Das „Christian Doppler Labor für Sedimentforschung und -management“: Anwendungsorientierte Grundlagenforschung und Herausforderungen für eine nachhaltige Wasserkraft und Schifffahrt
verfasst von:
PD DI Dr. Christoph Hauer, DI Beatrice Wagner, DI Johann Aigner, DI Patrick Holzapfel, DI Peter Flödl, BSc., DI Dr. Marcel Liedermann, PD DI Dr. Michael Tritthart, DI Mag. Dr. Christine Sindelar, DI Mario Klösch, DI Marlene Haimann, Univ.-Prof. DI Dr. Helmut Habersack
Das Christian Doppler Labor für Sedimentforschung und -management hat zum Ziel, (i) Möglichkeiten zur optimierten ökonomischen, technischen bzw. ökologischen Nutzung der Wasserkraft, insbesondere Minimierung der Stauraumverlandung, (ii) zur Verbesserung des Sedimentmanagements bei Wasserstraßen und (iii) zur Verlängerung der Lebensdauer unterschiedlicher technischer Anlagenteile von Wasserkraftanlagen (Einlaufbauwerke, Pumpen und Turbinen) zu erarbeiten. Wesentlich im Projekt sind die Reduktion der Kosten und ein verbessertes Sedimentmanagement, sowohl in alpinen als auch in industriell geprägten Flusslandschaften, unter Einhaltung technischer und ökologischer Vorgaben. Aufbauend auf dem Stand des Wissens wird im CD-Labor anwendungsorientierte Grundlagenforschung in Bezug auf Erosion, Transport, Sedimentation und Remobilisierung von Feststoffen durchgeführt. Im Zuge der wissenschaftlichen Arbeiten ist eine Kombination von Laborversuchen (z. B. physikalische Modellversuche) und Felduntersuchungen (z. B. Monitoring von Speicherentlandungen) auf unterschiedlichen Skalen (µm bis Einzugsgebiet) vorgesehen, um ein verbessertes Prozessverständnis zu erzielen. Weiters werden durch Entwicklung oder Adaptierung von hydrodynamisch-numerischen Modellen und innovativen Anwendungen im Bereich des Monitorings (z. B. seismic profiling), neue technische Standards für die nationale und internationale Wasserkraftindustrie erarbeitet.
Hinweise
Die Originalversion dieses Artikels wurde revidiert: Durch einen Produktionsfehler wurde leider Abb. 7 mit einer inkorrekten Achsenbeschriftung publiziert. Der Originalartikel wurde korrigiert und die korrekte Abbildung ist hier abgebildet. Ein Erratum ist verfügbar unter https://doi.org/10.1007/s00506-019-0566-0.
Prognosen zeigen, dass in den nächsten 20 Jahren 60 % aller Investitionen im Energiesektor im Bereich der erneuerbaren Energieerzeugung liegen. Vorhersagen in Bezug auf den Ausbau der Wasserkraft weisen hier einen Erzeugungsanteil von 25 % aller zukünftigen erneuerbaren Energieträger auf, vor allem aufgrund des Potenzials und der Ausbaupläne in China, Afrika, Lateinamerika und Südostasien. Auch in Europa wird eine Zunahme des Wasserkraftanteils an der Energieproduktion aufgrund der Emissionsziele der Europäischen Union bis 2050 angestrebt bzw. gefördert (European Commission 2018). Eine der wesentlichen Herausforderungen der Wasserkraftnutzung in Bezug auf den ökonomischen und technischen Betrieb sowie die ökologische Verträglichkeit (gefordert durch die Europäische Wasserrahmenrichtlinie) ist die Entnahme, notwendige Deponierung und gestörte Dynamik von Sedimenten in Flusseinzugsgebieten, welche das zukünftige Marktpotenzial der Wasserkraftindustrie bedeutend einschränken wird. Aufgrund eines fehlenden Bewusstseins (bzw. fehlenden Prozessverständnisses) in Bezug auf die Notwendigkeiten eines nachhaltigen Sedimentmanagements zeigen sich (sehr deutlich) unterschiedliche ökonomische, technische und ökologische Probleme, die sowohl die Wasserkraftindustrie und die zuständigen Behörden betreffen, aber auch gesellschaftliche Aspekte (soziale Akzeptanz) beinhalten.
Das CD-Labor „Sedimentforschung und -management“ hat zum Ziel, Möglichkeiten zur optimierten ökonomischen, technischen bzw. ökologischen Nutzung der Wasserkraft (Modul 1), zur Verbesserung des Sedimentmanagements bei Wasserstraßen (Modul 2) und zur Verlängerung der Lebensdauer unterschiedlicher technischer Anlagenteile von Wasserkraftanlagen (Einlaufbauwerke, Pumpen und Turbinen) (Modul 3) zu erarbeiten. Weiters ist die Gewährleistung der Hochwassersicherheit (durch Speicher) mittels Reduktion der Spitzenabflüsse und Bereitstellung von Retentionsvolumen unter Berücksichtigung ökologischer Kriterien ein Ziel der geplanten Arbeiten. Oberstes Ziel des CD-Labors ist die Reduktion der Kosten und ein verbessertes Sedimentmanagement, sowohl in alpinen als auch in industriell geprägten Flusslandschaften, unter Einhaltung technischer und ökologischer Vorgaben. Aufbauend auf dem Stand des Wissens wird im CD-Labor anwendungsorientierte Grundlagenforschung in Bezug auf Erosion, Transport, Sedimentation und Remobilisierung von Feststoffen durchgeführt. Für die Durchführung ist eine Kombination von Laborversuchen (z. B. physikalische Modellversuche) und Felduntersuchungen (z. B. Monitoring von Speicherentlandungen) auf unterschiedlichen Skalen (µm bis Einzugsgebiet) vorgesehen, um ein verbessertes Prozessverständnis zu erzielen. Weiters werden durch Entwicklung oder Adaptierung von hydrodynamisch-numerischen Modellen sowie innovativen Anwendungen im Bereich des Monitorings (z. B. „Seismic Profiling“) neue technische Standards für die nationale und internationale Wasserkraftindustrie erarbeitet.
