“Das mathematische Muß ist nur ein anderer Ausdruck dafür, daß die Mathematik Begriffe bildet.” (Wittgenstein) 1)
Abstract
This article presents a survey of problems when learning and teaching mathematical conceptions. As an example the convexity of geometric figures is pointed out. A stage model (4 stages: 1) Observations in a familiar situation, 2) Simulation with mathematical tools, 3) Integration into the body of knowledge, 4) Reflections and Transfer) is proposed. The use of (6) different types of determining a concept is recommended. In conclusion the role of conceptual thinking is out lined.
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Anmerkungen und Literaturhinweise
Wittgenstein, L.: Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik, Blackwell 1967, S. 194
Vgl. z.B.: Posner, M.I.: Kognitive Psychologie, Juventa 1976, Oerter, R.: Psychologie des Denkens, Auer 19775
Piaget, J.: Psychologie der Intelligenz, Rascher 1948, „Die Intelligenz allein, welche aller Urn- und Rückwege im Handeln und Denken fähig ist, ist auf ein allgemeines Gleichgewicht gerichtet, indem sie die gesamte Wirklichkeit zu assimilieren und auch derselben ihre eigene Tatigkeit zu akkomodieren strebt.” (S. 18)
Es dürfte das Verdienst Bruners sein, zum erstenmal eine systematische Untersuchung zu Begriffsbildungsstrategien unternommen zu haben. Als beinahe schon klassisches Buch gilt: Bruner-Goodnow-Austin: A study of Thinking, Wiley (New York) 1956. Dort werden die folgenden 3 Strategien unterschieden: simultanes Durchsuchen, sukzessives Durch-suchen, Brennpunktbildung. Vgl. auch die Aufsätze von D. Olson, S. Bruner und H. Kenney, in: Bruner (u.a.): Studien zur kognitiven Entwicklung, Klett 1971. Inzwischen liegt eine Flut von Veröffentlichungen über Be-griffslernen vor. Daß es daßei auch (für die Didaktik) Irrelevantes gibt, möge dadurch belegt werden, daß Ausubel den Begriff „reelle Zahl” zu den sogen. disjunktiven Begriffen zählt, weil eine reelle Zahl rational oder irrational ist, Ausubel, a.a.O., 10) S. 579. Nach ihm liegt offenbar die Schwierigkeit des Begriffs der reellen Zahl in der Disjunktheit!
Daß dieser Zugang zu zeitaufwendig und deshalb unpraktikabel sei, wie Holland meint, vermag ich nicht einzusehen. Diese Bemerkung soil nicht die verdienstvolle Arbeit von Holland schmälern. Er unterscheidet 3 Strategien des Begriffserwerbs: (A) Abstraktion aus Beispielen und Gegenbeispielen, (D) verbales Definieren, (K) Konstruieren, Holland, G.: Strategien zur Bildung geometrischer Begriffe, in: Beiträge zum Mathematikunterricht 1975, Schroedel 1975, S. 59–68. In jüngerer Zeit hat Holland seine Untersuchungen zum Erwerb geometrischer Begriffe fortgesetzt, vgl.:Unterrichtsstrate-gien zum Erwerb geometrischer Abbildungsbegriffe, in JMD 3 (1982), S. 295-329.
Vgl. z. B. das Kapitel „Konvexe Figuren und Körper” von Boltjanski, Jaglom, in: Grell, H. (u.a. Hrsg.): Enzyklopädie der Elementarmathematik, Deutscher Verlag der Wissenschaften 1971, Bd. V (Geometrie), S. 171 ff.
