1 Einleitung

Die Notwendigkeit, im Rahmen der Planungen von wasserbaulichen Projekten nicht nur Klarwasserströmungen, sondern auch den Sedimenttransport zu berücksichtigen, wird gerade angesichts der mit Hochwässern einhergehenden Schäden in jüngerer Zeit immer deutlicher (Habersack et al. 2015). Darüber hinaus verändert jede bauliche Änderung im Gewässerbett die hydraulischen Rahmenbedingungen für den lokalen Geschiebetransport und über größere räumliche und zeitliche Skalen mitunter auch die Geschiebebilanz. Die von der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (Richtlinie 2000/60/EG) geforderte Durchgängigkeit im Gewässerkontinuum, die insbesondere bei Wasserkraftanlagen sehr relevant ist, umfasst auch die Sedimentdurchgängigkeit – jedoch nur für den „sehr guten“ Zustand. Ein intakter Feststoffhaushalt bzw. ein intaktes Feststoffregime wird jedoch auch als wesentlich für die geforderte Erreichung des „guten“ ökologischen Zustands angesehen (Hauer et al. 2014; Hauer 2015). Aus diesem Grund ist die Wissenschaft gefordert, Formeln und Modellansätze für die Ingenieurpraxis zu entwickeln, um den Geschiebetransport hinreichend phänomenologisch beschreiben zu können.

Frühe Ansätze zum Bewegungsbeginn des Geschiebes kamen von Hjulström (1935) und Shields (1936); Naturmessungen des Geschiebetransports an der Donau in Wien und Arbeiten an entsprechenden Formeln wurden aber bereits von Ehrenberger (1931) dokumentiert. In den 1940er-Jahren durchgeführte Laborversuche resultierten in der bekannten Geschiebetransportformel nach Meyer-Peter und Müller (1948) und weiterführende statistische Überlegungen schließlich in komplexeren Formeln wie jener von Einstein (1950). Die Formeln wurden über einige Jahrzehnte vorwiegend direkt in Handrechnungen angewendet, bis der Vormarsch der Computertechnologie in den 1980er-Jahren erstmalig die Möglichkeit einer breiten Anwendung in Computermodellen ermöglichte. Mit der steigenden Leistungsfähigkeit der zur Verfügung stehenden Rechneranlagen wurde die Geschiebetransportmodellierung von zunächst einfachen 1D-Modellen auf weitere Raumdimensionen ausgedehnt (2D, 3D) und schließlich in ihrer räumlichen und zeitlichen Ausdehnung bei gleichzeitig steigendem Detaillierungsgrad immer mehr erweitert.

Heute ist die Bandbreite zur modelltechnischen Erfassung des Geschiebetransports umfangreich und reicht von großskaligen 1D-Modellen, die es ermöglichen, Flussabschnitte von 100 km Länge oder auch darüber und Zeitabschnitte von 100 Jahren und mehr zu modellieren (z. B. de Vriend 1999), bis hin zu kleinskaligen, hochaufgelösten 3D-Modellen, die Geschwindigkeits- und Druckfelder und daraus resultierende Kräfte rund um einzelne Geschiebekörner abbilden können (z. B. Nabi et al. 2013). Im vorliegenden Beitrag liegt der Fokus auf Erfahrungen mit Geschiebetransportmodellen am Stand der Forschung, die derzeit noch vorwiegend im akademischen Umfeld entwickelt und angewendet werden, aber vereinzelt auch schon im Ingenieurbereich eingesetzt wurden. Die Betrachtung erfolgt dabei in drei verschiedenen Modelldetaillierungsgraden – vom (i) großskaligen 3D-Geschiebetransportmodell über ein (ii) mittelskaliges Geschiebetracermodell bis hin zum (iii) kleinskaligen numerischen Einzelsteinmodell.

2 Methoden

Methodisch erfolgt in der Hydrodynamik wie auch beim Geschiebetransport die prinzipielle Unterscheidung in Eulersche und Lagrangesche Betrachtungsweisen. Die Eulersche Betrachtungsweise entspricht einem/r Beobachter/in, welche/r am Gewässerrand steht und von dort die Vorgänge im Fließgewässer beobachtet (Rapp 2017). Dies ist die klassische Art, wie die meisten Fließgewässer- und Sedimenttransportmodelle die stattfindenden Prozesse abbilden; in der gegenständlichen Arbeit kommt das BOKU-Sedimenttransportmodell iSed (Tritthart et al. 2011a) als Vertreter dieser Gruppe zum Einsatz. Demgegenüber bewegt sich der/die Beobachter/in bei der Lagrangeschen Betrachtungsweise mit der Strömung (bzw. dem Geschiebe) mit, was zu einer völlig unterschiedlichen mathematischen Beschreibung der auftretenden Prozesse führt. Im vorliegenden Beitrag kommt dieses grundsätzliche Konzept bei der Modellierung von Geschiebetransportpfaden auf ingenieurmäßig relevanten mittelgroßen Skalenebenen zum Einsatz. Anschließend widmet sich ein Kapitel dieses Fachbeitrags der Large-Eddy-Simulation (LES), die der räumlich und zeitlich hochaufgelösten Modellierung von sehr kleinskaligen Untersuchungsräumen – in der Regel einige Meter pro Raumdimension – dient.