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Das CD-Labor „Sedimentforschung und -management“ ist am Department für Wasser – Atmosphäre – Umwelt an der Universität für Bodenkultur Wien situiert und hat im Oktober 2017 unter Begleitung durch die vier Unternehmenspartner Verein für Ökologie und Umweltforschung (VÖU), viadonau, Andritz AG und Voith GmbH die Forschungsarbeit aufgenommen. Der VÖU als Vertreter der Wasserkrafterzeugung ist Partner des Moduls 1. Viadonau beteiligt sich aufgrund ihrer Verantwortung in Bezug auf die Schiffbarkeit der Donau an den Untersuchungen des Moduls 2. Im Modul 3 unterstützen Andritz AG und Voith GmbH die Arbeiten zur Verlängerung der Lebensdauer unterschiedlicher technischer Anlagenteile im Bereich der Turbinen. Weiters ist geplant, zu einem späteren Zeitpunkt ein zusätzliches Modul (Untersuchungen von Abrasion) in das CD-Labor einzugliedern.
Die Ergebnisse des CD-Labors werden nicht nur zur Definition von neuen Standards im Bereich der ökonomischen, technischen und ökologischen Optimierung der Wasserkraftnutzung beitragen. Es sind auch generelle, innovative Konzepte in Bezug auf ein nachhaltiges Sedimentmanagement in industrialisierten Flusseinzugsgebieten durch (i) ein erweitertes Prozessverständnis, (ii) Erkenntnisse über Wechselwirkungen mit der Ökologie und (iii) Entwicklung von neuen Monitoring- bzw. Modellierungstechnologien zu erwarten. Weiters ist die Implementierung der Ergebnisse des CD-Labors „Sedimentforschung und -management“ in Gewässerbewirtschaftungsplänen, Richtlinien und spezifischen Gesetzgebungen in Abstimmung mit VertreterInnen der Wasserbauverwaltung bzw. Wildbach- und Lawinenverbauung vorgesehen. Ein Schwerpunkt des vorliegenden Fachbeitrags liegt auf dem Stand der Technik und den Herausforderungen des Sedimentmanagements im Bereich von Wasserkraftanlagen (Modul 1).
2 Sedimentmanagement bei Wasserkraftwerken
Maßnahmen im Bereich des Sedimentmanagements von Wasserkraftwerken sind vielfältig und können grundsätzlich in drei Kategorien eingeteilt werden: (a) Maßnahmen im Einzugsgebiet, (b) Maßnahmen im Stauraum und (c) Maßnahmen am Staudamm/Staubauwerk (Schleiss und Oehy 2002). Eine andere Klassifizierung unterscheidet zwischen Ansätzen zur (i) Verringerung des Sedimenteintrags in Speicher, (ii) Verhinderung bzw. Minimierung der Verlandung durch Umleitung der Sedimente um bzw. durch Stauräume sowie jenen zur (iii) Erhöhung oder Rückgewinnung des Speichervolumens durch Entfernung von Sedimentablagerungen in den Stauräumen (Kondolf et al. 2014). Einen Überblick über bestehende Maßnahmen verschafft Abb. 1.
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Die Maßnahmen zum Sedimentmanagement auf Einzugsgebietsebene werden im Allgemeinen als präventive Maßnahmen eingestuft und erstrecken sich von Maßnahmen zum natürlichen Sedimentrückhalt infolge erosionshemmender, hangstabilisierender Bepflanzungen sowie einer angepassten Landnutzung und -bewirtschaftung über Maßnahmen zum technischen Feststoffrückhalt (z. B. Geschieberückhaltebecken) bis hin zu Wasserüberleitungen aus Stauseen in benachbarte Einzugsgebiete. Als Maßnahme im Einzugsgebiet sowie im Speicher zählen Umleit- und Spülstollen (sog. Sediment-Bypass-Systeme) (Boes 2011; Schleiss et al. 2010), die das sedimentbeladene Wasser am Speicher vorbei oder durch den Speicher leiten (Abb. 2). Eine der größten Herausforderungen im Zusammenhang mit Sedimentumleitstollen, insbesondere bei einem hohen Anteil an hartem Gestein wie Quarz oder Feldspat, ist die Abrasion des Tunnelbodens infolge des transportierten Sediments (Sumi et al. 2004).
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Andere häufig angewandte Maßnahmen im Stauraum und am Staubauwerk können als jene Technologien zusammengefasst werden, dessen Ziel es ist, Sedimente aus dem Stauraum zu entfernen. Dies erfolgt entweder über eine mechanische (Trocken- oder Nassbaggerung) oder hydraulische Räumung (Stauraumspülung) (Gaisbaucher und Knoblauch 2001; Mamede 2008). Darüber hinaus existieren auf Stauraumebene zahlreiche Maßnahmen zur Steuerung der Trübeströme (stark sedimentbeladene Wassermassen) sowie Verhinderung der Absetzung von Feinsedimenten. Auf der Ebene des Staubauwerks werden Möglichkeiten zur Durchleitung von Trübeströmen sowie Technologien zum möglichst schadlosen Turbinieren des sedimentbeladenen Wassers unter Kontrolle der Konzentration zusammengefasst. Im Allgemeinen zielen die entwickelten Technologien darauf ab, Trübeströme entweder durch den Stauraum zu leiten oder zu stoppen, eine Sedimentation an kritischen Punkten zu verhindern oder Trübeströme zu verdünnen und sie durch den Staudamm zu transportieren. Als technische Lösungen werden hier u. a. undurchlässige und durchlässige Barrieren wie Dämme und Geotextilvorhänge oder hydraulische Geräte („jet screens“) verwendet (De Cesare et al. 2006; Schleiss et al. 2010). Weiters zählen Maßnahmen wie eine Erhöhung des Staudamms oder eine Höherlegung der Auslassorgane zu konstruktiven Maßnahmen auf Bauwerksebene. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen ist jedoch zeitlich begrenzt, da sie lediglich eine konstruktive Vergrößerung des Stauraumvolumens herbeiführen und keine nachhaltige Verringerung der Stauraumverlandung erzielen (Gaisbacher und Knoblauch 2001).
