Einleitung

Karstquellen tragen wesentlich zur Trinkwasserversorgung bei. Das Verständnis des Abflussverhaltens und die Bewertung der Vulnerabilität solcher Quellen sind daher wichtig. Für derartige hydrologische Fragestellungen könnten grundsätzlich physikalisch-basierte, distributive Modelle verwendet werden. Dabei ist allerdings die oft begrenzte Datengrundlage problematisch. Häufig sind nur Niederschlag, Lufttemperatur und Abfluss verfügbar (z. B. Jakeman & Hornberger 1993). Alternativ bieten sich parameterarme, globale (,,lumped-parameter“) Niederschlags-Abfluss-Modelle (N-A-Modelle) an. Diese Modelle finden ihre primäre Verwendung, um Niederschlagsereignisse und deren Auswirkungen auf das Abflussverhalten von Oberflächengewässern abbilden zu können (Perrin et al. 2001, Mouelhi et al. 2006), sind aber auch für Karstsysteme von Interesse, da meist die räumliche Lage und Geometrie der hochdurchlässigen Karsthohlräume und deren Interaktion mit der geklüfteten Gesteinsmatrix nur unzureichend bekannt sind (Rehrl & Birk 2010). Es wird zwar das (teilweise) Fehlen des physikalischen Hintergrundes dieser Modelle beanstandet (Abbott et al. 1986), zugleich aber auch eingesehen, dass eine für physikalisch-basierte distributive Modelle ausreichende hydrogeologische Charakterisierung sehr aufwendig ist und selbst dann das Problem besteht, dass die gemessenen kleinskaligen Werte in effektive Werte der Modellzellen umgerechnet werden müssen (z. B. Gupta et al. 2005). Ein distributives Modell wäre kaum eindeutig zu kalibrieren bzw. validieren, da es zu viele Unbekannte gibt, die aus dem Informationsgehalt von Niederschlag, Temperatur und Abfluss alleine nicht eindeutig zu bestimmen sind. Selbst globale Modelle leiden unter dem Prinzip der Zielgleichheit (Beven 1993). Modellansätze mit einer geringen Anzahl an Parametern können jedoch auf effiziente Art und Weise die Transformation von Niederschlag zu Abfluss abbilden (Perrin et al. 2001). Nach der Kalibrierung und Validierung solcher Modelle können die Parameterwerte im Hinblick auf die physikalische Relevanz interpretiert werden und somit potenziell einen Beitrag zur Charakterisierung des Einzugsgebietes leisten (Mouelhi et al. 2006). In Bezug auf die Anwendung in Karsteinzugsgebieten kommen Jeannin & Sauter (1998) jedoch zur Erkenntnis, dass globale Modelle zwar zum besseren Verständnis der Karst-Hydrodynamik beitragen können und zur Interpolation (Lücken füllen) und Extrapolation (Prognose) von Abflüssen nützlich sind, jedoch wenig zur Charakterisierung des Quelleinzugsgebietes geeignet sind. Globale N-A-Modelle zum besseren Verständnis bzw. zur Charakterisierung von Karst-Grundwassersystemen konnten jedoch mehrfach erfolgreich eingesetzt werden (z. B. Fleury et al. 2007, Geyer et al. 2008, Butscher & Huggenberger 2008, Hartmann et al. 2012).

Am Beispiel des binären Lurbach-Karstsystems soll hier diskutiert werden, ob ein parameterarmes N-A-Modell für Prognosezwecke herangezogen werden kann und inwieweit es helfen kann, das konzeptionelle Verständnis des Karstgrundwasserleiters zu verbessern und damit zur Charakterisierung des Quelleinzugsgebietes beizutragen. Von besonderem Interesse ist, inwieweit eine augenscheinlich abrupte Änderung der Abflusscharakteristik der untersuchten Quelle nach einem Hochwasserereignis durch das verwendete Modell nachvollzogen werden kann.