2.1 Integriertes Sedimenttransportmodell iSed (Eulersche Betrachtung)

Das BOKU-Modell iSed (Tritthart et al. 2011a) berechnet Geschiebetransport, Schwebstofftransport und daraus abgeleitet die zeitliche Änderung der Sohlmorphologie über eine Koppelung mit einem (bestehenden) Hydrodynamikmodell, welches die hydrodynamischen Inputparameter liefert (Tritthart et al. 2012b). Die Hydrodynamik wird dabei auf Basis der über die Turbulenzskalen zeitlich gemittelten Navier-Stokes-Gleichungen berechnet; dies wird als RANS bezeichnet (Reynolds-Averaged Navier-Stokes). Die Koppelung mit bestehenden Modellen hat den Vorteil, dass beispielsweise für Zwecke der Hochwasserabflussmodellierung bereits erstellte Modelle weiterverwendet werden können und zusätzlich der Sedimenttransport berechnet wird.

Zur Erfassung des Geschiebetransports sind fünf verschiedene Formeln im Modell iSed implementiert (Meyer-Peter und Müller 1948; Egiazaroff 1965; van Rijn 1984, 1993; Hunziker 1995; Wu et al. 2000). Im Allgemeinen sind die Formeln fraktioniert implementiert, die Berechnung kann also für verschiedene Korngrößenklassen getrennt erfolgen. Erfahrungsgemäß liefert für Kiesbettflüsse die fraktionierte Formel von Meyer-Peter und Müller, in der Formulierung nach ATV-DVWK (2003), bei entsprechender Kalibrierung gute Ergebnisse (vgl. Tritthart et al. 2011b). Die Gleichung wurde dabei um einen Parameter pi zur Berücksichtigung des Anteils der jeweiligen Fraktion i am Korngerüst sowie um einen Expositionskorrekturterm erweitert. Die fraktionsweise Geschiebetransportkapazität qs,i errechnet sich dabei aus (Tritthart et al. 2012b):

$$q_{s,i}=p_{i}c_{\mathrm{MPM}}\sqrt{\frac{\rho_{s}-\rho}{\rho} gd_{i}^{3} \left[\left(\frac{d_{i}}{d_{\mathrm{ref}}}\right)^{\alpha}\frac{u^{\prime 2}_{*}}{\frac{\rho_{s}-\rho}{\rho }gd_{i}}- \theta_{c,\mathrm{MPM}}\right]^{3}}$$
(1)

Hierbei steht g für die Erdbeschleunigung, ρs für die Feststoffdichte, ρ für die Dichte des Wassers, di für den mittleren Durchmesser der Kornfraktion i, u′* für die kornbezogene Sohlschubspannungsgeschwindigkeit und dref für einen Referenzdurchmesser, der mit dem maßgeblichen Korndurchmesser dm gleichgesetzt wird. Für den Vorfaktor cMPM wird heute in der einschlägigen Fachliteratur von einem Wert in der Größenordnung von cMPM ≈ 5,0 ausgegangen (z. B. Hunziker 1995; Wong und Parker 2006). Der kritische Shields-Parameter θc,MPM liegt etwa bei θc,MPM = 0,047, wobei dessen exakter Wert für jeden Einsatz der Formel aus einer auf Feldmessungen basierenden Kalibrierung ermittelt werden sollte. Mittels des ebenso zu kalibrierenden Exponenten α wird der Effekt abgebildet, dass kleinere Körner im Zusammenspiel mit größeren Körnern unter Umständen eine erhöhte oder auch verringerte Mobilität aufweisen können (Expositionskorrektur). Generell ist anzumerken, dass ungeachtet dieser Anpassungen im Bereich der Geschiebetransportformeln großer Handlungsbedarf besteht, da vielfach der Bewegungsbeginn oder auch die Transportraten bei höheren Abflüssen unter- oder überschätzt werden (Habersack und Laronne 2002; Habersack et al. 2018).

Der Schwebstofftransport wird im Modell iSed mithilfe der zugrunde liegenden Advektions-Diffusions-Gleichung und empirischen Sohlaustauschtermen modelliert (Tritthart et al. 2012b). Eine Anwendung des Modells im Fall reinen Schwebstofftransports wurde von Haimann et al. (2014) beschrieben; in der hier präsentierten Arbeit wird der Schwebstofftransport nicht näher ausgeführt. Zur abschließenden Ermittlung der Morphodynamik kommt im Modell iSed die bekannte Sohlevolutionsgleichung nach Exner zum Einsatz. Darüber hinaus wird nach jedem Modellzeitschritt aus der Massenbilanz von transportiertem und innerhalb der Sohle umgelagertem Sediment eine neue Korngrößenzusammensetzung der Deckschicht ermittelt. Für nähere Details zu diesen Formelansätzen sowie zur Validierung des Modells sei auf Tritthart et al. (2012b) verwiesen.

2.2 Numerisches Geschiebetracermodell (Lagrangesche Betrachtung)

Das Modell wurde als Komponente der grafischen Benutzerumgebung des Hydrodynamikmodells RSim-3D (Tritthart 2005) implementiert und baut auf den diskreten Bewegungsgleichungen für masselose Tracer in einem durch Zufallskomponenten beeinflussten System auf (Tritthart et al. 2009):

$$\begin{array}{lll} x\left(t+\Updelta t\right) & = & x(t)+\overline{u}(t)\Updelta t+u'(t)\Updelta t\\ y\left(t+\Updelta t\right) & = & y(t)+\overline{v}(t)\Updelta t+v'(t)\Updelta t\\ z\left(t+\Updelta t\right) & = & z(t)+\overline{w}(t)\Updelta t+w'(t)\Updelta t \end{array}$$
(2)

Darin stellen \(\overline{u}, \overline{v}\) und \(\overline{w}\) die zeitlich gemittelten Fließgeschwindigkeiten dar und \(u', v', w'\) die zugehörigen Geschwindigkeitsfluktuationen in den drei kartesischen Raumrichtungen \(x,y\) und \(z\). Die Position eines Partikels ist zum Zeitpunkt \(t\) bekannt und wird für einen neuen Zeitpunkt \(t+\Updelta t\) errechnet, wobei \(\Updelta t\) den Zeitschritt der Berechnung darstellt. Die Größenordnung der Geschwindigkeitsfluktuationen lässt sich statistisch aus der turbulenten kinetischen Energie ableiten, die häufig in RANS-basierten Modellen als Berechnungsergebnis vorliegt.

