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Wertungen des „Transplantationsskandals“ durch die Medien

Diskursanalytische Studie an ausgesuchten deutschen Zeitungen

Assessment of the transplantation scandal by the media

Scientific discourse analysis of selected German newspapers

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Der Anaesthesist Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Hintergrund

Das Medium Zeitung stellt eine wichtige Informationsquelle mit meinungsbildendem Charakter dar. Im Rahmen des „Transplantationsskandals“ (TS) befassten sich zahlreiche Veröffentlichungen deutscher Presseorgane investigativ mit kritischen Fragen zu Organspende, Transplantation oder Hirntod. Da in diesem Zusammenhang die inhaltliche Ausrichtung sowie das Verhältnis von Information und Meinungsbildung von großer Bedeutung waren, wurde eine kritische Textanalyse von Beiträgen ausgewählter deutscher Presseorgane durchgeführt.

Material und Methoden

Einer modernen Form der Textanalyse (kritische Diskursanalyse) wurden 216 Beiträge der Druckerzeugnisse Süddeutsche Zeitung (SZ), Die Welt, Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und Die Zeit, veröffentlicht zwischen Sommer 2012 und Frühjahr 2013, unterzogen. Es wurden 12 Aussagekategorien identifiziert und quantitativ sowie qualitativ ausgewertet.

Ergebnisse

Die meisten Artikel erschienen im Sommer 2012, als die Manipulationsvorwürfe im TS bekannt wurden. Eine 2. “Welle“ wurde zu Beginn 2013 im Zusammenhang mit dem Prozess gegen einen hauptbeschuldigten Arzt publiziert. Der überwiegende Anteil der Kategorien (63,8 %) transportierte eine wertende negative Meinung (Vertrauensverlust, Bereicherung, Betrug, Fehlverhalten, Kritik am Hirntodkonzept, Verlust der Totenruhe), verbunden mit Zweifeln an der Transplantationsmedizin per se, während weniger Beiträge (36,2 %) die Bemühung um objektive Information, den ethischen Aufruf zur Organspende oder das Problem mangelnder Spendenbereitschaft betonten. Es fand sich eine Häufung von Artikeln, die das Hirntodkonzept anzweifelten und das Misstrauen gegenüber dieser Todesart unterstützten.

Schlussfolgerung

Der Presse kommt besondere Bedeutung bezüglich der objektiven und sachgerechten Vermittlung von komplexer werdenden Inhalten der Transplantationsmedizin an die Bevölkerung – v. a. im Rahmen einer Krise – zu. Hier besteht dringender Optimierungsbedarf: Mediziner, Ethiker, Journalisten und Gesundheitspolitiker sind zur engen Zusammenarbeit aufgerufen.

Abstract

Background

The press is an important medium and plays a significant role as an information source for people. Moreover, the daily press transmits opinion-forming contents. During the German “transplantation scandal” various articles were published in the German press focusing on organ donation, transplantation, allocation of organs and brain death determination. Selected important newspaper articles were analyzed using a scientific text analysis as it was assumed that the publications might have had an important influence on attitudes or mistrust of transplantation medicine.

Material and methods

A total of 216 articles from Süddeutsche Zeitung, Die Welt, Frankfurter Allgemeine Zeitung and Die Zeit published between summer 2012 and early 2013, which focused on the transplantation scandal were analyzed using a modern form of scientific text analysis. From these articles 12 categories of contents were identified which were analyzed quantitatively and qualitatively.

Results

Most articles were published between June and August 2012 when the accusations of organ allocation manipulation were made public. A second wave was found in the early months of 2013, when the court proceedings against the predominantly blamed physician began. Most of the categories (63.8 %) transmitted a negative evaluative opinion (i.e. loss of confidence, enrichment of the persons involved, fraud, misconduct, rejection of brain death and disturbing the peace of the dead) leading to mistrust of transplantation per se, while the minority (36.2 %) were categorized as endeavoring to convey objective information, focus on ethical responsibility for organ donation or the problems of organ shortage. Furthermore, a striking increase of articles doubting the concept of brain death was observed.