Das Lurbach-System

Das Lurbach-System (LBS) ist ein binäres Karstsystem (d. h. Oberflächenabfluss aus einem nicht verkarsteten Teil des Einzugsgebietes speist über Schlucklöcher das Karstsystem) im Mittelsteirischen Karst des Grazer Paläozoikums etwa 15 km nördlich von Graz (Österreich; Abb. 1). Das Gebiet kann generell in das stark verkarstete Tannebenkarstplateau (∼8 km2) und das geringer durchlässige Semriacher Becken (∼15 km2) eingeteilt werden (Behrens et al. 1992). Das Semriacher Becken wird vom Lurbach (Abb. 1) in westlicher Richtung entwässert. Der Lurbach verliert nach Übertreten der Schiefer-Kalk-Grenze Wasser in den Untergrund, bis er kurz nach dem Eintritt in die Lurgrotte in einem nicht weiter begehbaren Abschnitt zur Gänze verschwindet. Die Verbindungen zwischen Lurbachschwinde und den Quellen des Hammerbaches und des Schmelzbaches (HB u. SB; Abb. 1) auf der westlichen Seite des Tannebenstocks sind durch Markierungsversuche bestätigt (Behrens et al. 1992, Oswald 2009). Die Hammerbachquelle stellt unter Niedrigwasserbedingungen den einzigen Austritt des versickernden Lurbachwassers dar. Ihr Einzugsgebiet umfasst etwas weniger als 20 km2 (Abb. 1a). Erst bei stärkerer Wasserführung der Hammerbachquelle (∼200 l/s; Behrens et al. 1992) wird ein anteilhafter Austritt von Lurbachwasser am Schmelzbach beobachtet. Bei Starkniederschlägen kann zeitweise auch das Höhlensystem der Lurgrotte selbst als Fließweg genutzt werden. Aufgrund speläologischer Untersuchungen ist bekannt, dass diese Bereiche des LBS durch ein mehrstufiges Höhlensystem charakterisiert sind (Behrens et al. 1992, Wagner et al. 2010). Im Detail sind die Fließwege zwischen Lurbach und Hammerbachquelle nicht bekannt (erste Ansätze siehe Kübeck et al. 2013), jedoch sind hochdurchlässige, phreatische Röhrensysteme anzunehmen.

Abb. 1
figure 1

Das Lurbachsystem. (a) Geologische Karte (basierend auf Geologische Bundesanstalt 2005; Blatt 164-Graz). Rotes Polygon: Karststock der Tanneben; gelbes Polygon: Einzugsgebiet des Lurbaches. Rot gestrichelte Linie: Hammerbach- und Schmelzbach-Aquifer bei Niedrigwasser (schematisch). (b) Die Peggauer Wand bzw. der Westabfall des Tannebenmassivs gesehen vom Gamskogel (859 m Seehöhe) aus. (c) Lage des Mittelsteirischen Karsts und des Lurbachsystems (LBS) (modifiziert nach Schubert 2003)

Für das Gesamteinzugsgebiet liegen langjährige Datensätze der Schüttung der Hammerbachquelle sowie Niederschlag und Lufttemperatur im Gebiet vor. Abflussdaten des Lurbaches (LBP – Lurbach-Pegel; LBH – Lurbach-Höhle) sowie des Schmelzbaches liegen nur für kurze Zeiträume vor. Eine Niederschlagsstation befindet sich in der Ortschaft Semriach und einige weitere in unmittelbarer Nähe des Einzugsgebietes. Eine innerhalb des Einzugsgebiets auf dem Tannebenplateau bei der Ertlhube (Abb. 1) gelegene Station wurde aufgrund großer Datenlücken nicht berücksichtigt. Ferner sind auch keine Grundwasserstände bekannt, da im Gesamteinzugsgebiet keine verwertbaren Bohrungen vorhanden sind. Folglich steht für das N-A-Modell nur die Schüttung der Hammerbachquelle sowie Niederschlag und Lufttemperatur zur Verfügung.

Im Untersuchungsgebiet sind im Zeitbereich der Analyse (1998–2009) keine wesentlichen Änderungen der Landnutzung oder Bodenbeschaffenheit bekannt. Eine Sedimentsperre oberhalb der Lurgrotte wird jedoch gelegentlich ausgebaggert und kann somit die Versickerung entlang des Lurbaches beeinflussen. Der verkarstete Bereich des Tannebenmassivs ist dicht bewaldet und ein Großteil des Semriacher Beckens dient seit jeher der landwirtschaftlichen Nutzung. Schnee hat in diesem Einzugsgebiet aufgrund der geringen und kurzzeitigen Schneedecke zwar nur eine untergeordnete Bedeutung, jedoch sind Schneeschmelzereignisse im Frühjahr ausgeprägt genug, um diese mit zu berücksichtigen.