Zahlreiche Anregungen fand ich in der Habilitationsschrift: Bender/Schreiber: Operative Genese der Geometrie, Ms. RWTH Aachen
Wunderlich / Gloede: Natur als Konstrukteur, Edition Leipzig 1977, S. 20
Poincaré, H.: Wissenschaft und Methode, Teubner 1973, S. 105
Ausubel, D.P.: Psychologie des Unterrichts 2, Beltz 1974 „Das heißt, sie (die Schüler, H.W.) lernen neue Konzept-bedeutungen, indem ihnen die Kriteriumsattribute präsentiert werden, …” (S. 569)
Es gibt in der Literatur zahlreiche Stufenmodelle. Zwei, auf die ich mich hier stark stütze, erwähne ich. Skemp unterscheidet 1. instrumental understanding (Anwendung einer auswendig gelernten Regel), 2. relational understanding (deduktive Fähigkeit) und 3. formal (= logical) understanding (Verbindung von Symbolen und Ideen). Skemp, R.R.: Goals of Learning and Qualities of Understanding, in: Mathematical teaching 88 (1979), S. 44–49 Vollrath sieht folgende 4 „Stufen des Begriffsverständnisses”, die er am Beispiel des Funktionsbegriffs erläutert: Inhaltliche, nicht formale Kenntnis des Begriffs; formale Kenntnis des Begriffs; integrierte Kenntnis des Begriffs; kritische Kenntnis des Begriffs. Vollrath, H.-J.: Didaktik der Algebra, Klett 1975, S. 51 f.
Freudenthal, H.: Mathematik als pädagogische Aufgabe, Bd. 1, Klett 1973, S. 121 f.
Neumann, J.v.: Der Mathematiker, in: Otte, M. (Hrsg.): Mathematiker über die Mathematik, Springer 1974, S. 45
Lorenzen, P.: Methodisches Denken, Suhrkamp 1974, S. 26
Dieses Verständnis, das sich wesentlich im Verfügen über Fertigkeiten ausdrückt, wird nicht nur von Ingenieuren hoch geschätzt. Da sich Fertigkeiten (und definitorisches Wissen) relativ leicht einpauken und besonders leicht abprüfen lassen, besteht die Gefahr, daß in der Schule operativ-instrumentelles Verständnis als einzige Kategorie von Verständnis überbewertet wird. In jüngster Zeit verstärken sich auch in der fachdidaktischen Diskussion die Stimmen, die ungeniert einem naiven back-to-basics-Trend das Wort reden. Man beachte dagegen die Aussagen des engl. Cockroft-Reports und die Beiträge in: Steen, L.A. (Hrsg.): Mathematics Tomorrow, Springer 1981
So unterscheidet F. Schleiermacher schon 3 Schulstufen: „Volksschule für die Regierten (Bauern und Gewerbetreibende), Bürgerschule für diejenigen, die im Gewerbeleben eine bedeutendere, teilweise sogar regierende Tätigkeit ausüben, und wissenschaftliche Bildungsstufe oder Gelehrtenschule (Realschule, Gymnasium, Universität) für die Leitenden und Regierenden”. Zit. aus A. Dolch: Lehrplan des Abendlandes, Henn 1971, S. 349. Diese „realistische” Einteilung erfreut sich heute wieder wachsender Beliebtheit.
Thorn, R.: ‚Moderne’ Mathematik: Ein erzieherischer und philosophischer Irrtum? in: Otte 13) S. 379
Der Gedanke, daß mit dem Erwerb von Wissen auch ein Wissen über Wissen (Metawissen) erworben werden muß, ist wiederholt mit Nachdruck von M. Otte vertreten worden, vgl. etwa: Otte, M., Bromme, R.: Der Begriff und die Probleme seiner Aneignung, in Bloch / Künzli / Lang (Hrsg.): Grundlagenkonzepte der Wissenschaftskritik als unterrichtsstrukturierende Momente, IPN-Arbeitsberichte 29, Kiel 1978
Wygotski, L.S.: Denken und Sprechen, Fischer 1974, S. 255
In seinem Versuch der Rekonstruktion von Sprache, ohne bereits eine Umgangssprache als Metasprache vorauszusetzen, beginnt Lorenzen interessanterweise mit der „exemplarischen Einführung von Prädikaten”, Lorenzen, a.a.O., vgl. 14) S. 28 ff.
Freudenthal, H.: Vorrede zu einer Wissenschaft vom Mathematikunterricht, Oldenbourg 1978, S. 186 ff.