Um dieses Modellkonzept für Geschiebekörner anwendbar zu machen, müssen zwei Adaptierungen vorgenommen werden: Einerseits weichen Tracerpfade von Geschiebekörnern nicht nur von der Richtung der tiefengemittelten Fließgeschwindigkeit ab, wie sie in 2D-Modellen errechnet wird, sondern sind auch nicht mit den sohlnahen Fließvektoren in 3D-Modellen ident, weil es durch die Morphologie der Sohle zu zusätzlichen lenkenden Schwerkrafteffekten kommen kann. Andererseits entspricht die Geschwindigkeit der Geschiebebewegung keineswegs der sohlnahen Fließgeschwindigkeit, sondern nimmt deutlich kleinere Werte an (Liedermann et al. 2013). Dem Problem der Abweichung der Geschiebetransportvektoren kann mittels des Ansatzes nach Ikeda (1988) begegnet werden, der es ermöglicht, den Anteil des lateral zur Strömungsrichtung transportierten Geschiebes qn im Verhältnis zum errechneten Längstransport qs zu ermitteln:

$$\frac{q_{n}}{q_{s}}=\eta \left(\frac{\tau _{c}}{\tau }\right)^{0.5}\tan \gamma$$
(3)

In Gl. 3 stellt γ das Quergefälle dar, τ und τc stehen für die errechnete sowie die kritische Sohlschubspannung, und nach Ikeda (1988) nimmt die empirische Konstante η einen Wert von η = 1,5 an. Aus dem Arkustangens des Berechnungsergebnisses von Gl. 3 lässt sich somit die Abweichung des Geschiebetransportvektors zur (sohlnahen) Strömungsrichtung ermitteln.

Zur Berechnung der Geschwindigkeit des Geschiebetransports wird der Ansatz nach Tritthart et al. (2018) angewendet. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich die transportierten Geschiebekörner durch die geometrische Form eines Rotationsellipsoids annähern lassen und die auftretenden Reibungskräfte mit den Strömungswiderstandskräften die Waage halten, während Trägheitskräfte aufgrund der mittelgroßen Betrachtungsskalen vernachlässigt werden können. Dadurch ergibt sich nach Tritthart et al. (2018) die Tracergeschwindigkeit ut zu:

$$u_{t}=\max _{}\left[u_{0}-\sqrt{\frac{4}{3}\frac{c_{R}}{c_{d}}dg\left(\frac{\rho _{s}-\rho }{\rho }\right)},0\right]$$
(4)

Darin steht zusätzlich zu den bereits definierten Variablen d für den Durchmesser der Rotationsachse des Geschiebekorns, cR für den Reibungskoeffizient und cd für den Strömungswiderstandsbeiwert des Korns. Das Verhältnis cR/cd muss vor Anwendung des Modells einmal empirisch bestimmt werden, da die jeweiligen Konstanten im Allgemeinen nicht bekannt sind. Mit u0 wird die Umgebungsgeschwindigkeit bezeichnet, die auf der halben Höhe des Korns definiert ist und durch die Sohlschubspannungsgeschwindigkeit angenähert wird. Diese wird mit einer Zufallsvariable beaufschlagt, da sie – den Prozessen an der Gewässersohle folgend – einer natürlichen Schwankung unterliegt (Gmeiner et al. 2016). Die Wahl einer Log-Normalverteilung für diese Zufallsvariable bildet nach Erkenntnissen an der österreichischen Donau die Realität am besten ab (Tritthart et al. 2018). Die nach Gl. 4 ermittelte Tracergeschwindigkeit ut wird schließlich anstelle der sohlnahen Fließgeschwindigkeit in Gl. 2 eingesetzt und daraus der Transportweg der Geschiebekörner ermittelt.

2.3 Large-Eddy-Simulation

Die Large-Eddy Simulation (LES), auch als Grobstruktursimulation bezeichnet, wird schon seit Längerem in der Meteorologie für Vorhersagemodelle eingesetzt und kommt mittlerweile auch in der hydrodynamischen Simulation auf dem Gebiet wasserbaulicher und hydraulischer Aufgabenstellungen vermehrt zum Einsatz. Das Grundprinzip liegt darin, dass die Navier-Stokes-Gleichungen mit einem Tiefpassfilter beaufschlagt werden; dies bedeutet, dass Wirbel in all jenen Skalen herausgefiltert werden, die kleiner als die gewählte Gitterweite ∆g des Rechennetzes sind. Dadurch lassen sich in weiterer Folge alle größeren Wirbelstrukturen direkt am numerischen Gitter abbilden, während kleine Strukturen mit einem zusätzlichen Modellansatz berücksichtigt werden (Pope 2000). Die Navier-Stokes-Gleichungen erhalten dabei einen zusätzlichen Spannungsterm, der über die Wirbelviskosität νt modelliert werden kann. Der dafür in dieser Arbeit gewählte Ansatz ist jener von Smagorinsky (1963),

$$\nu _{t}=\left(C_{s}\Delta _{g}\right)^{2}\sqrt{2\overline{S}_{ij}\overline{S}_{ij}}$$
(5)

worin \(\overline{S}_{ij}\) den numerisch aus dem Strömungsfeld ableitbaren Formänderungsgeschwindigkeitstensor darstellt und Cs eine Konstante bezeichnet (Cs ≈ 0,053 für das hier vorgestellte Fallbeispiel).