Niederschlags-Abfluss-Modellierung

Das konzeptionelle, globale N-A-Modell GR2M (Mouelhi et al. 2006) ist ein Wasserbilanzmodell mit monatlichem Zeitschritt. Das Modell benötigt Niederschlag und potenzielle Evapotranspiration (PET) als Eingangsgrößen sowie eine gemessene Abflussganglinie für die Modellkalibrierung. Da nur Niederschlag und Lufttemperatur direkt zur Verfügung stehen, wurde die PET nach Oudin et al. (2005) berechnet. Hierbei gehen neben der Lufttemperatur auch die geographische Lage des Einzugsgebietes und die Jahreszeit mit ein (um die extraterrestrische Sonnenstrahlung zu berechnen). Um die Effekte von festem Niederschlag, Schneespeicherung und Schneeschmelze aufgrund sich ändernder Lufttemperatur zu berücksichtigen, wurde ein Schneemodell nach Xu et al. (1996) verwendet. Somit werden die PET und die Schneespeicherung entsprechend der bestehenden Datengrundlage nur mithilfe der Lufttemperatur beschrieben. Dieser vereinfachende Ansatz ist gerade bei nur eingeschränkt vorhandenen Messdaten etwa in alpinen Einzugsgebieten interessant.

Abbildung 2 zeigt schematisch die verwendete Modellstruktur. Es werden die Prozesse Schneespeicherung und Schneeschmelze, Evapotranspiration, Boden- und Gebietsspeicherung sowie der Wasseraustausch mit benachbarten Einzugsgebieten berücksichtigt. Das Standardmodell (4Pb; Tab. 1) kommt mit nur 4 freien Parametern aus. Die Kapazität des Bodenspeichers (X 1 [mm]; ,,production store“) sowie der Austauschkoeffizient (X 5 [–]), der Ab- (X 5<1) oder Zufluss (X 5>1) aus bzw. von benachbarten Einzugsgebieten erlaubt, sind die zwei freien Parameter des N-A-Modells. Le Moine et al. (2007) konnten zeigen, dass die Verwendung eines Austauschterms in Wasserbilanzmodellen eine wichtige Rolle spielt. Insbesondere in Karstgebieten ist eine hydraulische Wechselwirkung zwischen Einzugsgebieten von großem Interesse. Im Falle des Lurbachsystems ist diese Funktionalität wohl wichtig, da ein Überlauf vom Hammerbach-zum Schmelzbachsystem bekannt ist. Der Perkolationskoeffizient des Bodenspeichers (X 2 [–]) und die Kapazität des Gebietsspeichers (X 4 [mm], ,,routing store“) wurden zunächst wie in Mouelhi et al. (2006) vorgeschlagen konstant gehalten (3 bzw. 60 mm). Durch das Schneemodell kommen als zwei weitere freie Parameter die Schwellwerttemperaturen für die Trennung von Regen und Schneefall T s  [C] und der Beginn der Schneeschmelze T m  [C] hinzu. Um zu untersuchen inwieweit die verschiedenen Parameter bzw. die durch sie repräsentierten Komponenten des Karstsystems einen Einfluss auf die Güte der Modellanpassung und die Prognosefähigkeit des Modells haben, wurden ergänzend zu diesem Standardmodell (4Pb) Varianten mit 2 bis 6 freien Parametern getestet (Tab. 1).

Abb. 2
figure 2

Schematische Darstellung des N-A-Modells. T, P= gemessene Temperatur und Niederschlagshöhe; E= aktuelle Evapotranspiration; Re= extraterrestrische Sonnenstrahlung; Q sim = simulierte Abflusshöhe. Zwei Parameter für das Schneemodell (T s und T m ), einer für die Kapazität des Bodenspeichers (X 1), einer für den Austausch mit benachbarten Einzugsgebieten (X 5). Die Kapazität des Gebietsspeichers (X 4) und der Perkolationskoeffizient des Bodenspeichers (X 2) sind im Standardmodell konstant. In zusätzlichen Modellrechnungen wurden diese teils als freie Parameter verwendet (siehe Tab. 1)

Tab. 1 Übersicht der unterschiedlichen Modellvarianten und der jeweilig verwendeten freien Parameter

Die Niederschlagszeitreihe für die Modellierung wurde durch arithmetische Mittelung aus 6 Stationen in der Umgebung (Semriach und Eichberg (Abb. 1) sowie Frohnleiten, Gratkorn, Schöckl und St. Radegund) erhalten, da einzelne Stationen lückenhafte Datensätze haben und weil lokal ausgeprägte Niederschläge von einzelnen Stationen nicht immer erfasst werden. Temperaturdaten standen nur von der Station Eichberg auf der Murwestseite (Abb. 1; 610 m Seehöhe) für den Zeitraum von 1998–2009 zur Verfügung. Da für diesen Zeitraum auch Abflussdaten des Hammerbachs mit nur kleineren Lücken vorlagen, wurde die N-A-Modellierung für diesen Zeitraum durchgeführt.