Conclusion

German newspapers as important opinion-leading and opinion-forming media have a substantial impact in accomplishing the demands for objective and factual information of transplantation medicine. Physicians, ethicists, journalists and politicians are invoked to have a closer collaboration in the future.

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Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. A. Hoisl, R. Barbey, B.M. Graf, J. Briegel und T. Bein geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to T. Bein.

Additional information

Diese Arbeit enthält wesentliche Teile der Dissertationsarbeit von cand. med. A. Hoisl.

Anhang

Anhang

Exemplarische Zitate zu den jeweiligen Kategorien

1 Vertrauensverlust

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.07.2012: „Der Schaden für alle – für Ärzte, Patienten, Transplantationsmedizin, für einen Staat, der diese fördern will – ist immens und womöglich irreparabel. Was in Göttingen geschah, ist eine echte Schande“.

Süddeutsche Zeitung, 17.08.2012: „Nicht genug damit, dass dieses Vertrauen nun von einem mutmaßlich kriminellen Arzt zertrümmert wurde. Jetzt beteiligen sich auch noch Medien und Politiker daran, auf den Trümmern herumzuhacken. Bis das Vertrauen ganz im Dreck liegt“.

2 Bereicherung

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.07.2012: „In Göttingen aber soll Geld geflossen sein – sollen also Reiche Ärmere übervorteilt haben, soll ein Arzt sich auf Kosten Kranker bereichert haben“.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.08.2012: „Der Gedanke, dass Organe gegen Geldprämien verschachert wurden, lässt erschaudern; der Verdacht nagt an den Grundfesten eines solidarischen Gesundheitswesens“.

Süddeutsche Zeitung, 14.06.2012: „Ein Göttinger Mediziner soll einen ausländischen Patienten gegen eine hohe Geldzahlung bei der Lebertransplantation bevorzugt haben“.

Süddeutsche Zeitung, 03.01.2013: „Viele Menschen glauben, die Ärzte hätten die Organe gegen Geld verschoben. Wahrscheinlicher aber ist, dass sie mit hohen Transplantationszahlen nur ihr Prestige und das ihres Klinikums mehren wollten“.

Süddeutsche Zeitung, 25.04.2013: „Geld war offenbar ohnehin nicht im Spiel“.

3 Betrug

Süddeutsche Zeitung, 23.07.2012: „Der frühere Leiter der Göttinger Transplantationsmedizin steht unter dem Verdacht, Akten gefälscht und so dafür gesorgt zu haben, dass Patienten beim Empfang von Spenderlebern bevorzugt wurden“.

4 Individuelles ärztliches Fehlverhalten

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 09.08.2012: „In Göttingen sollen zwei Ärzte die Labordaten von Dutzenden Patienten derart geändert haben, dass die Patienten auf den Wartelisten für Organe weiter nach oben rückten“.

Süddeutsche Zeitung, 09.08.2012: „Wir dürfen die Ärzte wegen einiger schwarzer Schafe nicht unter Generalverdacht stellen“.

5 Kollektives ärztliches Fehlverhalten

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.08.2012: „Schon werden andere Kliniken mit Regelverstößen in Verbindung gebracht. Archive offenbaren, dass sich schon früher mit Organtransplantationen befasste Ärzte über das Recht gestellt und den hippokratischen Eid – „zum Nutzen, nicht zum Schaden des Patienten“ – missachtet haben“.

Süddeutsche Zeitung, 06.08.2012: „Ähnlich wie in der Luftfahrt müssten Kliniken ihre Chirurgen trainieren, Vorgesetzten zu widersprechen und Fehler sanktionsfrei zu melden; die Manipulationen von Göttingen können den Ärzten und Schwestern kaum entgangen sein. Und doch hat sich erst nach Jahren ein Einzelner dazu durchgerungen, die Vorfälle anzuzeigen“.

