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2006 | Buch

Mass Customization

Ein wettbewerbsstrategisches Konzept im Informationszeitalter

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einführung: Informationsrevolution und industrielle Produktion
Auszug
Ausgelöst durch die technischen Entwicklungen und neuen Anwendungsgebiete der modernen Informations- und Kommunikations- (IuK-)Technologien wandeln sich die industriellen Wertschöpfungsaktivitäten seit einigen Jahren in geradezu spektakulärem Ausmaß. Die Informationsgesellschaf steht dabei als (Leit-)Bild einer Wirtschafts- und Gesellschaftsform, in der die Gewinnung, Speicherung, Verarbeitung und Nutzung von Informationen und Wissen eine entscheidende Rolle spielen.1 Wirtschaftliche Organisationen sind als wichtiger Teil der Gesellschaft von diesen Veränderungen genauso betroffen wie der öffentliche Bereich und die privaten Haushalte. In Anbetracht der Geschwindigkeit, mit der sich die Industrie- zur Informationsgesellschaft wandelt, werden die Veränderungen häufig mit dem Ausdruck Informationsrevolution charakterisiert. Der Begriff soll als zusammenfassende Metapher nicht nur Tragweite und Dauerhaftigkeit der durch die neue Rolle der Information verursachten grundlegenden Umgestaltungen auf wirtschaftlicher wie gesellschaftlicher Ebene beschreiben, sondern auch die Dynamik der Änderungen widerspiegeln: Die Informationsrevolution ist kein statischer Zustand, sondern vielmehr ein Entwicklungsvorgang — derWeg von der Industrie- zur Informationsgesellschaft.
2. Forschungsprogrammatische Leitideen
Auszug
Wissenschaftliche Forschung ist ohne forschungsprogrammatische Basis nicht möglich.23 Deshalb sollen im Folgenden kurz die wissenschaftlichen und methodologischen Grundlagen der Untersuchung skizziert werden. Inhalt der Ausführungen dieses Kapitels ist nicht die Diskussion verschiedener Forschungsparadigmen,24 sondern lediglich die grundlegende Orientierung der vorliegenden Arbeit, die von folgenden, sich gegenseitig beeinflussenden fünf Leitideen geprägt ist:
(1)
Wissenschaftstheoretische Orientierung bieten die Grundsätze des wissenschaftlichen Realismus („scientific realism“), der abweichend vom kritischen Rationalismus nach Popper (1989) einen Erkenntnisfortschritt nicht allein durch Falsifikation zulässt, sondern eine Verifikation von Hypothesen durch übereinstimmende Beobachtungen vorsieht. Zwar kann so die Gültigkeit einer Aussage nicht mit absoluter Sicherheit überprüft werden, jedoch folgt eine Art kumulative Annäherung an die Wahrheit, die ihre Falsifizierung jedoch nicht ausschließt.25 Die Arbeit besitzt so eine positivistische Orientierung. Grundlage der Aussagen sind aus der Theorie abgeleitete Hypothesen, die durch Beobachtung verifiziert werden. Zwar ist zweifelsohne die Deduktion der Induktion vorzuziehen. Jedoch ist das zu untersuchende Feld theoretisch noch nicht durchdrungen, so dass eine reine Deduktion unrealistisch wäre.26 Stattdessen ist die komplementäre Anwendung von Deduktion und Induktion notwendig.27
 
(2)
Diese komplementäre Vorgehensweise mündet in einen dreistufigen Forschungsprozess dieser Arbeit:28 Auf die terminologisch-deskriptive Aufgabenstellung der Schaffung eines einheitlichen Begriffssystems und dessen Anwendung für die Beschreibung der Forschungsobjekte (im wesentlichen Kapitel 3 dieser Arbeit) folgen empirisch-induktive Forschungsaktivitäten durch die Untersuchung von in der Praxis beobachteten Zusammenhängen. Durch Verallgemeinerung der Einzelbeobachtungen kommt es so zu einer induktiven Ableitung von Hypothesen (Kapitel 3.3, 4 und 5 dieser Arbeit; Ergebnis ist in diesem Sinne das Paradigma des „Modern Manufacturing“ in Abschnitt 5.3). Dritte Stufe ist schließlich eine analytischdeduktive Aufgabenstellung, bei der es um die Konstruktion von Modellen, ihre analytische Auswertung („Logik von Mass Customization“ in Kapitel 7) und ihre Konkretisierung geht.
 