Die Modellkalibrierung erfolgte mithilfe des Solvers in Excel (Gradientenmethode). Um die Güte des simulierten Abflusses zu beurteilen, wurde das klassische Nash-Sutcliffe- (Nash & Sutcliffe 1970) sowie das logarithmisch- und quadratwurzeltransformierte Nash-Sutcliffe-Effizienzkriterium verwendet. Die Zeitreihen wurden auf alle drei Kriterien gemeinsam optimiert um alle Bereiche des Quellhydrographen (Basisabfluss, Mittelwasser und Spitzenabfluss) gleichermaßen zu berücksichtigen (z. B. Perrin et al. 2001, Krause et al. 2005, Oudin et al. 2006). Der Anschaulichkeit halber wurden die Werte der Effizienzkriterien gemittelt, sodass ein Wertebereich zwischen −∞ und 100 % entsteht. Als Nebenbedingung wurde verlangt, dass jedes einzelne der 3 Kriterien zumindest 60 % erreichen sollte. Zusätzlich wurden die Abweichung zwischen simulierter und beobachteter Gesamtabflussmenge (Bias) und die Residuen der simulierten und beobachteten Einzelwerte berücksichtigt (hier nicht gezeigt). Die Modellkalibrierung und -validierung wurde nach dem Prinzip des ,,(differential) split-sample test“ (Klemes 1986) durchgeführt, d. h. es wurden verschiedene Zeitperioden für die Kalibrierung und Validierung definiert. Es wurden drei Zeitabschnitte gewählt, die ein sehr unterschiedliches hydrologisches Verhalten zeigen, einerseits eine gegenüber früheren Aufzeichnungen ungewöhnlich gedämpfte Abflussdynamik nach einem Hochwasserereignis (September 2005 bis Juni 2009) und andererseits einen Zeitraum mit ausgeprägten Niedrigwasserperioden (Juli 2001 bis Juli 2005) sowie einen Zeitbereich, der eher unauffällig (,,normal“) erscheint (Juli 1998 bis Juli 2001). Zusätzlich wurde der Zeitraum von Juli 2000 bis Juli 2003 gesondert betrachtet, da dieser nur die Niedrigwasserperioden sowie das Trockenjahr 2003 beinhaltet und somit eine weitere Herausforderung im Hinblick auf die Prognosefähigkeit des Modells darstellt. Ergänzend wurde für jede der oben genannten Kalibrierungsperioden auch die Anpassung an die gesamte Datenreihe (Juli 1998 bis Dezember 2009) betrachtet. Um geeignete Anfangsbedingungen zu schaffen, wurden die Wasserstände in den jeweiligen Speichern durch mehrjährige Simulationsperioden (Aufwärmphasen) vor den zu analysierenden Zeiträumen eingestellt. Da Lufttemperaturdaten erst ab 1998 vorliegen, wurden für die Aufwärmphase Monatsmittelwerte der vorhandenen Zeitreihe verwendet.

Ergebnisse

Die Kalibrierung und Validierung des Standardmodells (4Pb) an unterschiedlichen Zeitfenstern zeigt generell eine zufriedenstellende Übereinstimmung bis 2005, nicht jedoch für die Zeit danach (Abb. 3 und Tab. 2). Je nach Zeitperiode erreicht das kalibrierte Modell Effizienzkriterien von 55 % bis 79 %, für den Zeitbereich 2005–2009 jedoch nur 28 %. Bei der Validierung ergeben sich in der Regel Effizienzkriterien von wenig unter 50 %, für den Zeitbereich 2005–2009 jedoch stark negative Werte. Entsprechend ergeben sich auch bei Anwendung der kalibrierten Modelle auf die ganze Zeitreihe (1998–2009) etwas geringere Effizienzkriterien (12 % bis 46 %).