Betreffend den Stand der Technik im Sedimentmanagement lassen sich folgende Wissenslücken feststellen:
Ein verbessertes Prozessverständnis zu Sedimentdynamik (Bewegungsbeginn, Transport, Ablagerung, Remobilisierung) ist eine wesentliche Grundlage für darauf aufbauende Forschungsarbeiten (z. B. hydrodynamisch-numerische Modellierung, physikalischer Modellversuch) und umfasst u. a. (i) mögliche Wechselwirkungen mit biologischen Prozessen (z. B. Biofilmen), (ii) Turbulenzmerkmale auf verschiedenen Skalen, (iii) realistische physikalische Modelle mit unterschiedlich geformten Steinen, (iv) Reynolds-induzierte Skalierungsfehler und (v) numerische Modelle mit hoher Auflösung betreffend Morphodynamik. Weiters kann das Prozessverständnis zur Seitenerosion verbessert werden; hier bestehen u. a. Wissensdefizite bezüglich der Konsolidierung heterogener Sedimente (Sand, Schluff) in Zusammenhang mit Stauraumspülungen („clustered sediment erosion“).
Wesentliche Wissensdefizite im Zusammenhang mit dem Erreichen eines nachhaltigen Sedimentmanagements in Stauräumen von Wasserkraftwerken betreffen (i) die zunehmende Sedimentation des Stauraums durch fehlendes/unzureichendes Sedimentmanagement, (ii) Beschädigung und Verringerung der Funktionsfähigkeit bestimmter technischer Elemente (z. B. Turbine), (iii) Erzeugungsverluste, Verringerung der Versorgungssicherheit sowie Verringerung des Hochwasserschutzes durch zunehmende Sedimentation im Stauraum und (iv) kontinuierlich hohe Kosten für die Räumung des verlandeten Sediments sowie die Behandlung insbesondere der feinen Anteile.
Wissens- bzw. Informationsdefizite können ebenfalls im Bereich der Implementierung in die Gesetzgebung festgestellt werden. Diese betreffen beispielsweise den Wissensaustausch zwischen verschiedenen nationalen Bundesbehörden oder rechtliche Unsicherheiten bezüglich der Verantwortung (Kosten) in Bezug auf (Fein‑)Sedimentablagerungen in Überschwemmungsgebieten.
3 Numerische Modellierung des Sedimenttransports
Hydrodynamisch-numerische Modelle weisen eine beträchtliche Zunahme in der Verwendung von geomorphologischen, hydrologischen und ökologischen Analysen auf (Hauer und Habersack 2009; Harby et al. 2005). Die Vorteile der numerischen Modellierung ergeben sich aus einem besseren allgemeinen Prozessverständnis sowie der Möglichkeit, Schlüsselprozesse durch Abbildung über mehrdimensionale Strömungsfelder zur Analyse eines Flusssystems oder Speichers zu simulieren.
Im Bereich von Stauräumen werden hydrodynamisch-numerische Modelle eingesetzt, um verschiedene Fragestellungen u. a. zu (i) Sedimenteintrag und -transport (siehe Abb. 3; Nutzung verschiedener Setups für numerische Simulationen), (ii) Trübeströmen (Strömungswege, Temperatur etc.), (iii) Stauraumspülungen und (iv) technischen Elementen, wie Turbinen, Wehren oder Tauchbecken in Wechselwirkung mit Sediment zu untersuchen (An und Julien 2014; Haun et al. 2012; Mamede 2008; Young et al. 2005). Erste Arbeiten zur numerischen 3D-Modellierung und der damit verbundenen Transportprozesse in Stauräumen wurden von Tritthart (2000) durchgeführt. Dabei wurde die Reynolds-gemittelte Navier-Stokes-Gleichung (RANS) gelöst und die Finite-Volumen-Methode zur Diskretisierung angewendet. Die Turbulenzschließung wurde mit einem k‑ε-Modell durchgeführt und es wurde eine Variante des SIMPLE-Verfahrens (Patankar und Spalding 1972) zur Berechnung des nicht hydrostatischen Druckfelds angewendet. Das am Institut für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung entwickelte Sedimenttransportmodell (iSed) (Tritthart et al. 2011) ermöglicht eine Ermittlung des Transports von suspendiertem Sediment durch das Lösen einer Konvektions-Diffusions-Gleichung. Dabei berechnet ein abschließender Modellierungsschritt die Kornsortierungsprozesse und ermittelt morphodynamische Änderungen der Stauraumsohle (siehe auch Tritthart et al., in diesem Heft). Dieses Modell wurde bereits für verschiedene Fragestellungen, z. B. zur Untersuchung der Sedimentationsprozesse in Speichern der Vorarlberger Illwerke oder zur Analyse der morphodynamischen Entwicklungen im Stauraum des Kraftwerks Feistritz an der Drau eingesetzt.
