Zusammenfassung
Viele deutsche Unternehmen haben seit Mitte der 90er-Jahre die Gelegenheit ergriffen, ältere Beschäftigte über das Instrument der Altersteilzeit (ATZ) frühzeitig auszugliedern. Häufig entspricht das den Wünschen der Beteiligten. Im vorliegenden Beitrag wurde basierend auf einer Befragung der Beschäftigten in Altersteilzeit in einem Unternehmen untersucht, ob sie gerne weiterarbeiten würden und ob sie sich eine weitere berufliche Tätigkeit im Ruhestand vorstellen können. Eine Vollerhebung dieser befragten Personen zeigt, dass frühberentete Personen (passive Phase der ATZ) häufiger den Wunsch äußern, länger zu arbeiten als Personen, die zum Zeitpunkt der Befragung noch erwerbstätig sind (aktive Phase der ATZ). Weiterhin können sich erstere auch häufiger vorstellen, mit kürzeren Arbeitszeiten oder für ein befristetes Projekt noch einmal ins Unternehmen einzusteigen. Die psychologische Entscheidungstheorie und ökonomische Nutzentheorie helfen, diese Befunde zu interpretieren: Da der zukünftige Nutzen einer Handlung in der Gegenwart nicht nachempfunden werden kann, ist mit affektiven Vorhersagefehlern zu rechnen. Der Ansatz des „reflektierenden Denkens“ liefert zudem einen Hinweis darauf, dass das unterschiedliche Interesse der zwei Gruppen an einer kontinuierlichen Erwerbsarbeit durch den unterschiedlichen Erfahrungsschatz im Hinblick auf die Situation im (Vor-)Ruhestand bedingt sein kann.
Abstract
Since the mid-1990s, many German companies have used the part-time retirement scheme (Altersteilzeit) as an opportunity to release older workers. This was often consistent with the interests of the workers themselves. This paper explores whether workers who participate in this early retirement scheme would like to continue to work. A survey of all the workers in one company who participated in the part-time retirement scheme revealed that those already retired would more often like to continue working than employees who are still awaiting retirement. To a greater extent, early retirees would also like to return to work with shorter working hours or for a time-limited project. Results are explained with the affective forecasting bias that is based on the psychological decision theory and economic utility theory – the future utility of an action cannot be anticipated. The “reflective thinking” approach moreover invites the conclusion that the diverging interest of the two groups in continued employment may be due to the different stage of practical knowledge about the situation in (pre-)retirement.
Notes
Dies war eine firmeninterne Bezeichnung der Berufs- und der Freistellungsphase der Altersteilzeit.
Der Unterschied zwischen aktiven und passiven ATZlern bleibt bestehen, wenn wir zusätzlich für die Variablen „Schulabschluss“, „Zufriedenheit mit Gesundheit“ und „Zufriedenheit mit Art und Inhalt der letzten Tätigkeit“ kontrollieren. Die Erklärungskraft dieser Faktoren für die Ruhestandsentscheidung ist in der Literatur mehrfach bestätigt worden [9, 10, 13, 18, 20].
Dies war eine Frage mit mehrfachen Antwortmöglichkeiten, die der besseren Übersichtlichkeit halber auf Inkonsistenzen geprüft und zusammengefasst wurden („Ja, auf jeden Fall“, „Ja, aber sehe keine Möglichkeit“, „Kommt darauf an“, „Nur bei entsprechender Vergütung“ zu „Ja“; „Nein, zu aufwendig“, „Nein, keine Lust“ zu „Nein“).
Es ist interessant festzustellen, dass von den 13 Personen in der Kontrollgruppe, die nicht an ATZ teilnehmen, die Mehrheit (8 Personen) sich auch vorstellen kann, im Ruhestand in begrenztem Umfang weiterhin für das Unternehmen tätig zu sein.
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Interessenkonflikt
Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Aleksandrowicz, P., Fasang, A., Schömann, K. et al. Die Bedeutung der Arbeit beim vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsleben. Z Gerontol Geriat 43, 324–329 (2010). https://doi.org/10.1007/s00391-009-0068-y
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