Abb. 3
figure 3

Beobachtete und simulierte Abflussganglinien der Hammerbachquelle sowie Niederschlagssummen und Temperaturen repräsentativ für das Einzugsgebiet auf Monatsbasis. Die Farbe der Zeitbalken entspricht jener der simulierten Ganglinie, die bei Kalibrierung im entsprechenden Zeitraum erhalten wird (s. Abb. 4)

Tab. 2 Mittelwert der drei Nash-Sutcliffe-Effizienzkriterien (in %) des N-A-Modells für die jeweiligen Zeitbereiche in denen das Modell kalibriert bzw. validiert wurde (siehe Abb. 3). Die Zahl in der Mitte jeder Box bezieht sich auf das Standardmodell (,,4Pb“). Die umliegenden kleineren Zahlen beziehen sich auf unterschiedliche Modellvarianten (Tab. 1) entsprechend der Legende. Der untere Teil der Tabelle listet die kalibrierten Modellparameter der einzelnen Perioden bzw. Modellvarianten auf

Für die Periode nach dem Niederschlagsereignis vom August 2005 bis etwa Juni 2009 kann mit den für andere Zeitbereiche kalibrierten Modellen nicht einmal eine minimal zulässige Übereinstimmung (d. h. Werte sind deutlich negativ) gefunden werden (Abb. 3; Tab. 2). Umgekehrt ergibt sich mit dem Parametersatz aus der Kalibrierung für diesen Zeitraum bei Validierung in anderen Zeiträumen keine zufriedenstellende Anpassung. Ebenso werden die geringen Abflüsse der Sommermonate Juli bis September des Trockenjahrs 2003 vom Modell nicht zutreffend simuliert (Abb. 3). Die Niedrigwasserperioden der Jahre 2000 und 2001 werden dagegen recht gut vom Modell nachvollzogen.

Betrachtet man die optimalen Parametersätze, die sich für die jeweiligen Zeitbereiche ergeben (Tab. 2), so fällt auf, dass die Kapazität des Bodenspeichers (X 1) und der Austauschkoeffizient (X 5) für den Zeitbereich 2005–2009 gegenüber den anderen Perioden deutlich erhöht bzw. erniedrigt sind. Im vorliegenden Fall mit X 5<1 zeigen erniedrigte Werte des Austauschkoeffizienten einen zunehmenden Abfluss in ein anderes Einzugsgebiet an.

Effizienzkriterien und Parametersätze von Modellvarianten mit unterschiedlich gewählten freien Parametern sind ebenfalls in Tabelle 2 aufgelistet. Generell ist festzustellen, dass mit keiner Modellvariante eine zufriedenstellende Simulation der ganzen Zeitreihe möglich ist; die Periode 2005–2009 wird nicht zufriedenstellend simuliert, wenn das Modell auf andere Zeiträume kalibriert wird, und ein auf diese Zeitperiode kalibriertes Modell versagt bei Anwendung auf andere Zeiträume. Beispielhaft sind in Abbildung 4 die simulierten Quellschüttungen der unterschiedlichen Modelle im Vergleich zur Beobachtung durch Kalibrierung auf die Zeitreihe 2001–2005 dargestellt.

Abb. 4
figure 4

Beobachtete und simulierte Abflussganglinien der Hammerbachquelle bei Kalibrierung auf den Zeitraum 2001–2005 unter Verwendung der unterschiedlichen Modellvarianten (Tab. 1)

Wird das Schneemodell weggelassen (Modellvariante ,,2P“), ergeben sich keine grundlegenden Verschlechterungen bei den Effizienzkriterien. Dies lässt darauf schließen, dass Schneespeicherung und -schmelze zumindest für das Monatsmodell an diesem Standort nicht sehr wichtig sind. Bei Anwendung in stärker alpinen Bereichen (z. B. Wagner et al. 2012) sind diese Prozesse jedoch auch im Monatsmodell von hoher Bedeutung.

Eine wesentliche Verschlechterung der Effizienzkriterien ist hingegen sowohl beim 3-Parameter-Modell (3P) als auch beim 4-Parameter-Modell ohne Austauschterm (4Pa) zu beobachten. Lediglich in den Zeiträumen, die durch Niedrigwasserperioden geprägt sind (2001–2005 bzw. 2000–2003) erreichen diese Modellvarianten Effizienz-Kriterien von über 50 %. Bei der Kalibrierung oder Validierung in anderen Zeiträumen erweisen sich die Varianten ohne Austauschterm dagegen als ungenügend. Im Zeitraum des gedämpften Verhaltens sind selbst beim Kalibrieren stark negative Effizienzkriterien und damit ein Versagen des Modells zu beobachten. Somit scheint in dieser Periode der Austauschterm von großer Bedeutung zu sein.