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Im Bereich der numerischen Strömungsmechanik finden neben RANS auch andere hochauflösende Techniken, wie Direct Numerical Solutions (DNS) (Lin und Liu 1998), Large Eddy Simulations (LES) (Schlüter et al. 2005) und Smoothed Particle Hydrodynamics (Monaghan und Kos 1999) Anwendung, deren numerische Codes für detaillierte technische Studien und Environmental-Flow-Analysen genutzt werden können, wie zum Beispiel Studien zu den Auswirkungen von Turbulenzphänomenen auf Makroinvertebraten.
Wissensdefizite im Bereich der Modellierung von Sedimenttransportprozessen resultieren aus Einschränkungen der empirischen Sedimenttransportgleichungen (häufig über- und unterschätzende Transportraten). Da keine vollständige mathematische Beschreibung vorliegt, können viele physikalisch ablaufenden Prozesse in numerischen Modellen von Stauräumen durch vorhandene Codes nicht ausreichend dargestellt werden (z. B. Vernachlässigung des Porenwasserdrucks/der Kohäsion in bestehenden Modellen bei der Analyse der Seitenerosion bei Stauraumspülungen).
4 Sedimentmonitoring an großen Fließgewässern
Sedimenttransportprozesse sind von vielen Faktoren, wie beispielsweise unterschiedlichen fluvialen Verhältnissen und morphologischen Veränderungen abhängig (Ashmore und Rennie 2013). Insbesondere an großen, industrialisierten Fließgewässern ist das Wissen über Sedimenttransportvorgänge und daraus resultierenden morphologischen Prozessen wesentlich für die Herstellung/Bewahrung der Schiffbarkeit (erforderliche Wassertiefen etc.). Betreffend Sedimenttransport und -dynamik gibt es jedoch einige Wissensdefizite (Feng et al. 2014; Hassan et al. 2009), die im Rahmen des CD-Labors erarbeitet werden.
Wesentliche Wissenslücken zum Sedimentmonitoring an großen Fließgewässern, wie z. B. der Donau, sind u. a. (i) fehlende Studien zu direkten Geschiebemessmethoden, (ii) Kenntnisse betreffend der Dynamik (Auftreten, Form und Transportgeschwindigkeit) von Kiesdünen, (iii) Sedimentmanagement von gebaggertem Material und/oder Prozessstudien zur Wiederablagerung von gebaggertem Sediment (Bathymetrie) und (iv) unzureichendes Wissen zum „downstream fining“ des transportierten Sediments.
Wissensdefizite betreffend Monitoring-Technologien in Stauräumen betreffen u. a. (i) eine unzureichende Erfassung von Sedimentablagerungen (Konsolidierungsstadien/Mobilität, Schichttiefe), (ii) unzureichende Messmethodik zur Erfassung der Sedimentdynamik und (iii) unzureichende Auflösung der Wassertemperaturmessungen als grundlegende Information für die Analyse von Trübeströmen.
5 Physikalische Modellversuche
Physikalische Modelle sind von wesentlicher Bedeutung für die Kalibrierung numerischer Modelle und haben gegenüber diesen den Vorteil, dass sie die reale Strömungssituation abbilden können. Infolge aktueller Fortschritte im Bereich der laseroptischen Messungen können mittlerweile Einblicke in die zeitlich und räumlich fluktuierenden und komplexen Strömungsstrukturen auf bisher nicht darstellbarer Detailebene untersucht werden. Der Nachteil physikalischer Modelle besteht darin, dass es sich in der Regel um skalierte Modelle handelt. Um das Modell entsprechend zu skalieren, werden bei der Planung und Gestaltung Ähnlichkeitsgesetze angewendet (Glas et al. 2012). Der Umgang mit beweglichen Sedimenten in skalierten physikalischen Modellen erfordert, dass die Partikel-Reynolds-Zahl Re* und die dimensionslose Schubspannung Fr* im skalierten Modell und im Maßstab 1:1 gleich sind. Es ist jedoch nicht möglich, die Ähnlichkeit von Re* und Fr* zu erfüllen, ohne das Modell zu verzerren. Eine andere Möglichkeit besteht darin, sicherzustellen, dass Re* einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, sodass Fr* und somit die beginnende Bewegung von Sedimenten unabhängig von Re* ist (gemäß dem Shields-Diagramm).
Im Zusammenhang mit dem Sedimentmanagement von Wasserkraftwerken finden physikalische Modelle u. a. zur Untersuchung von Forschungsfragen zu (i) Trübeströmen (Yu et al. 2000), (ii) Sedimentumleitstollen (sog. Sediment-Bypass-Systeme) (Auel et al. 2011) oder (iii) Stauraumspülungen (Kantoush und Schleiss 2009) Anwendung. Im Rahmen des CD-Labors steht v. a. die Skalenlücke „nature scale“ im großmaßstäblichen Modellbereich im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten (Abb. 4).
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Um diese Skalenlücke zu schließen, werden im Rahmen des CD-Labors für Sedimentforschung und -management im neuen BOKU-Wasserbaulabor großmaßstäbliche Versuche gemacht, wo bis zu 10.000 l/s ohne Pumpen zur Verfügung stehen werden.