LES erfordert sehr kleine räumliche Auflösungen – je nach Modellgebiet Zellengrößen im Bereich von Zentimetern und darunter – und dadurch sind die Anforderungen an die Rechnerleistung sehr hoch. Darüber hinaus handelt es sich um ein inhärent instationäres Berechnungsverfahren, wodurch auch die anfallende Datenmenge sehr groß wird. Berechnungen von realistischen Strömungsvorgängen erfordern daher jedenfalls zumindest Rechneranlagen in der Größe von mittelgroßen Computerclustern.

Die im Rahmen dieser Arbeit vorgestellten Berechnungen wurden mit der frei verfügbaren Software OpenFOAM (Open Source Field Operation and Manipulation; Weller et al. 1998) durchgeführt. Eine der größten Herausforderungen stellte dabei die Wahl geeigneter Randbedingungen dar. So muss bei LES zu Beginn am Zuflussrand ein Zufallsgenerator dafür eingesetzt werden, dass das Strömungsfeld turbulent wird, da sich in der Computersimulation ohne äußere Störungen in einem geometrisch perfekt definierten System sonst keine turbulenten Wirbel bilden können. Darüber hinaus muss im Lauf der Simulation das Strömungsfeld vom Ausflussrand zum Zuflussrand recycelt werden, insbesondere wenn – wie im vorliegenden Anwendungsfall – die Beeinflussung von mehreren Geschiebekörnern untereinander über das Strömungsfeld untersucht wird.

3 Anwendungen

Die drei folgenden Anwendungen zeigen Erfahrungen mit den vorgestellten Methoden der numerischen Geschiebetransportmodellierung auf den jeweiligen Skalenebenen: großskalig, mittelskalig und kleinskalig. Zunächst wird (i) mit der Modellierung von verschiedenen Buhnengeometrien ein konkretes planerisches Anwendungsbeispiel zur Optimierung der Auswirkung von Wasserbauwerken auf das Strömungsfeld und den Sedimenttransport gegeben. Die (ii) numerische Modellierung von Geschiebetransportpfaden zeigt im Anschluss daran auf, welche Bewegungsmuster des Geschiebes an der Sohle zu erwarten sind und kann ebenfalls als planerisches Werkzeug vor geplanten Eingriffen an der Gewässersohle eingesetzt werden. Abschließend wird (iii) ein Blick auf die Interaktion zwischen Einzelsteinen und dem turbulenten Strömungsfeld in deren Nahbereich geworfen.

3.1 Untersuchung von Buhnengeometrien (Eulersche Betrachtung)

An der Donau östlich von Wien wurden im Zuge einer Variantenstudie unterschiedlicher Buhnengeometrien (Glas et al. 2018) die morphologischen Veränderungen und deren Auswirkungen auf die Schifffahrtsrinne beurteilt. Der Abschnitt der Donau befindet sich im Nationalpark Donauauen östlich von Wien in der Nähe der Gemeinde Witzelsdorf zwischen Stromkilometer 1891,7 und 1893,4. Hydrologisch betrachtet ist das Gebiet durch ein Regulierungsniederwasser (RNQ) von 980 m3s−1, einen Mittelwasserabfluss (MQ) von 1930 m3s−1 und einen Abfluss (HSQ) von 5130 m3s−1 mit einer Überschreitungsdauer von 1 %, der dem höchsten schiffbaren Wasserstand entspricht, gekennzeichnet. Aufgrund der Kornverteilung mit einem maßgeblichen mittleren Korndurchmesser dm von 25,1 mm und einem d90 von 52,2 mm, wird die Donau in diesem Bereich als Kiesbettfluss eingestuft. In diesem Abschnitt tiefte sich die Donausohle um 2 bis 3,5 cm/Jahr ein (Habersack 2007), gleichzeitig gibt es in Furtstrecken zu geringe Fahrwassertiefen für die Schifffahrt und die ökologische Situation im Nationalpark ist nicht befriedigend. Daher wurden und werden im Bereich der Donau östlich von Wien Maßnahmen (wie zum Beispiel Rückbau der Buhnen) umgesetzt, um die Sohleintiefung zu minimieren und auch die Situation für Schifffahrt und Nationalpark zu verbessern. So verminderte sich in den letzten Jahren die mittlere Erosion auf 1 bis 2 cm/Jahr mit rückläufigem Trend (Pessenlehner et al. 2016).

Charakteristisch für das längsgestreckte Gebiet (Abb. 1) mit einem durchschnittlichen Sohlgefälle von 0,4 ‰ sind ein Leitwerk und vier Buhnen am linken Ufer. Die Buhnenbauwerke mit einer durchschnittlichen Länge von 100 m wurden nach einem oben begründeten Umbau der Strecke in einem 2,2-fachen Abstand der Buhnenlänge und einer Höhe von RNW +0,3 m errichtet. Dadurch trat die erwünschte Wirkung einer erhöhten Sedimentation in der Strecke ein. Die Anlandungstendenz war allerdings höher als erwünscht, einhergehend mit einem erhöhten Erhaltungsaufwand in der Schifffahrtsrinne, wodurch der Bedarf nach einer neuerlichen Umgestaltung entstand, mit dem Ziel, ein dynamisches Gleichgewicht des Sedimenttransports zu erreichen. Im Vergleich zum umgebauten Zustand wurden daher zeitlich und räumlich sowie von der Größenordnung begrenzte Erosionen im Bereich der Schifffahrtsrinne angestrebt.