Verwendet man im 4-Parameter-Modell (P4c) statt der Kapazität des Bodenspeichers die des Gebietsspeichers (X 4 statt X 1), so ergeben sich vergleichbare Effizienzkriterien (Tab. 2). Auch hier zeigt sich die Notwendigkeit einer starken Erhöhung des (Gebiets-) Speichers, um das gedämpfte Verhalten in den Jahren 2005 bis 2009 zu reproduzieren. In beiden Modellvarianten (4Pb und 4Pc) gibt es jeweils einen freien Parameter, der die Speicherung beeinflusst, und in beiden ist eine Erhöhung der jeweiligen Speicherkapazität (im Standardmodell X 1 und in der Modellvariante 4Pc X 4) notwendig, um das Modell im Zeitbereich 2005–2009 zu kalibrieren. Dies legt den Schluss nahe, dass in dieser Zeit das Speichervermögen im Quelleinzugsgebiet erhöht war, erlaubt jedoch keine eindeutigen Schlüsse in Bezug auf die Art des sich ändernden Speichers.

Wird die Kapazität des Gebietsspeichers (X 4) zusätzlich zu den anderen vier freien Parametern angepasst, so ergibt sich eine geringe Verbesserung der Effizienzkriterien beim Kalibrieren, aber teilweise ein leichter Rückgang beim Validieren. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Mouelhi et al. (2006) erweist sich ein zusätzlicher (fünfter) freier Parameter hier demnach als kaum gerechtfertigt. Auch mit diesem Modellansatz (5P) ist deutlich zu erkennen, dass der Austausch und die Kapazität des Bodenspeichers in der Periode von 2005 bis 2009 erhöht werden müssen.

Die zusätzliche Anpassung des Perkolationskoeffizienten des Bodenspeichers (X 2) im 6-Parameter-Modell (6P) verbessert die Güte der Kalibrierung weiter. X 2 schwankt jedoch nur wenig und der Anstieg der Effizienzkriterien bei der Validierung ist nur gering; teilweise sind sogar geringere Effizienzkriterien als bei Modellvarianten mit weniger freien Parametern zu beobachten, was auf eine Überparametrisierung hinweist (Beven 1989, Perrin et al. 2003). Auch hier sind wieder gegenüber den anderen Zeitperioden eine Erhöhung der Kapazität des Bodenspeichers und eine Erniedrigung des Austauschkoeffizienten in der Periode 2005–2009 erforderlich.

Diskussion

Der hier verwendete globale Modellansatz liefert selbst mit nur zwei freien Parametern akzeptable Effizienzkriterien bei der Modellkalibrierung. Angesichts der Komplexität des betrachteten binären Karstsystems erweist sich das Modell auch bei der Validierung im Zeitraum bis 2005 als zufriedenstellend und erscheint daher für Prognosezwecke grundsätzlich geeignet. Unabhängig von der Zahl der kalibrierten Modellparameter wird jedoch die Niedrigwasserperiode im Jahr 2003 nicht zutreffend simuliert, selbst wenn sie in den für die Kalibrierung verwendeten Zeitraum (2001–2005) fällt (Abb. 4). Dies legt den Schluss nahe, dass die vereinfachte Abbildung der Abflussbildungsprozesse in der gegebenen Modellstruktur für zuverlässige Prognosen sommerlicher Niedrigwasserperioden nicht ausreicht, sodass hier der Ansatz von instationären Modellparametern, die sich z. B. zwischen trockenen und feuchten Jahren unterscheiden können, notwendig erscheint (Long & Mahler 2013).