Die Zeit, 02.08.2012: „Wir Mediziner haben uns zu lange aus ökonomischen Fragen rausgehalten. Die angehenden Mediziner müssten sich heute mehr mit solchen wirtschaftlichen Hintergründen beschäftigen. Dann wird die Medizin wieder menschlicher und medizinischer“.

6 Aufforderung zum Misstrauen

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 05.08.2012: „Es gibt noch andere Wege, den offiziellen Dienstweg zu umgehen. Wie, das schildert ein Arzt eines Transplantationszentrums, der ebenfalls anonym bleiben möchte: ‚Man meldet einen Patienten als dringlich an und wartet, bis ein Organ da ist. Dann meldet man denselben Patienten als nichttransplantabel, wohl wissend, dass Eurotransplant das Organ nach der verstrichenen Zeit nicht mehr neu nach Warteliste vergeben kann. Das Organ ist dann frei, und die Klinik kann entscheiden, wer das Organ wirklich bekommt. Vielleicht ist es zufällig jemand, dem die lebensrettende Operation viel Geld wert ist?‘“

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.08.2012: „Nicht länger tabu ist auch der Konflikt zwischen der für die Organtransplantation gleichfalls unabdingbaren Intensivmedizin und der Palliativmedizin. Weil ein in den Tod begleiteter Patient kaum als Organspender taugt, könnte am Ende aus dem Mangel an Spendern unter der Hand ein perfides Argument für die aktive Sterbehilfe werden – von wessen Hand auch immer“.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 19.08.2012: „Auf dem Schwarzmarkt werden Nieren für 50.000 bis 70.000 € angeboten – es soll auch Fälle geben, in denen Organempfänger den Spendern Erbschaften in Aussicht stellen“.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 19.08.2012: „Der Oberarzt der Intensivstation, auf der Isa liegt, ist ein erfahrener Neurologe. Er ist außerdem Transplantationsbeauftragter der Klinik. Er ist dafür zuständig, möglichst viele Organspender zu besorgen, indem er auf der Intensivstation nach Kandidaten Ausschau hält“.

Süddeutsche Zeitung, 21.07.2012: „Die oft schleppende oder gar fehlende Aufklärung verdeutlicht ein Fall aus Düsseldorf: Hier wurden einem Mann Organe entnommen, ohne dass alle Protokolle zur Feststellung des Hirntods vorlagen“.

Süddeutsche Zeitung, 27.07.2012: „Da staunt man auch, dass die gemeinnützige Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) mit der Koordination der Organspende in Deutschland im Vertrauen darauf betraut, dass bei ihr das Wohl des Patienten im Zentrum stehe, Ärzten, die vorab über die Güte eines möglichen Spenderorgans entscheiden müssen, bei gleichem Aufwand für ein positives Gutachten fast das Vierfache bezahlt wie für ein negatives Votum“.

Süddeutsche Zeitung, 01.08.2012: „Mitunter seien Patienten auch einfach nicht behandelt worden: So blieben ihre Blutwerte schlecht, Transplantationen erschienen dringend nötig“.

Süddeutsche Zeitung, 17.08.2012: „Allein: Was inzwischen zum Thema Organspende so alles in heller Erregung berichtet wird, hat oft mit Aufklärung nichts mehr zu tun, sondern mit dem Schüren von Angst, Verunsicherung, Neid“.

Die Zeit, 26.07.2012: „Aber handelt es sich – wenn der Verdacht zutrifft – tatsächlich nur um einen einzelnen, irregeleiteten Transplantationschirurgen, oder ist der Fall nicht doch Symptom eines grundsätzlichen Systemfehlers? Um es vorwegzunehmen: Vieles spricht dafür, dass das Transplantationswesen in Deutschland anfällig ist für Missbrauch“.

7 Bemühung um objektive Aufklärung und Information

Süddeutsche Zeitung, 27.07.2012: „So kamen die Patienten auf einen hohen Meld-Score. Dieser bedeutet, dass der Patient ohne ein neues Organ bald sterben wird. Er bedeutet aber auch, dass der Patient ganz oben auf der Warteliste steht und möglichst bald ein passendes Organ bekommt“.