6 Turbinenabrasion
Turbinenausfälle reduzieren die nationale und internationale Sicherheit der Stromversorgung. Ein wesentliches Problem liegt im häufig unzureichenden Sedimentmanagement, wodurch sich insbesondere an Turbinen Abrasionserscheinungen bilden (Padhy und Saini 2009; Thapa et al. 2012) (Abb. 5). Sediment ist daher eine Herausforderung für die Funktionalität der gesamten Wasserkraftanlage (Mamede 2008; Schleiss et al. 2010; Hauer et al. 2016a), da Abrasion neben einer Reduktion der Zuverlässigkeit der Stromversorgung auch negative Auswirkungen auf die Kosten der Kraftwerksbetreiber (z. B. Wartungskosten, Kostenverluste infolge von Betriebsunterbrechungen) hat (Neopane 2010). Im Allgemeinen ist das Abriebpotenzial abhängig von Faktoren wie Korngröße, Fließgeschwindigkeit, Härte und Konzentration (Padhy und Saini 2009). Dabei wird angenommen, dass Sedimentkörner, die eine kritische Größe (dcr) überschreiten, für Turbinenschäden verantwortlich sind (Truscott 1972). Darüber hinaus gibt es zur Zeit vertiefende Untersuchungen zur gewichteten Summe der Korngrößenverteilung in Zusammenhang mit dem Abriebpotenzial (Agrawal et al. 2011). Als wesentliche Faktoren für die Gewichtung können hier Geschwindigkeit und Härte genannt werden.
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Die Teilchengeschwindigkeit und -richtung sowie mehrere auf das Teilchen einwirkende Kräfte (die sich auf seinem Weg durch die Turbine stabilisieren und destabilisieren) werden durch die Strömung beeinflusst. Lysne et al. (2003) beschreiben zwei unterschiedliche Kraftkategorien: (i) „stabilising force“ (viskose Kräfte und Schwerkräfte) und (ii) „destabilising force“ (Zentrifugalkraft, Coriolis-Kräfte, Turbulenzkraft). Daher muss ein besonderer Fokus darauf gelegt werden, sowohl (a) Fließeigenschaften mit einem Ansatz mit sehr hoher Auflösung als auch (b) Partikeleigenschaften zu bestimmen.
Die Partikeleigenschaften sind grundsätzlich von großer Bedeutung, wurden jedoch in Hinblick auf die Erosionsproblematik von Turbinen bisher relativ wenig untersucht. Wesentliche Faktoren in diesem Zusammenhang sind die Kantigkeit (Bahadur und Badruddin 1990) und die Härte (Goodwin et al. 1969) von Partikeln (sog. „acceleration erosive wear“). Beide Erosionsfaktoren wurden bereits in numerische Modellierungsansätze einbezogen (Stachowiak und Batchelor 1987). Darüber hinaus haben Stachowiak und Batchelor (1987) angeführt, dass das Verhältnis der Teilchenhärte zur Substrathärte der kontrollierende Faktor ist. Zusätzlich quantifizierten empirische Studien den Einfluss der Partikelgröße auf die Modalität und die Rate der erosiven Abnutzung (Hojo et al. 1986).
Es wurde festgestellt, dass Partikelgrößen über 0,2 bis 0,25 mm besonders schädlich sind. Ab einer Größe von über 0,25 mm verursachen Partikel selbst bei einer Härte von weniger als 5 auf der Mohs’schen Skala Verschleiß (Neopane 2010). Feine Sedimente bergen ein hohes Risiko für die Erosion von Turbinen, wenn die Turbine unter hohem Druck arbeitet (Padhy und Saini 2011). Wellinger und Utez (1955) und Worster und Denny (1955) beschrieben, dass Abrasion infolge von sog. „sliding“ und sog. „grazing“ direkt proportional zur Größe, jedoch unabhängig von der Größe des direkten Aufpralls ist.
Die Partikelgröße kann hauptsächlich in zwei Grundmaßen – Masse und Länge – charakterisiert werden. Für eine gegebene Geschwindigkeit ist die kinetische Energie des Teilchens direkt proportional zur Masse und die Masse des kugelförmigen Teilchens ist proportional zum Durchmesser (Neopane 2010). Quantitativ können Partikel aufgrund visueller Merkmale als rund, eckig und halbrund charakterisiert werden (Bahadur und Badruddin 1990). In den meisten erosiven Modellen wurden Formparameter (Neopane 2010) mit einigen zusätzlichen Ansätzen zur Beschreibung der Rauheit mit mehreren Skalen (Drolon et al. 2000) aufgenommen. Darüber hinaus wurde angegeben, dass die Erosion auch direkt proportional zur Härte und Konzentration der Partikel (unabhängig von der Größe) ist (Neopane 2010). Hier haben Labortests für verschiedene Materialien gezeigt, dass der Verschleiß schnell zunimmt, sobald die Partikelhärte die des Turbinenmaterials übersteigt (Stauffer 1958).
Die Wissensdefizite in Bezug auf Turbinenabrasion können wie folgt aufgelistet werden:
i.
Es gibt derzeit keinen Überblick über Sediment- und Turbinenabrasion an großen Fließgewässern, die weltweit verfügbar sind, und es wurden noch keine detaillierten (datenbankbasierten) Analysen zu diesem Thema durchgeführt (Abb. 6).
ii.
Einer der Hauptnachteile besteht darin, dass sich die Forschung bisher an Sedimentturbinen hauptsächlich auf Turbineneigenschaften (Beschichtung) konzentriert hat, wobei technische Konzepte (Lösungen) zur Minderung von Wechselwirkungen zwischen Turbinen und Sediment nicht berücksichtigt wurden (Hauer et al. 2016b). Darüber hinaus wurde nur sehr wenig geforscht, um die Konstruktion von erosionsbeständigen Strömungskanälen (Neopane 2010) in Bezug auf die variablen Sedimentationseigenschaften von Speicheranlagen zu entwickeln.
iii.
Es fehlen vergleichbare Datensätze bezüglich der Sedimenttransportdynamik (Geschiebe, Schwebstoffe) von großen Flusssystemen (globale Sicht), die für die Wasserturbinenindustrie von Interesse sind.
iv.