Aus den zuvor erwähnten Markierungsversuchen (Behrens et al. 1992) ist bekannt, dass sich die unterirdischen Abflussverhältnisse in diesem Karstsystem bei Niedrigwassersituationen gegenüber Mittel- oder Hochwassersituationen stark unterscheiden. In Übereinstimmung mit der Beobachtung, dass bei Niedrigwasser keine Verbindung zwischen Hammerbach und Schmelzbach besteht, ergibt sich bei Kalibrierung mit dem durch ausgeprägte Niedrigwassersituationen gekennzeichneten Zeitraum 2000–2003 der höchste Werte für den Austauschkoeffizienten und damit der geringste Wasseraustausch im Modell. Aus demselben Grund ist in diesem (und nur in diesem) Zeitraum auch die Kalibrierung von Modellvarianten ohne Austausch (X 5=1) erfolgreich. Der in anderen Zeiträumen stärkere Abfluss vom Hammerbach ins Schmelzbacheinzugsgebiet kann von diesen Modellen jedoch nicht nachgebildet werden. Umgekehrt gelingt die Simulation der Niedrigwasserperioden mit geringem oder ohne Wasseraustausch nur bedingt, wenn im Kalibrierungszeitraum eher Mittel- oder Hochwassersituationen vorherrschen. Der Einbau eines Schwellwertes, nach dessen Überschreiten der Austausch erst aktiv wird, brachte keine Verbesserung des Modells. Offenbar kann ein Monatsmodell aufgrund der hohen kurzzeitigen Variabilität der Quellschüttung dieses Schwellenwertverhalten nicht zutreffend abbilden. Bei Verwendung einer höheren zeitlichen Auflösung (Tagesmodell) wäre dieser Ansatz aber vermutlich vielversprechend.

Im Gegensatz zu den akzeptablen Simulationsergebnissen für den Zeitraum bis 2005, versagt das Modell im Zeitraum 2005–2009. Selbst bei der Kalibrierung liegen die Effizienzkriterien aller Modellvarianten deutlich unter 50 % und bei der Validierung mit anderen Zeiträumen ergeben sich stark negative Effizienzkriterien.

Der Austauschkoeffizient X 5 ist für diesen Zeitraum kleiner als bei allen anderen Kalibrierungsperioden (Tab. 2). Das bedeutet, dass in diesem Zeitraum ein größerer Abfluss vom Hammerbach- zum Schmelzbachsystem angenommen werden muss. Dies ist mit Feldbeobachtungen konsistent. Während eines Markierungsversuchs im Jahre 2008 (Oswald 2009, Wagner et al. 2011) konnte gezeigt werden, dass der Überlauf ins Schmelzbachsystem bereits bei einem gegenüber früheren Untersuchungen geringeren Abfluss des Hammerbachs stattfand (etwa 135 l/s statt 200 l/s) und gleichzeitig der Markierungsstoff verhältnismäßig lange Durchgangszeiten aufwies (> 60 h gegenüber < 40 h bei vergleichbarem Abfluss in früheren Untersuchungen). Gleichzeitig ist in diesem Zeitraum im Modell eine Erhöhung der Speicherung erforderlich, um das gedämpfte Auslaufverhalten der Hammerbachquelle zu ermöglichen. Dies wirft die Frage auf, ob und welche Vorgänge im Hammerbachsystem zu einer Vergrößerung der Speicherkapazität und einem Überlauf ins Schmelzbachsystem bei gegenüber früheren Beobachtungen geringeren Abflüssen geführt haben könnte. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass das Abflussverhalten des Hammerbachs ab Ende 2009 anscheinend wieder sprunghafter wird (Abb. 3). Angesichts der in den begehbaren Teilen der Höhle nach größeren Flutereignissen beobachtbaren Sedimentumlagerungen (Abb. 5) liegt es nahe, diese Reversibilität durch ähnliche Vorgänge im Hammerbachsystem zu erklären. Wie von Covington et al. (2009, 2012) gezeigt, sind etwa durch Sedimentablagerungen geschaffene Engstellen plausible geometrische Strukturen, um ein gedämpftes Verhalten einer Quelle zu verursachen. Solche Verengungen würden zudem einen Anstieg des Wasserspiegels oberstromig bewirken und somit einen Überlauf in das benachbarte Schmelzbachsystem bereits bei geringerem Abfluss des Hammerbachs und damit den erhöhten Austauschfluss im Modell im Zeitraum 2005–2009 erklären.

Abb. 5
figure 5

Feldeindrücke der befahrbaren Teile der Lurgrotte. (a) Sedimentumlagerungen im Schauhöhlenbereich der Lurgrotte, Sept. 2008. (b) Aktives Gerinne des SB-Höhlenbaches bei erhöhter Wasserführung, Juli 2012. (c) Beschädigte Führungssteige in der Lurgrotte 2008. (d) Sedimentablagerungen beim Schmelzbachursprung nach einem Hochwasser im Juni 2012. (e) Zerstörter Führungssteig im Bereich Blocksberg nach einem Hochwasser im August 2009. (f) Mit Sediment verlegte ehemals phreatische Gänge im Tannebenmassiv (Josefinenhöhle; 425 m), vermutlich pleistozänen Alters, November 2008