(3)
Ziel der Arbeit ist es, auf der Ebene der angewandten Forschung praxeologische Aussagen zu treffen, die unmittelbare Hilfestellung für praktische Problemlösungen von Industriebetrieben liefern können. Hierzu dient insbesondere Kapitel 8 der Arbeit, in dem es um die Umsetzung des in den vorherigen Kapiteln abgeleiteten Modells industrieller Wertschöpfung in der Informationsgesellschaft geht. Die Arbeit verfolgt so letztendlich ein pragmatisches Wissenschaftsziel.29 Während die theorieorientierte Grundlagenforschung die Gewinnung empirisch-gehaltvoller, genereller Erklärungen über beobachtete Phänomene anstrebt (erkenntnisleitend sind „Warum-Fragen“, die durch empirisch-kognitive Aussagen beantwortet werden sollen),30 verfolgt eine pragmatisch orientierte Arbeit das Ziel, Gestaltungsmöglichkeiten und ihre Begründung zu formulieren („Wie-Fragen“; siehe Abbildung 2-1). Über den Einzellfall hinausgehende Antworten auf diese Fragen werden nach Grochla als praxeologische Aussagen bezeichnet.31
 
3. Entwicklungslinien neuer IuK-Technologien
Auszug
Ziel dieses Kapitels ist die Darstellung der grundsätzlichen Rolle der Information und Kommunikation im Industriebetrieb, die aufgrund aktueller technologischer Entwicklungen einer Änderung bzw. Erweiterung unterworfen ist. Dazu wird nach einer einleitenden Begriffsbestimmung (Kapitel 3.1) die Funktion der Information aus ökonomischer Sicht betrachtet (Kapitel 3.2). Die betriebliche Nutzung der Information wird weitgehend erst durch den Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologie ermöglicht. Die technischen Innovationen in diesem Bereich stehen im Mittelpunkt von Kapitel 3.3. Sie begründen eine neue Rolle und Bedeutung der Information, die oftmals mit der Metapher der Informationsgesellschaft oder Informationsrevolution beschrieben wird (Kapitel 3.4).
4. Organisationale und wettbewerbsstrategische Wirkungen der IuK-Technik
Auszug
Bis in die jüngere Vergangenheit determinierte in vielen Unternehmen der jeweilige IuK-technologische Entwicklungsstand die Gestaltungsmöglichkeiten der Wertschöpfung eines Unternehmens.150 Heute jedoch hat sich diese Tendenz vielfach geradezu umgekehrt: Die IuK-technischen Innovationen eröffnen neue Gestaltungsoptionen, die zum erfölgreichen Bestand eines Unternehmens im Wettbewerb beitragen. Ziel dieses Kapitels ist es, die im fünften Kapitel beginnende Diskussion der Wirkungen der Informationsrevolution auf den Produktionsbereich in den Unternehmenskontext einzuordnen. Hierzu dient eine Analyse der Änderungen, die aufgrund der Informationsrevolution auf der aggregierten Ebene des Gesamtunternehmens zu erwarten sind. Ausgangspunkt ist die Darstellung der „neuen Wettbewerbsbedingungen“, die den Rahmen der betrieblichen Veränderungen bilden. Anschließend wird die Rolle der IuK-Technik in der industriellen Wertschöpf ung betrachtet. Dazu werden nach einer einführenden Diskussion des Zusammenhangs zwischen IuK-Technologien und der Organisationsgestaltung zunächst ihre Wirkungen auf operationaler Ebene (Produktivitätswirkungen) beschrieben und anschließend ihr Beitrag zur Schaffung strategischer Wettbewerbsvorteile untersucht.
5. Die neue Rolle der industriellen Produktion
Auszug
Die Produktion als zentraler Bereich der Wertkette industrieller Unternehmen unterliegt einem ständigen Wandel, der heute angesichts der Potentiale der neuen IuK-Technologien in Verbindung mit veränderten Vorstellungen und Formen industrieller Organisation ein derartiges Ausmaß erreicht, dass der Übergang zu einem neuen Paradigma industrieller Wertschöpfung gesehen wird. Das produzierende Unternehmen der Informationsgesellschaft unterscheidet sich im Bereich der Leistungserstellung wesentlich vom klassischen Industriebetrieb. Ziel dieses Kapitels ist es, die vielfältigen Wirkungsbeziehungen zwischen Produktion und IuK-Technologie näher zu betrachten.
6. Kundenspezifische Produktion als Reaktion auf die neuen Wettbewerbsbedingungen
Auszug