Abb. 1
figure 1

Übersicht des Projektgebiets Witzelsdorf, Stromkilometer 1891,7–1893,4

In Variante 1 (V1-RNW +0,7 m) werden die Buhnen um 0,40 m erhöht, während sich die Variante 2 (V2-MW) durch eine Erhöhung der Buhnen um 1,60 m vom Referenzzustand unterscheidet. Sowohl die Länge, der Abstand, als auch die Ausrichtung der Buhnen bleiben in diesen beiden Varianten unverändert.

Die Berechnung des Sedimenttransports und der daraus resultierenden morphologischen Veränderungen gliederte sich in zwei Schritte: Zunächst wurde mithilfe der Software RSim-3D (Tritthart 2005) ein dreidimensionales Hydrodynamikmodell erstellt. Wie in Abschn. 2.2 ausgeführt, diente dieses Modell als Basis für die darauffolgende Sedimenttransportmodellierung, welche mittels der Software iSed (Tritthart et al. 2011a) durchgeführt wurde.

Das erstellte Rechennetz wurde für beide Modelle (Hydrodynamik und Sedimenttransport) verwendet und besteht aus 169.920 Rechenpunkten in 3D, gegliedert in 6 gleichmäßig verteilte, vertikale Schichten. Der zweidimensionale Abstand zwischen den Rechenpunkten beträgt im Hauptstrom ca. 20 m, an den Uferbänken ca. 5 m und im Bereich der Buhnenbauwerke ca. 1,5 m. Im Sedimenttransportmodell wurde eine Deckschicht (0,20 m) und eine Unterschicht (0,80 m) berücksichtigt und mit Sieblinien aus volumetrischen Proben bzw. Deckschicht-Unterschichtproben belegt. Für die Einlaufrandbedingungen wurden die charakteristischen Durchflüsse der Donau (RNQ, MQ, HSQ) herangezogen, und als Auslaufrandbedingungen fungierten die zugehörigen kennzeichnenden Wasserstände. Geschiebe- und Schwebstoffeintrag (Menge und Sieblinie) wurden aus Sedimenttransportmessungen im Einlaufprofil, durchgeführt bei mehreren Abflüssen, gewonnen.

Im Zuge der Kalibrierung und Validierung des Hydrodynamikmodells wurden sowohl die modellierten Wasserspiegellagen mit den kennzeichnenden, als auch simulierte Fließgeschwindigkeiten mit gemessenen bei unterschiedlichen Durchflüssen verglichen. Daraus resultierte eine absolute Sandrauigkeit von ks = 0,03 m im Hauptstrom und ks = 0,30 m in den übrigen Bereichen. Die Berechnung des Geschiebetransports erfolgte über Gl. 1 unter Berücksichtigung des fraktionierten Transports. Der Vergleich des modellierten und gemessenen Geschiebetriebs und der simulierten und gemessenen Schwebstoffkonzentrationen im Zuge der Kalibrierung des Sedimenttransportmodells ergab bei einem gewählten Vorfaktor cMPM von 5,0 einen kritischen Shields-Parameter θC,MPM von 0,05 und einen Exponenten α (Expositionskorrektur) von 0,36. Zusätzlich wurde das Sedimenttransportmodell anhand eines Vergleichs von modellierten und gemessenen Sohlveränderungen nach einer Hochwasserwelle mit einem Wiederkehrintervall von 10 Jahren validiert.

Die Auswirkungen der unterschiedlichen Varianten sind in Abb. 2 für die Wasserspiegellagen und die Sohlschubspannungen in Form von Differenzenkarten bei Mittelwasser dargestellt. Die erhöhten Buhnenbauwerke führen zu einer deutlichen Steigerung der Wasserspiegellagen flussauf von Buhne B3 von bis zu 4 cm (V1) bzw. 10 cm (V2). Im Bereich der Buhnen B1 und B2 sind hingegen Wasserspiegelsenkungen von 3 cm (V1) bzw. 6 cm (V2) zu erwarten. Daraus resultieren deutlich erhöhte Wasserspiegelgradienten in der Fahrrinne im Bereich des Buhnenfeldes bei beiden Varianten. Der Vergleich der Sohlschubspannungen zeigt für die Variante V1 erhöhte Werte zwischen Buhne B1 und B3 von bis zu 3,5 Nm−2. Bei Variante V2 ergibt sich eine Steigerung der Sohlschubspannungen im gesamten Bereich des Buhnenfeldes mit Maximalwerten von bis zu 6,0 Nm−2 bei Buhne B3.

Abb. 2
figure 2

Differenzenkarten zwischen der Variante V1 bzw. V2 im Vergleich zum Referenzzustand bei Mittelwasser (MQ): a Wasserspiegellagen ∆w (m); b Sohlschubspannungen ∆τ (Nm−2)

Die geänderten hydrodynamischen Parameter durch die Modifizierung der Buhnenbauwerke führen auch zu unterschiedlichen morphologischen Entwicklungen (Abb. 3). Die Differenzen der Sohlhöhenänderungen zeigen, dass in Variante 1 verstärkte relative Eintiefungen von rund 5 bis 10 cm in der Fahrrinne zu erwarten sind, während die höheren Buhnenbauwerke in Variante 2 zu relativen Eintiefungen von bis zu 30 cm führen. Nicht zu vernachlässigen sind vor allem bei Variante 2 leichte relative Sedimentationstendenzen flussauf und flussab des Buhnenfeldes. Die verstärkten relativen Eintiefungen in der Fahrrinne führen auch zu einer erhöhten errechneten Geschiebetransportkapazität von bis zu 0,015 kgs−1m−1 (V1) bzw. 0,030 kgs−1m−1 (V2). Die Steigerung des mittleren Durchmessers des transportierten Materials geht ebenfalls mit den Bereichen des erhöhten Geschiebetransports einher. Schlussendlich kommt es durch die erhöhten Sohlschubspannungen und die daraus resultierenden Steigerungen des Geschiebetransports zu einer Vergröberung der Flusssohle von rund 4 mm (V1) bzw. 10 mm (V2), bezogen auf den mittleren Durchmesser des Sohlmaterials.