Die Hypothese, dass das gedämpfte Abflussverhalten des Hammerbachs durch Veränderungen im Karstsystem und nicht durch unterschiedliche Witterungsbedingungen verursacht ist, wird durch die Auswertung von Trockenwetterfalllinien in den unterschiedlichen Zeiträumen gestützt: Vor 2005 zeigt sich generell ein rascheres Auslaufen mit geringeren Basisabflüssen der Hammerbachquelle als im Zeitraum 2005–2009 (Birk & Wagner 2011). Da das Auslaufverhalten von Quellen in Trockenperioden primär durch die hydraulischen Eigenschaften des Grundwasserleiters bestimmt wird, liegt es nahe, dies strukturellen Änderungen im System selbst zuzuschreiben (Kresic & Bonacci 2010, S. 134).

Sollte die beobachtete Veränderung des Abflussverhaltens der Hammerbachquelle tatsächlich aufgrund von Sedimentumlagerungen und damit verbundene Änderungen in den hydraulischen Eigenschaften des Karstgrundwasserleiters verursacht sein, so ist es nicht verwunderlich, dass die Kalibrierung in diesem Zeitraum stark veränderte Parameter ergibt. Ein ähnliches Ergebnis wäre dann allerdings auch für physikalisch-basierte Modelle zu erwarten. In Modellszenarien mit MODFLOW kann eine derartige Veränderung des Abflussverhaltens beispielsweise durch Herabsetzung der hydraulischen Leitfähigkeit und Erhöhung des Speicherkoeffizienten von Modellzellen, die den hochdurchlässigen Fließweg von der Lurbachschwinde zum Hammerbach repräsentieren, bewirkt werden (Mayaud et al. 2013). Bis dato werden nach Kenntnis der Autoren allerdings in keinem physikalisch-basierten N-A-Modell durch Sedimenttransport und -ablagerung bedingte Änderungen in Fließquerschnitten (bis hin zu möglichen Verstopfungen von Fließwegen) berücksichtigt (erste Ansätze siehe Covington et al. 2010).

Schlussfolgerungen

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass ein parameterarmes N-A-Modell zwar die Quellschüttung des Hammerbaches bis 2005 simulieren kann, nicht aber im Zeitraum 2005 bis 2009. Nur durch Verwendung anderer Parameterwerte kann in diesem Zeitraum eine minimal akzeptable Übereinstimmung gefunden werden. Die erforderlichen Parameteränderungen sind jedoch konzeptionell in Übereinstimmung mit Ergebnissen aus Markierungsversuchen und Auswertungen von Trockenwetterfalllinien, die in diesem Zeitraum auf einen gegenüber früheren Zeiten erhöhten Speicher und einen häufigeren Überlauf zum Schmelzbach hindeuten. Als mögliche Ursache kommen Sedimentumlagerungen während des Hochwasserereignisses im Sommer 2005 in Frage. Durch derartige Prozesse verursachte Parameteränderungen stellen zwangsläufig die Prognosefähigkeit hydrologischer Modelle in Frage. Insofern zeigt sich, dass die hier offenkundige Dynamik von Karstsystemen große Herausforderungen bezüglich hydrologischer Prognosen stellt. Das hier vorgestellte Beispiel zeigt jedoch, dass die Anwendung des konzeptionellen hydrologischen Modells wertvolle Rückschlüsse auf Abflussprozesse und Eigenschaften im Karstsystem erlaubt und damit zur hydrogeologischen Charakterisierung des Quelleinzugsgebietes beiträgt. Die aus der Modellkalibrierung erhaltenen Parameterwerte haben zwar keine unmittelbare physikalische Bedeutung, können jedoch im Sinne konzeptioneller Modellvorstellung interpretiert werden und tragen damit zu einem besseren Prozessverständnis bei. Die untersuchten Modellvarianten zeigen eine in diesem Quelleinzugsgebiet untergeordnete Rolle der Schneespeicherung. Dagegen wird das Abflussverhalten der Quelle bei Mittel- und Hochwasserbedingungen stark vom Überlauf zum benachbarten Einzugsgebiet beeinflusst. Im vorliegenden Fall können die Modellergebnisse zudem dahingehend bewertet werden, dass die beobachtete Veränderung im Abflussverhalten nicht primär auf Änderungen der meteorologischen Eingangsgrößen, sondern auf Änderungen im Karstsystem (erhöhte Speichereigenschaften, verstärkter Überlauf zum benachbarten Einzugsgebiet) selbst zurückzuführen sind.