arbeiteraufstand in der DDR, Edition Deutschland Archiv, 2. Auflage, Köln 1988, S. 12f.
Vgl. Manfred Hagen, DDR — Juni ’53. Die erste Volkserhebung im Stalinismus, Stuttgart 1992, S. 59ff.
Spittmann/Fricke, 17. Juni 1953 (s. o. Anmerkung 39), S. 15.
Zit. bei Wolfgang Harich, Keine Schwierigkeiten mit der Wahrheit. Zur nationalkommunistischen Opposition 1956 in der DDR, Berlin 1993, S. 140.
Zit. nach Dominik Geppert, Störmanöver. Das ‚Manifest der Opposition‘ und die Schließung des Ost-Berliner ‚Spiegel‘-Büros im Januar 1978, Berlin 1996, S. 167.
Zit. nach Fricke, Politik und Justiz in der DDR (s. o. Anmerkung 36), S. 408.
Zit. in: Stasi intern (s. o. Anmerkung 10), S. 293.
Wolfgang Rüddenklau, Störenfried. ddr-opposition 1986–1989, Berlin 1992, S. 288.
Vgl. Wahlfall 89. Eine Dokumentation der Berliner Koordinierungsgruppe Wahlen (hektographiert), o. J. (1989), S. 36f.
Zit. nach Karl Wilhelm Fricke, Zwischen Stagnation und Veränderung, Konfliktpotential und innere Situation der DDR, in: Beiträge zur Konfliktforschung, Nr. 3/1989, S. 12.
Christian Dietrich, „Der Protest formiert sich ...“, in: Bernd Lindner (Hrsg.), Herbst ’89. Für ein offenes Land mit freien Menschen, Leipzig 1994, S. 52.
Zit. bei Rein, Die protestantische Revolution (s. o. Anmerkung 9), S. 140f.
Schreiben des Rates des Stadtbezirks Friedrichshain vom 23. Mai 1998, zit. in: Wahlfall ’89. Eine Dokumentation, herausgegeben von der Berliner Koordinierungsgruppe Wahlen, S. 27.
Befehl Nr. 6/89 vom 6. März 1989, BStU-Dokumentenstelle Nr. 103568, Bl. 1–9.
Ebenda, Ziff. 2.
Ebenda, Ziff. 5.
Ebenda, Ziff. 6.2.
Ebenda, Ziff. 6.9.
Ordnung Nr. 5/89 vom 6. März 1989, BStU-Dokumentenstelle Nr. 103568, Bl. 1–7 (mit Anlagen).
Vgl. Ausführungen des Ministers für Staatssicherheit, Erich Mielke, auf der Zentralen Dienstbesprechung (28. April 1989). (s. o. Anmerkung 13), Bl. 2ff.
Ebenda, Bl. 76.
Rückinformation des Leiters der Bezirksverwaltung Magdeburg vom 20. April 1989 zur „Einschätzung über die politisch-operative Lage im Bezirk Magdeburg und eingeleitete Maßnahmen in Vorbereitung der Sicherung der Kommunalwahlen sowie des 1. und 8.Mai 1989 in Durchsetzung des Befehls 6/89 des Genossen Minister“, zit. bei: Roland Pechmann/Jürgen Vogel (Hg.), Abgesang der Stasi, a.a.O., S. 105.
Vgl. Zeno und Sabine Zimmerling, Neue Chronik der DDR, Berichte und Dokumente, 6. Folge, Berlin 1990, S. 109.
Urteil des Bezirksgerichts Dresden vom 7. Februar 1992 (s. o. Anmerkung 2), S. 364.
Gemeint war Horst Dohlus — K.W.F.
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Fricke, K.W. (1999). Die DDR-Kommunalwahlen ’89 als Zäsur für das Umschlagen von Opposition in Revolution. In: Opposition in der DDR von den 70er Jahren bis zum Zusammenbruch der SED-Herrschaft. Am Ende des realen Sozialismus, vol 3. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01229-0_16
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