Bell sieht in seiner Konzeption der Informationsgesellschaft (siehe Abschnitt 3.4.1.1) aus Nachfragersicht als Schicksalsfrage, „weather the promise will be realized that instrumental technology will open the way to alternative modes of achieving individuality and variety within a vastiy increased Output of goods.“407 Inhalt dieses Kapitels ist es zu zeigen, wie eine solche Individualität und Variantenvielfalt erreicht werden kann, und die schon mehrfach angeführte Aussage genauer zu begründen, warum gerade eine kundenspezifische Leistungserstellung im heutigen Wettbewerb ein adäquates Mittel ist, dauerhafte Wettbewerbsvorteile zu schaffen (Abschnitt 6.2). Jedoch ist die Individualisierung auch mit Nachteilen (zusätzlichen Kosten) verbunden. Ursache der steigenden Kosten (im Vergleich zu einer massenhaften Produktion entsprechend dem alten Fertigungsparadigma) ist die steigende Komplexität der Leistungserstellung. Die verschiedenen Treiber dieser Komplexität werden am Ende des Kapitels diskutiert, um Anhaltspunkte für ihre Überwindung zu finden. Dabei werden die verbreitetsten Formen einer kundennahen Produktion, Varianten- und Einzelfertigung, getrennt betrachtet (Abschnitt 6.3 und 6.4).
7. Mass Customization als wettbewerbsstrategisches Konzept
Auszug
Die IuK-Technologie wird zum „Wegbereiter für das Entstehen neuer Branchen (...) und wird ganze Wettbewerbslandschaften grundlegend verändern. Der Wandel im Wettbewerb findet seinen Ausdruck u.a. in IKT- [IuK-Technologie-] basierten neuen Fertigungstechnologien, die in vielen Industriezweigen eine Symbiose der Prinzipien von wirtschaftlicher Massenfertigung und kundenindividueller Einzelfertigung“529 ermöglichen. Ähnlich wie Zahn betont die Literatur immer wieder als charakteristische Eigenschaft eines neuen Fertigungsparadigmas und Folge der Informationswirtschaft, dass die klassische Massenproduktion durch die Fertigung kundenindividueller Güter zu einem Kostenniveau vergleichbarer Massengüter abgelöst werden wird.530 Diese Kombination aus massenhafter und individueller Fertigung bezeichnet der Begriff Mass Customization (oder dt. kundenindividuelle Massenproduktion). Mass Customization wird vielfach als neue Stufe in der Evolutionsgeschichte der Fertigung gesehen — nach der handwerklichen Fertigung, den Manufakturen, der industriellen Massenproduktion und schließlich der variantenreichen flexiblen Produktion.531 Mass Customization nimmt aufgrund einer doppelten Rolle im Rahmen dieser Arbeit eine herausragende Stellung ein: Zum einen bietet sie weitgehende Potentiale, auf die neuen Wettbewerbsbedingungen zu reagieren, zum anderen wird sie durch die Potentiale der neuen IuK-Technologien erst ermöglicht und beschreibt so eine wesentliche Auswirkung der Informationsrevolution auf die Produktion.
8. Umsetzung der kundenindividuellen Massenproduktion
Auszug
Nachdem im letzten Kapitel das Konzept der kundenindividuellen Massenproduktion gekennzeichnet und in seinen Grundzügen beschrieben wurde, wird nun seine konkrete Umsetzung dargestellt. Im Mittelpunkt stehen dabei Gestaltung und Abwicklung der innerbetrieblichen und unternehmensübergreifenden Informations- und Kommunikationsprozesse des Herstellers mit seinen Abnehmern und Lieferanten, da der Information eine zentrale Rolle innerhalb der kundenindividuellen Massenproduktion zukommt. Die Argumentation in diesem Kapitel ist entsprechend der Wertkette im Mass-Customization-Geschäft aufgebaut (siehe Abschnitt 7.1.4). Nach der Beschreibung der zu lösenden Informations-, Planungs- und Steuerungsschritte der einzelnen Stufen soll gezeigt werden, welche konkreten Potentiale hier die neuen IuK-Technologien bieten.
9. Resümee: Der Informationskreis bei Mass Customization
Auszug
Ausgangspunkt der Arbeit war die neue Rolle und Bedeutung der Information und Kommunikation, die das Bild der Informationsgesellschaft begründete. Angetrieben durch bahnbrechende Entwicklungen der IuK-Technologie und neue Möglichkeiten zum Umgang mit Information und Kommunikation („Informationsrevolution“) auf der einen und eine „Verhaltensrevolution“ auf der anderen Seite, die im Sinne der marktgesteuerten Dezentralisation neue Anreizmechanismen betont und zu neuen Formen arbeitsteiligen wirtschaftlichen Handelns fuhrt, verändert sich das Modell industrieller Wertschöpfung derart, dass ein neues techno-ökonomisches Paradigma mit eigenen, distinktiven Merkmalen und Charakteristika entsteht („Modern Manufacturing“). Diese Entwicklungen vollziehen sich jedoch nicht in einer statischen Umwelt, sondern müssen im Gegenteil vor dem Hintergrund veränderter Wettbewerbsbedingungen auf der Nachfrage- und Angebotsseite betrachtet werden.
Backmatter
Metadaten
Titel
Mass Customization
verfasst von
Frank Thomas Piller
Copyright-Jahr
2006
Verlag
DUV
Electronic ISBN
978-3-8350-9204-4
Print ISBN
978-3-8350-0355-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-8350-9204-4