Abb. 3
figure 3

Differenzenkarten zwischen der Variante V1 bzw. V2 im Vergleich zum Referenzzustand nach 30-tägiger Simulation bei Mittelwasser (MQ): a Sohlhöhenänderungen ∆(∆z) (m); b Geschiebetransportkapazität ∆qs (kgs−1m−1); c mittlerer Durchmesser des transportierten Geschiebes ∆dmG (mm); d mittlerer Durchmesser des Sohlmaterials ∆dmS (mm)

Abb. 4 zeigt den Median der Veränderungen (inklusive einer Bandbreite von 10 bis 90 %) der Wasserspiegellagen, Sohlschubspannungen und Sohlhöhenänderungen in der Fahrrinne des gesamten Untersuchungsgebiets für unterschiedliche Durchflüsse. Unabhängig vom Parameter ist zu erkennen, dass bei RNQ (980 m3s−1) keine Unterschiede zum Referenzzustand bestehen, da die Buhnen bei diesem Durchfluss – selbst im Referenzzustand – noch nicht überströmt sind und daher die Höhenänderungen keinen Einfluss haben. Die größten Auswirkungen sind demzufolge bei mittleren Durchflüssen (1750–3000 m3s−1) zu erwarten, wobei die größeren Buhnenhöhen in Variante 2 zu stärkeren Unterschieden führen, welche tendenziell auch bei höheren Durchflüssen auftreten. Schlussendlich reduziert sich der Effekt der Varianten beim höchsten Durchfluss HSQ (5130 m3s−1) wieder, da die geplanten Buhnenhöhen auf RNQ +0,7 m bzw. MQ ausgelegt wurden.

Abb. 4
figure 4

Differenzen zwischen der Variante V1 bzw. V2 im Vergleich zum Referenzzustand bei unterschiedlichen Durchflüssen (RNQ bis HSQ): a Wasserspiegellagen ∆w (m); b Sohlschubspannungen ∆τ (Nm−2); c Sohlhöhenänderungen ∆(∆z) (m)

Die vorliegende Variantenstudie zeigt, dass die durch den Einbau unterschiedlicher flussbaulicher Maßnahmen (z. B. Erhöhung der Buhnen) entstehenden morphologischen Veränderungen durch den Einsatz eines Sedimenttransportmodells beurteilt werden können. Im Detail betrachtet führen die Buhnenerhöhungen in der Schifffahrtsrinne wieder zu größeren Sohlschubspannungen als im Umbauzustand, welche die Basis für einen verstärkten Geschiebetransport bilden und zu einem dynamischen Gleichgewicht beitragen (Ziel ist, eine möglichst große Dynamik bei gleichzeitiger Vermeidung von Eintiefungs- oder Anlandungstrends). Durch den Vergleich unterschiedlicher Varianten können, wie gezeigt, Planungsziele leichter erreicht werden; das Modell dient dabei als Entscheidungsgrundlage für den Regulierungsgrad der gewählten wasserbaulichen Maßnahmen. Zusammenfassend ist zu erwähnen, dass die numerischen Geschiebetransportsimulationen Aussagen über großflächige Tendenzen des Geschiebetransports und Sohlhöhenänderungen sowie über die Veränderungen der Korngrößenverteilungen sowohl im transportierten Material als auch im Sohlmaterial zulassen.

3.2 Geschiebetransportpfade an der Donau (Lagrangesche Betrachtung)

Das Projektgebiet zur Untersuchung der Geschiebetransportpfade liegt ebenfalls an der österreichischen Donau, einige Kilometer stromab von Witzelsdorf, und umfasst den Abschnitt von Strom-km 1884,50 bis 1887,50 (Abb. 5). Für die numerische Modellierung wurde dieser Abschnitt um Vor- und Nachlaufstrecken in der Länge von jeweils 500 m ergänzt.

Abb. 5
figure 5

Projektgebiet Bad Deutsch-Altenburg an der Donau östlich von Wien (modifiziert nach Tritthart et al. 2012b)

Der Gewässerabschnitt wurde im Zuge des Pilotprojekts Bad Deutsch-Altenburg, als Teil des Maßnahmenkatalogs Donau östlich von Wien, umgebaut (Habersack et al. 2012); die für die vorliegende Studie verwendete Geometrie stellt jedoch noch die Geometrie vor dem Umbau dar, da die hier verwendeten Beobachtungen von Geschiebetracerpfaden in den Jahren 2008 und 2009 ebenfalls vor dem Umbau durchgeführt wurden. Zu diesem Zeitpunkt waren in der Projektstrecke noch 15 orthogonal ausgerichtete Buhnen vorwiegend entlang des Außenbogens vorhanden, mit dazwischenliegenden teilweise stark sedimentierten Buhnenfeldern (Abb. 5). Der Abschnitt ist im Bereich von Bad Deutsch-Altenburg zunächst gestreckt verlaufend, geht dann in eine Rechtskrümmung über, die an ihrem Ende bei Strom-km 1884,50 nahe der Gemeinde Hainburg wiederum in eine Linkskrümmung überleitet. Im Geländemodell sind deutlich Tiefenrinnen in den beiden Außenbögen erkennbar, die zudem einige Buhnenkopfkolke aufweisen. Dadurch kommt es teilweise zu einer ausgeprägten Querneigung der Sohle im Profil.