„When I have made a mechanical model, I understood a process.” (Lord Kelvin). Zit. nach Fischer, A: Die philosophischen Grundlagen der wissenschaftlichen Erkenntnis, Springer 1967, S. 41
Frege, G.: Funktion, Begriff, Bedeutung, Vandenhoeck & Ruprecht, 1969
Rinkens, H.-D.: Abstraktion und Struktur, Henn 1973
Schreiber, A.: Idealisierungsprozesse — ihr logisches Verständnis und ihre didaktische Funktion, in: Journal für Mathematikdidaktik 1 (1980), S. 42–61
Gericke, H.: Geschichte des Zahlbegriffs, Bibl. Institut 1970, S. 27
Grell, H. u.a. (Hrsg.): Enzyklopädie der Elementarmathematik, Bd. 1, S. pp14
Dawydow, W.: Arten der Verallgemeinerung im Unterricht, Volk und Wissen, 1977, vgl. auch: Zankov, L.V.: Didaktik und Leben, Schroedel 1973 und Freudenthal 20)
Kreisel, G.: Die formalistisch-positivistische Doktrin der mathematischen Präzision im Lichte der Erfahrung, in: Otte 13), S. 65–123
Felscher, W.: Naive Mengen und abstrakte Zahlen I, Bibl. Inst. 1978, S. 26 Vgl. dagegen Kreisel und auch R. Thorn: „In Anbetracht all dessen, sollte der Mathematiker den Mut haben, sich zu seiner tiefsten Überzeugung zu bekennen: er wird also zu-geben, daß mathematische Begriffe eine Existenz besitzen, die unabhängig ist vom menschlichen Geist, der sie denkt.” R. Thorn, a.a.O, 13) S. 375
Whorf, B.L.: Sprache, Denken, Wirklichkeit, Rowohlt 1963, „Wir gliedern die Natur an Linien auf, die uns durch unsere Muttersprache vorgegeben sind”., S. 12
Wussing, H.: Die Genesis des abstrakten Gruppenbegriffs, Deutscher Verlag der Wissenschaften 1969
Vgl. zur Axiomatik und zur „axiomatischen Abstraktion” auch Freudenthal, a.a.O., 12) S. 39 ff.
Gagné, R.M.: Die Bedingungen des menschlichen Lernens, Schroedel 1969
Freudenthal, H.: a.a.O., 12) S. 47
Padberg, F.: Wege zur Ableitung der Divisionsregel der Bruchrechnung, in JMD 3 (1982), H. 1, S. 67–86
Fuhrmann, E.: Zum Definieren im Mathematikunterricht, Volk und Wissen 1973 „Bewußtes Arbeiten an den Definitionen der Grundrechen-operationen im Bereich der gebrochenen (bzw. rationalen) Zahlen hat eine erhebliche Steigerung der Leistungen im Rechnen mit gebrochenen (bzw. rationalen) Zahlen zur Folge”. S. 173. Vgl. auch Brown, M.: Cognitive Development and the Learning of Mathematics, in: Floyd, A. (Hrsg.): Cognitive Development in the School Years, Croom Helm (London) 1979, S. 356
Karaschewski, H.: Wesen und Weg des ganzheitlichen Rechnens, Klett 1965, „Die mathematische Begriffsbildung ist nicht ‚anschaulich-folgerichtig’.”, S. 173
Jahnke, H.N.: Zum Verhältnis von Wissensentwicklung und Begrundung in der Mathematik, Band 10 der Materialien und Studien des IDM Bielefeld 1978
Wittmann, E.: Grundfragen des Mathematikunterrichts, Vieweg 19816, s. 95 ff.
Hofstadter, D.R.: Können Maschinen je kreativ sein? in: Spektrum der Wissenschaft, 1982, H. 11, S. 10
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Winter, H. Über die Entfaltung begrifflichen Denkens im Mathematikunterricht. JMD 4, 175–204 (1983). https://doi.org/10.1007/BF03339230
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