Süddeutsche Zeitung, 10.08.2012: „Tatsächlich hat die DSO gar keine Aufsichtspflichten, sie hätte den Betrug kaum verhindern können. Denn das System der Organspende ist in Deutschland dreistufig aufgebaut. Die Stufen heißen Organspende, Organverteilung, Organtransplantation. Jede Stufe ist bei einer anderen Organisation angesiedelt“.

8 Betonung ethischer Pflicht zur Organspende

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 29.07.2012: „Wäre niemand niemals bereit zu spenden, müsste man die Situation hinnehmen. Wem seine körperliche Unversehrtheit das höchste Gut ist, der wird der körperlichen Ausschlachtung nichts Positives abgewinnen. Wer an die Auferstehung des Fleisches glaubt, mag ebenfalls gute Gründe dagegen vorbringen, seine Identität zerstören zu lassen. Er könnte aber auch das Gebot der Nächstenliebe in der Hierarchie seiner Werte dem Anspruch auf körperliche Unversehrtheit überordnen“.

Süddeutsche Zeitung, 05.09.2012: „Wem etwa seine körperliche Unversehrtheit über den Tod hinaus wichtig ist, der wird wohl keinen Spenderausweis besitzen. Andere empfinden die Hilfe für Kranke als moralischen Auftrag und glauben, es sei unerheblich, was nach dem Tod mit ihrem Körper geschieht“.

Die Zeit, 16.08.2012: „Aber das Verdrängen der Frage, ob ich Spender werde oder nicht, ist keine rein persönliche Sache. Das Thema hat potenzielle Auswirkungen auf andere Menschen und ist damit eine Frage der – um ein großes Wort zu gebrauchen – Solidarität. Ich frage mich, warum das in Deutschland so schwer zu vermitteln ist. Selbst eine klare Entscheidung gegen die Organspende ist hilfreich, weil sie den Angehörigen eine schwere Entscheidung in einer höchst schmerzhaften Situation abnimmt“.

9 Mangelnde Spendenbereitschaft

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.08.2012: „Spenderorgane sind ein knappes Gut, die Anreize zur Regelüberschreitung entsprechend groß. In Deutschland warten 12.000 Menschen auf ein Organ; jeden Tag sterben drei, weil kein passender Spender gefunden wurde. Würden keine Organe eingeführt, wäre die Sterberate höher. Bei Organen ist der langjährige Exportweltmeister ein Nettoimporteur. Die Spendenbereitschaft ist nur in den Umfragen hoch: Tatsächlich ging die Zahl der Spender im ersten Halbjahr weiter auf 562 zurück, die Zahl der zur Verfügung gestellten Organe lag mit 1868 unter dem Vergleichswert 2010“.

10 Fehlende politische Lösung

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 29.07.2012: „Besser und fairer wären freiwillige Verträge, die auf Gegenseitigkeit beruhen: Wer sich als potenzieller Spender bekennt, wird bevorzugt behandelt, wenn er selbst ein Organ braucht. Ein solches, nicht an scheinbar objektiven medizinischen Notwendigkeiten orientiertes Zuteilungssystem würde zudem den kriminellen Medizinern ihr böses Geschäft kaputtmachen“.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.01.2013: „Vielmehr muss sich der Gesetzgeber wenigstens einmal wieder intensiv der Probleme annehmen und dabei unvoreingenommen klären, warum gerade angesichts einer so heiklen Materie die Strafvorschriften des Gesetzes so zurückhaltend formuliert worden sind“.

Süddeutsche Zeitung, 21.07.2012: „Gerade für die Patienten ist es nun wichtiger denn je, das Vertrauen wieder zu stärken. Dies lässt sich nur durch mehr Kontrolle und Transparenz erreichen“.