Zusätzlich zum Abrieb der Turbine mangelt es an Wissen zu wirtschaftlichen und technischen Auswirkungen infolge von Stauraumverlandung durch Sedimentation unter Berücksichtigung eines negativ beeinflussten Turbinenbetriebs (Hauer et al. 2016a).
v.
Darüber hinaus bestehen Wissensdefizite in Bezug auf ein nachhaltiges Sedimentmanagement bei Wasserkraftwerken zur Optimierung der Langlebigkeit von Turbinen (Hauer et al. 2016a, 2016b).
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7 Abrasion in Sediment-Bypass-Systemen
Die Sedimentation von Speicheranlagen ist ein zunehmendes Problem für den nachhaltigen Betrieb und die Bewirtschaftung verschiedener hydraulischer Anlagenteile. Eine mögliche Gegenmaßnahme auf Einzugsgebiets- bzw. Stauraumebene ist der Einbau von Sediment-Bypass-Systemen, die Sedimente vom stromaufwärts gelegenen Fließgewässer um einen Damm herum bis zum Unterwasserbereich führen. Sediment-Bypass-Systeme tragen dazu bei, die Sedimentanreicherung im Speicher zu verringern und die Sedimentkontinuität im Fließgewässernetz zu erhöhen (Fukuda et al. 2012). Sediment-Bypass-Tunnel zeichnen sich durch hohe Transportkapazitäten (Umleitung des Flusssediments) aus, die durch eine hydraulisch optimierte Ausleitung, gefolgt von einer steilen Tunnelkonstruktion erreicht werden. Daher sind bei Bypass-Systemen hohe Fließgeschwindigkeiten bei schießendem Abfluss (Froude-Zahl > 1) häufig und erzeugen in Kombination mit intensiven Sedimenttransportraten einen hohen Abrieb des Beschichtungsmaterials der Tunneloberfläche. Ein wirtschaftlicher Betrieb (geringer Wartungsaufwand) von Sediment-Bypass-Tunneln beruht somit auf einer optimierten Auswahl von Beschichtungsmaterialien, wie beispielsweise Faserbeton oder Granit (Hagmann et al. 2012). Trotz Fortschritten im Bereich der Beschichtungstechnik besteht nach Boes (2015) weiterhin Forschungsbedarf betreffend der Abriebfestigkeit vieler derzeit verwendeter Beschichtungsmaterialien, insbesondere bei einem intensiven Sedimenttransport.
Abrieb ist definiert als kontinuierlicher Materialverlust auf der Oberfläche eines Festkörpers, der durch mechanische Beanspruchung durch Kontakt mit einem festen, flüssigen oder gasförmigen Partikeln verursacht wird (DIN 50320). Nach Helbig und Horlacher (2007) hängt die Abriebspannung in Fluid-Feststoff-Gemischen von (i) Korngröße und Kornverteilung, (ii) Korngeometrie und Kornhärte sowie (iii) hydraulischer Kraft (z. B. Fließgeschwindigkeit) ab. Darüber hinaus wird die Abriebintensität auch von der Transportart (Gleiten, Rollen oder Hüpfen) und der Transportgeschwindigkeit bestimmt, die beide von den hydraulischen Bedingungen abhängen (Auel 2014). Eine Abriebanalyse unter Verwendung eines Sedimentzuführungssystems in einem Laborexperiment, das mit verschiedenen Materialien beschichtet ist, wurde von Auel (2014) durchgeführt. Das Modelldesign basierte auf dem Sediment-Bypass-System am Speicher Solis (Schweiz). Es wurde herausgefunden, dass das Abriebmuster gut mit der gemessenen Sohlschubspannung übereinstimmt und die Abriebmasse linear mit der transportierten Sedimentmasse zunimmt.
In-situ-Messungen der Abriebraten (z. B. unter Verwendung von Fotogrammetrie oder 3D-Lasertechniken) werden häufig in Sedimenttunneln durchgeführt, um den Wartungsvorgang zu planen und zu optimieren (Jacobs und Hagmann 2015). Um jedoch die Beständigkeit gegen Abrieb in hydraulischen Systemen bestimmen zu können, sind genaue Informationen zu Sedimenttransportgeschwindigkeit und -modus erforderlich – Daten, die in solchen Anlagen in der Regel nicht zur Verfügung stehen. Ein erster Schritt in Richtung eines exakten Sedimenttransportmonitorings in einem Sediment-Bypass wurde durch die Installation eines Geophonsystems (akustisches Sedimentmonitoring) im Sediment-Bypass Solis (Hagmann et al. 2015) erreicht, obwohl detaillierte Ergebnisse bezüglich des Verhältnisses zwischen den beiden gemessenen Parametern Transportrate und Umkehrabrieb noch nicht veröffentlicht wurden.
Derzeit bestehen folgende Wissensdefizite:
i.
Standardisierte Auswahlkriterien für Materialien, die in Sediment-Bypass-Systemen verwendet werden, sind noch nicht verfügbar (Hagmann et al. 2012).
ii.
Zur Messung des Abriebs wurden verschiedene Labormethoden entwickelt. Die meisten dieser Methoden sind jedoch bei der Simulation des Transportmodus auf natürliche Fließgewässer begrenzt. Die Übertragbarkeit von Testergebnissen und die Transformation unter In-situ-Bedingungen ist daher in den meisten Fällen nur bedingt realisierbar (Helbig und Horlacher 2007).
iii.
Strömungsuntersuchungen zum Abrieb sind in der Modellskala in der Regel begrenzt (z. B. maximale Strömungsgeschwindigkeit, Begrenzungen der Korngröße). Weiters müssen Skalierungseffekte der gesammelten Ergebnisse im Vergleich zu natürlichen Fließgewässern berücksichtigt werden (Auel 2014).
iv.