Liedermann et al. (2013) führten in der Strecke Beobachtungen von radioakustischen Geschiebetracern der Größen 27,5 mm (entspricht dem maßgeblichen mittleren Korndurchmesser dm des vorliegenden Sohlenmaterials in dieser Strecke) sowie 40 mm und 70 mm durch. Insgesamt wurden 20 Tracer der Größe 27,5 mm verwendet und ein Drittel davon an der in Abb. 6 sichtbaren Stelle am Beginn des Projektgebiets bei Strom-km 1887,50 aus einem Boot der Donau zugegeben. Deren Positionen wurden im Schnitt wöchentlich festgestellt und mittels GPS verortet. Die daraus abgeleiteten Geschiebetransportpfade sind in Abb. 6 dargestellt (schwarze Linien).

Abb. 6
figure 6

Vergleich beobachtete (schwarze Linien) und modellierte (rote Linien) Geschiebetracer der Größe 27,5 mm: a Virtuelle, masselose Tracer; b Massebehaftete Geschiebekörner (modifiziert nach Tritthart et al. 2012a)

Im Zuge des Monitorings zum Pilotprojekt Bad Deutsch-Altenburg wurde auch ein 3D-Hydrodynamikmodell der Strecke erstellt, das – wie in Abschn. 2.2 erläutert – als Basis für das numerische Geschiebetracermodell diente. Durch das Vorliegen der mittleren Transportgeschwindigkeiten der Tracer aus den Monitoringdaten konnte das in Gl. 4 einfließende Verhältnis aus Reibungs- und Strömungswiderstandsbeiwerten für die Steingröße 27,5 mm zu cR/cd = 2,74 bestimmt werden (Tritthart et al. 2018). Damit wurden in weiterer Folge die Tracerpfade und zugeordneten Bewegungsgeschwindigkeiten errechnet. In Abb. 6 werden die Pfade von virtuellen masselosen Tracern, die direkt nach Gl. 2 ermittelt wurden, den Bewegungsmustern von modellierten Geschiebetracern mit der Bewegungsrichtung nach Gl. 3 und der Geschwindigkeit nach Gl. 4 gegenübergestellt sowie mit den Beobachtungen verglichen. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass virtuelle, masselose Partikel aufgrund der Sekundärströmungen im stromabwärts gelegenen Teil des Untersuchungsgebiets nahe der Sohle nach außen – somit Richtung orografisch rechtes Ufer – gedrückt werden, während sowohl die beobachteten als auch die modellierten Geschiebekörner aufgrund der Querneigung der Sohle eher in der Mitte verbleiben oder nach links driften. Außerdem sind die Geschwindigkeiten der masselosen Partikel deutlich höher und die Tracerpfade dadurch länger als beobachtet, während die Pfadlängen bei den modellierten Geschiebetracern mit den Beobachtungen weitgehend übereinstimmen. Vergleichbare Ergebnisse konnten auch für die anderen Steingrößen von 40 und 70 mm erzielt werden. Zusammenfassend war im gewählten Fallbeispiel das numerische Geschiebetracermodell bei entsprechender Kalibrierung sehr gut in der Lage, Geschiebetransportpfade in dem untersuchten Fließgewässer abzubilden. Der praktische Einsatz des Modells ermöglicht es daher unter anderem, vor einem Eingriff an der Gewässersohle (z. B. Vergröberung der Sohle, Einbau von Lenkbuhnen) die zu erwartenden Änderungen im Geschiebetransport abzuschätzen. Darüber hinaus tragen die Modellergebnisse auch zur Optimierung des Sedimentmanagements bei.

3.3 Interaktion Geschiebekörner und Strömung (Large-Eddy-Simulation)

Praktisch alle derzeit gebräuchlichen Geschiebetransportformeln basieren auf empirischen Untersuchungen in Laborgerinnen unter idealisierten Bedingungen; manche Formeln wurden auch anhand von Freilanddaten abgeleitet, haben dadurch aber häufig einen eingeschränkten Anwendungsbereich (vgl. BMLFUW und ÖWAV 2011). Vergleiche zwischen gemessenen und mit Formeln berechneten Geschiebetransportraten zeigten in vielen Beispielen starke Unterschiede, insbesondere beim Bewegungsbeginn und hohen Abflüssen, die bei Änderung der kritischen Werte (z. B. Shieldsparameter) rasch zur Über- oder Unterschätzung des Geschiebetransportes führen (Habersack und Laronne 2002). Auch die in den vorangehenden Abschnitten zur Kalibrierung und Validierung der numerischen Modelle verwendeten Monitoringdaten zeigen lokal immer wieder Widersprüche zu den Modellbildungen auf. Zur Verbesserung des Prozessverständnisses des Geschiebetransports wurden im BOKU-Wasserbaulabor grundlegende Modellversuche begonnen, die den Bewegungsbeginn im Detail erfassen (Sindelar et al. 2019, in diesem Heft). Parallel dazu ist die grundlegende Aufgabenstellung der numerischen Modellierung, mittels kleinskaliger Simulation von einzelnen Geschiebekörnern Informationen über Druck- und Kraftfelder sowie Wirbelstrukturen zu gewinnen, mit denen es möglich ist, ein auf mechanischen Grundlagen basierendes Geschiebetransportmodell zu entwickeln.