Die Zeit, 31.10.2012: „Wie jede Organtransplantation selbst ist auch die nationale Organisation der Organspende selbst ein extrem komplexes Unterfangen. Sie ist höchst anfällig für Störungen und angewiesen auf die reibungslose Zusammenarbeit aller Beteiligten. Genau daran mangelt es in Deutschland, und das wird das neue Gesetz kaum heilen“.

11 Kritik am Hirntodkonzept

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 19.08.2012: „Der Medizinethiker und Anästhesist Robert Truog von der Universität Harvard spricht bei dem, was mit Explantierten gemacht wird, gar von ‚justified killing’, von deren ‚gerechtfertigter Tötung’. Tötung, weil ‚die Hirntoddefinition zwar den kompletten Ausfall aller Funktionen des gesamten Gehirns erfordert, dennoch bei vielen dieser Patienten wesentliche neurologische Funktionen erhalten bleiben‘“.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.11.2012: „Bei Organspendern müssen sämtliche Hirnfunktionen irreversibel ausgefallen sein, durch Medikamente und intensivmedizinische Maßnahmen schlagen aber ihre Herzen noch. Sie bewegen sie sich bisweilen sogar noch („Lazarus-Syndrom“). Der Mediziner Robert Truog von der Universität Harvard, ein Befürworter der Organspende, hält die Gleichsetzung von Hirntod und Tod für einen Irrtum. Er spricht von der Organentnahmeprozedur als einer „gerechtfertigten Tötung“.

Süddeutsche Zeitung, 27.07.2012: „Ist ein Spender auch wirklich tot? Das löst Schuldgefühle aus. Und neuere kritische Forschung zum Hirntod-Kriterium gibt durchaus Veranlassung zu Skepsis“.

Süddeutsche Zeitung, 07.03.2013: „Potenzielle Spender wollten sichergehen, dass sie auch wirklich tot seien, wenn ihnen Organe entnommen würden. Es gebe aber eine Diskrepanz zwischen der Erwartung, wie ein Toter aussieht, und der tatsächlichen Erscheinung hirntoter Menschen, bei denen etwa Schwangerschaften fortgeführt werden könnten“.

Die Zeit, 31.10.2012: „Auch für eine Krankenpflegerin sei der Hirntod nicht einfach zu verstehen, sagt Neeser. Der Patient atmet und sieht oft noch rosig aus. Er scheint zu leben und ist doch tot. Und gleichzeitig darf er noch nicht endgültig sterben. Manchmal hat Neeser kurz die künstliche Beatmung abgebrochen, um zu zeigen, dass der Mensch nicht mehr von allein Luft holen kann“.

12 Körperliche Integrität, Leiblichkeit, Totenruhe

Süddeutsche Zeitung, 23.07.2012: „‚Jedes gespendete Organ ist einmalig, ein Akt der Nächstenliebe über den Tod des Spenders hinaus’, so Meiser. ‚Mit diesem kostbaren Gut müssen wir nach höchsten ethischen Grundsätzen umgehen‘“.

Süddeutsche Zeitung, 28.08.2012: „‚In seiner Endlichkeit ist der Mensch mit einer unendlichen Würde begabt.‘ Diesen Satz hat vor einigen Jahren Bischof Wolfgang Huber geschrieben, in einem Aufsatz über Organtransplantation. Diesen Satz sollte man sich heute, wenn es in der Organspende drunter und drüber geht, wenn Betrugsvorwürfe und aus der Not geborene Lösungsvorschläge die Runde machen, wieder vor Augen halten“.

Die Zeit, 02.08.2012: „Der Entschluss zur Organspende ist eine Art Testament. Man muss sich mit dem eigenen Ende auseinandersetzen. Man sollte sich nicht von einzelnen Problemfällen beirren lassen. Im Großen und Ganzen funktioniert das System der Organverteilung“.

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Hoisl, A., Barbey, R., Graf, B. et al. Wertungen des „Transplantationsskandals“ durch die Medien. Anaesthesist 64, 16–25 (2015). https://doi.org/10.1007/s00101-014-2406-8

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