In-situ-Messungen des Abriebs sind selten. Zudem liegen in der Regel keine komplementären Daten zur Abriebspannung (z. B. Sedimenttransportrate, Transportmodus, GSD) vor (Boes 2015).
v.
Sediment-Bypass-Systeme sind im Allgemeinen nur während eines Hochwasserereignisses aktiv (Hagmann et al. 2015). Somit ist die Anzahl möglicher Ereignisse zum Messen des Abriebs und der Abriebspannung (z. B. Sedimenttransportrate, Transportmodus, GSD) begrenzt.
8 Sedimente und Ökologie
Hydrologie, Sedimentologie und folglich Flussmorphologie bilden das „Rückgrat“ unserer Fließgewässer (Maddock 1999). Neben den Elementen der Wasserqualität ist die hydromorphologische/sedimentologische Degradierung der Flusssysteme eine der Hauptbelastungen der Gewässerökologie (Dudgeon et al. 2006). In der EU-Wasserrahmenrichtlinie (Richtlinie 2000/60/EG) werden verschiedene Aspekte hydromorphologischer Störungen erwähnt, die von den europäischen Staaten in Bewirtschaftungsplänen behandelt werden müssen, um die Ziele eines guten ökologischen Zustands oder eines guten ökologischen Potenzials bis 2015 zu erreichen (mit der Möglichkeit einer Verlängerung bis 2027) (Artikel 3 und 4). Um den „guten ökologischen Zustand“ zu erzielen, ist jedoch der Zustand der Sedimente bzw. die Sedimentdynamik in einem Fließgewässer (z. B. Sedimentkontinuum) nur indirekt Teil der Bewertung. Für den „guten ökologischen Zustand“ wird hier davon ausgegangen, dass die biotischen Kriterien (Abundanz/Biomasse von Fischen und Makroinvertebraten) den hydromorphologischen Status (Richtlinie 2000/60/EG) widerspiegeln. Dabei werden wesentliche dynamische, sedimentologische Prozesse sowohl mittel- als auch langfristig nicht bewertet (Hauer 2015).
Im Allgemeinen spielen Sedimente eine entscheidende Rolle für die Qualität des lokalen physischen Lebensraums. Nach Leopold et al. (2012) gibt es 8 Variablen, die für die morphologische Charakterisierung eines Fließgewässers verantwortlich sind: (i) bordvolle Breite, (ii) bordvolle Tiefe, (iii) Strömungsgeschwindigkeit, (iv) Abfluss, (v) Energieliniengefälle, (vi) Rauigkeit, (vii) Feststofffrachten und (viii) Korngrößen. Darüber hinaus bestimmen die morphologischen Merkmale eines Fließgewässers die Art und Zusammensetzung seiner Lebensräume. Störungen einer dieser Variablen könnten den morphologischen Typ des Flusses und folglich die Zusammensetzung des Lebensraums verändern. Sedimente sind sowohl lebensraumbildende Elemente (z. B. Felsbrocken) als auch Teil morphologischer Strukturen (Kies an Schotterbänken) (Hauer et al. 2014). Mögliche Auswirkungen von Sedimentstörungen auf aquatische Organismen können in Bezug auf die zeitliche Komponente wie auch in Bezug auf die Wirkungsweise des Einflusses (direkt oder indirekt) unterschieden werden (Hauer et al. 2013). Zum einen gibt es mittel- bis langfristige, indirekte Auswirkungen aufgrund von Änderungen der physikalischen Umgebung (z. B. Änderungen in der Sedimentologie, Verlust von Laichplätzen; siehe habitatbezogene Variation der Trübung während kontrollierter Stauraumabsenkungen, Abb. 7) und zum anderen existieren kurzfristige, direkte (hohe dynamische) Auswirkungen aufgrund von physiologischem Stress (z. B. hohe Trübung für Fische infolge von Stauraumspülungen) oder Abriebgefahr (z. B. für Makroinvertebraten).
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Die Störung des Sedimentregimes hängt mit Sedimentdefiziten oder -überschüssen und dem Sedimenttransport zusammen (z. B. Sutherland et al. 2002). Insbesondere in alpinen Regionen sind die Auswirkungen von Sedimentdefiziten für die teilweise und kontinuierlich fortschreitende Eintiefung der Fließgewässerstrecken und die damit verbundene Verschlechterung des Habitats verantwortlich (Habersack und Piégay 2007). Eine künstliche Verringerung des Sedimentinputs (z. B. Wildbachsperren, Wasserkraftnutzung) kann zwei Formen der Auswirkungen auf die Korngrößenzusammensetzung haben: Einerseits führt die Vergröberung des Substrats durch selektiven Transport in Abhängigkeit von der Hochwasserhäufigkeit zur Abpflasterung der Gewässersohle (Hauer 2015), andererseits kann sich in alpinen Becken mit feinen Materialablagerungen aus dem Tertiär (Meeresablagerungen) unterhalb der quartären Kiesschicht die Gefahr eines sogenannten „Sohldurchschlags“ (Habersack und Klösch 2012) entwickeln (z. B. an der Salzach im Jahr 2002). Die Folgen von Sedimentdefiziten und Auswirkungen auf das Fließgewässer sind (i) Abnahme der Heterogenität des Lebensraums (Kondolf 1997; Hauer et al. 2014), (ii) negative Auswirkungen auf Uferstrukturen (Rinaldi und Casagli 1999), (iii) Gefährdung von Bauwerken, wie z. B. Risiko betreffend die Stabilität von Brückenpfeilern (Hauer et al. 2006), (iv) Risiko von Verwerfungen bei extremen Ereignissen (Brizga und Finlayson 1990; Krapesch et al. 2011) und (v) Abnahme von Sedimenttransportraten sowie der flusstypspezifischen Sedimentqualität (Kondolf 1997), insbesondere von wesentlicher Bedeutung für Laichhabitate salmonider Fischarten (Hauer et al. 2014).