Um sich dieser Aufgabenstellung zu nähern, wurde mithilfe der Software OpenFOAM (Abschn. 2.3) ein LES-Modell für einen Einzelstein aufgebaut. Dies erfolgte zunächst für ein idealisiertes Kugelvolumen; Arbeiten an einem Stein mit realer Geometrie aus der Donau sind derzeit im Gange. Das gegenständliche Modell ist durch Längenausdehnungen von 1 × 1 × 1 m charakterisiert und beinhaltet eine Kugel mit einem Durchmesser von 0,10 m. Insgesamt wurden zur Diskretisierung des Kontrollvolumens ca. 2,1 Mio. Zellen verwendet. Die mittlere Fließgeschwindigkeit im unbeeinflussten Bereich liegt bei etwa 0,15 ms−1 und der resultierende Berechnungszeitschritt beträgt 0,02 s.

Je nach Wahl der Randbedingungen kann das Modell entweder für einen Einzelstein oder für mehrere einander beeinflussende Steine angewendet werden: Für einen einzelnen Stein erfolgt eine Rezirkulation der Turbulenzwirbel im Querschnitt vor dem angeströmten Objekt, während diese bei mehreren Steinen erst am Auslaufquerschnitt wieder rückgeführt werden. Im letzteren Fall werden so die Turbulenzwirbel, die vom Stein erzeugt werden, in den Zufluss aufgenommen, und dies entspricht der Wirkung, die ein Stein auf den nächsten Stein ausüben würde. Das Ergebnis ist in Form der Geschwindigkeits- und Druckfelder in Abb. 7 zu sehen. Zunächst zeigt Abb. 7a das zeitlich über die Turbulenzskalen gemittelte Strömungsfeld, wie es auch aus einer hochauflösenden RANS-Modellierung erhalten werden könnte. In Abb. 7b ist erstmalig der Mehrwert der LES-Modellierung erkennbar: Das instationäre Geschwindigkeitsfeld zu einem bestimmten Berechnungszeitpunkt (Abb. 7b) lässt erkennen, wie die turbulenten Wirbelstrukturen auf den Stein treffen und dadurch gegebenenfalls eine Impulswirkung ausüben, die bei entsprechender Intensität die Bewegung des Korns zur Folge haben kann. Darüber hinaus fällt in der Simulation der Ort des höchsten relativen Drucks zu einem bestimmten Zeitpunkt (Abb. 7c) mit den stärksten Geschwindigkeitsgradienten an der angeströmten Seite des Korns zusammen. Die Auswertung der Daten hinsichtlich der Frage, welche konkreten Wirbelstrukturen und Geschwindigkeits‑/Druckfeldkonstellationen an der Bewegung des Korns maßgeblichen Anteil haben, ist Gegenstand derzeit laufender und zukünftiger Arbeiten. Es sind jedenfalls in den kommenden Jahren mithilfe der LES-Modellierung Erkenntnisse zu diesen Fragestellungen zu erwarten, die aufbauend auf mechanischen Zusammenhängen an einzelnen Geschiebekörnern eine neue Betrachtung des Geschiebetransports zur Folge haben wird.

Abb. 7
figure 7

Strömung um einen als Kugel idealisierten Stein: a zeitlich gemitteltes Geschwindigkeitsfeld in ms−1; b turbulentes instationäres Geschwindigkeitsfeld in ms−1 zu einem beispielhaften Zeitpunkt (n = 83.250 Zeitschritte); c zum selben Zeitpunkt auftretende relative Drücke in 103 Pa

4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Im vorliegenden Beitrag wurden Erfahrungen in der Anwendung von dreidimensionalen numerischen Verfahren zur Beschreibung des Geschiebetransports auf drei unterschiedlichen Skalenebenen zusammengefasst. Jede Skalenebene hat dabei ihre unabhängige und eigenständige Bedeutung. Während es die Modellierung des Geschiebetransports mit dem BOKU-Modell iSed ermöglicht (Eulersche Betrachtung), ganz konkrete Erkenntnisse in einer ingenieurmäßigen Aufgabenstellung zu gewinnen – hier in Bezug auf den Sedimenttransport und die resultierende Morphodynamik der Gewässersohle bei unterschiedlichen Buhnenhöhen –, bietet das gezeigte numerische Geschiebetracermodell die Möglichkeit, bevorzugte Pfade des Geschiebes zu identifizieren (Lagrangesche Betrachtung). Dies ist mit vertretbarem Aufwand auf mittleren Gewässerskalen möglich, also einigen Kilometern Flusslauflänge, und erlaubt es vor einem Eingriff an der Gewässersohle, die zu erwartenden Änderungen im Geschiebetransport abzuschätzen. Dies kann beispielsweise eine Vergröberung der Sohle zur Reduktion des Geschiebetriebs oder auch der Einbau von Lenkbuhnen an der Sohle sein. Das abschließend gezeigte hochauflösende kleinskalige Modell eines idealisierten Geschiebekorns (Large-Eddy-Simulation) ist zwar vordergründig nur aus wissenschaftlicher Sicht zur Erfassung und Beschreibung maßgeblicher Prozesse interessant. Die Erkenntnisse daraus, insbesondere Druck- und Kraftfelder sowie Wirbelstrukturen auf Steine im Einzelnen und im Verbund, werden es allerdings zukünftig ermöglichen, verbesserte Modellierungen des Geschiebetransports voranzutreiben, die dann wiederum in der Ingenieurpraxis eingesetzt werden können.