In Bezug auf ökologische Auswirkungen können u. a. folgende Wissensdefizite abgeleitet werden:
i.
Fehlen von Trübungsanalysen für verschiedene Flusssysteme (bezogen auf den Lebensraum),
ii.
Mangel an wissenschaftlich begründeten Methoden zur Bewertung der Auswirkungen von Sedimentmanagementmaßnahmen auf die Gewässerökologie,
iii.
unzureichendes Wissen zu Wechselwirkung von Sedimentkonzentration/Trübung mit aquatischen Organismen,
iv.
Fehlen eines tragbaren objektiven Messsystems zur Analyse des Konsolidierungszustands aus ökologischer Sicht (z. B. Kolmation von Laichplätzen) und
v.
unzureichende Kenntnisse über den potenziellen Abrieb von Wasserorganismen und Pflanzen sowie zu Wechselwirkungen zwischen Biofilm/Makrophyten und Sedimentstabilisierung.
9 Zusammenfassung und Ausblick
Die Vielfalt an Herausforderungen im Zuge des Sedimentmanagements bei Wasserkraftanlagen, aber auch bei Fließgewässern im Allgemeinen, zeigt die Notwendigkeit, in diesem mehrjährigen Forschungsprogramm gemeinsam mit der Wirtschaft, VertreterInnen der Behörden und der Wissenschaft eine nationale, standardisierte Vorgehensweise zu entwickeln. In einem mehrstufigen Verfahren der Umsetzung des CD-Labors wird in den ersten beiden Jahren 2017 bis 2019 Grundlagenforschung in Bezug auf ein verbessertes Prozessverständnis des Sedimenttransports durchgeführt. Weiters werden in wasserbaulichen Versuchen Fragen zur Turbulenzskalierung ebenso wie zur Remobilisierung von kohäsivem und konsolidiertem Feinmaterial ein wesentlicher Teil des Versuchsprogramms sein. Anwendung und Weiterentwicklung von neuen Messtechnologien bilden in dieser ersten Phase ebenfalls einen bedeutenden wissenschaftlichen Schwerpunkt. In Phase 2 (2019 bis 2022) des CD-Labors „Sedimentforschung und -management“ ist geplant, die ökologischen Untersuchungen auszuweiten, um einige der wesentlichen Fragen bzw. existierenden Wissensdefizite zu beantworten. Parallel dazu, aber vor allem auch in weiterer Folge sind Abstimmungen mit den Behörden (Ministerium) in Hinblick auf den Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan 3 wesentlich. Zu einem künftigen Zeitpunkt des CD-Labors wird auch die Einbindung des neuen Wasserbaulabors an der BOKU mit großmaßstäblichen Versuchen erfolgen. Hier ist geplant, vor allem die bekannten Phänomene und Probleme betreffend die Skalierung von physikalischen Versuchen zu verbessern und in großmaßstäblichen Versuchen Optimierungen von Wasserkraftanlagen durchzuführen.
Somit bilden die in diesem Fachartikel beschriebenen fachlichen Komponenten des CD-Labors eine Vielzahl von Aspekten, die sowohl eine ökonomische und technische, aber auch ökologische Optimierung ermöglichen. Vor allem unter einem der Leitsätze – „Flüsse wieder fit für mehr Sediment“ – werden auch flussbauliche Fragen im Detail beantwortet, um letztendlich klare Aussagen zu bekommen, wie die gewässermorphologischen Rahmenbedingungen sein müssen, damit ein verbessertes Sedimentkontinuum (Durchgängigkeit) auch zu einer Verbesserung der morphologischen Situation führt (z. B. dynamische Umlagerungstrecken mit hoher Habitatheterogenität). Unter diesem angeführten Leitsatz wird auch die auf wissenschaftlichen Untersuchungen und Ergebnissen basierende Diskussion geführt werden, die existierende „Zweiklassengesellschaft“ in Sedimentfragen gesamtheitlich zu betrachten. Es gibt in natürlichen Gewässersystemen keine klare Zuordnung. welche Feststoffe positiv (z. B. Geschiebe) und welche als negativ (z. B. Feinsediment) anzusehen sind. Hier wird die anwendungsorientierte Grundlagenforschung klare Aussagen ermöglichen. Zusammenfassend sind es große Herausforderungen, die in den nächsten Jahren auf Forschung und Wirtschaft in Fragen des Sedimentmanagements zukommen werden, wobei das in diesem Fachbeitrag beschriebene CD-Labor „Sedimentforschung und -management“ ein wesentlicher Bestandteil der Lösungsfindung sein wird.
Danksagung
Wir bedanken uns für die finanzielle Unterstützung durch die Christian Doppler Forschungsgesellschaft, das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und die Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung. Darüber hinaus möchten wir unseren Unternehmenspartnern Verein für Ökologie und Umweltforschung (VÖU), viadonau, Andritz AG und Voith GmbH für die Förderung unserer Forschungsarbeiten im Rahmen des CD-Labors danken.
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Das „Christian Doppler Labor für Sedimentforschung und -management“: Anwendungsorientierte Grundlagenforschung und Herausforderungen für eine nachhaltige Wasserkraft und Schifffahrt
verfasst von
PD DI Dr. Christoph Hauer DI Beatrice Wagner DI Johann Aigner DI Patrick Holzapfel DI Peter Flödl, BSc. DI Dr. Marcel Liedermann PD DI Dr. Michael Tritthart DI Mag. Dr. Christine Sindelar DI Mario Klösch DI Marlene Haimann Univ.-Prof. DI Dr. Helmut Habersack