Zusammenfassung
Innerhalb kurzer Zeit konnte sich die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) als Vertreterin vernachlässigter Gruppen und tabuisierter Themen im politischen Diskurs positionieren und ist schließlich mit einem zweistelligen Ergebnis bei der Wahl 2017 in den Bundestag eingezogen. Dennoch bleibt weiter unklar, ob sie das Potenzial besitzt, sich in der deutschen Parteienlandschaft langfristig zu etablieren. Ihre Entwicklung ist bis heute von einem anhaltenden Streit um politische Positionen und Führungspersonen gekennzeichnet. Es ist davon auszugehen, dass diese Konflikte und die damit einhergehenden Veränderungen einen zentralen Einfluss auf ihre Etablierungschancen ausüben. Dabei interessiert vor allem, inwiefern die AfD bereits über eine loyale Wählerschaft verfügt oder eher von flüchtigen Wählersegmenten mit Protestwahlmotiven oder Anti-Parteien-Sentiments gewählt wird. Über den kompletten Betrachtungszeitraum hinweg zeigt sich, dass Protestwahlverhalten und Ressentiments gegenüber Parteien zentrale Motive für eine Stimmabgabe zugunsten der AfD darstellen. Allerdings ist im Zeitverlauf auch ein Anwachsen der Gruppe loyaler AnhängerInnen unter der Wählerschaft der AfD zu beobachten – wenn auch auf niedrigem Niveau.
Abstract
Within a very short time the German party “Alternative für Deutschland” (AfD) was able to position itself as a representative of neglected groups and taboo issues. At the occasion of the federal election 2017, the party received more than ten percent of the votes and is now represented in the German Bundestag. However, it still remains unclear if the AfD will establish itself in the German party landscape in the long-run. Until today, the development of the AfD is marked by continuous quarrels about political positions and leaders. These conflicts and the associated changes may have an important impact on the party’s prospect of establishment. Of particular interest is whether the AfD already has a loyal electorate or the party is primarily elected by volatile voter segments motivated by protest and anti-party-sentiments. Applying a longitudinal perspective the article outlines that the party’s success depends heavily on volatile voter segments. However, a certain increase of loyal voters has also been observed – albeit on a low level.
Notes
Weitere Stilmittel des (rechten) Populismus werden etwa bei Decker und Lewandowsky (2017, S. 29–30) diskutiert.
Eine Diskussion verschiedener Definitionen von Protestwahl findet sich bei Arzheimer (2008, S. 104–109).
Insbesondere in den 1970er- und 1980er-Jahren gelang es der CDU und CSU sich als „Dach für eine breite umfassende konservativ-nationalistische Sammlungsbewegung, als Heimat aller Rechten“ (Stöss 2013, S. 567) zu präsentieren.
Siehe hierzu etwa den Gastbeitrag Alexander Dobrindts (2018) in der Zeitung Die Welt, in dem er eine „Konservative Revolution“ fordert.
Der PolitikerInnen-Index besteht bei der Union aus Angela Merkel (T20–T33), bei der SPD aus Peer Steinbrück (T20) und Sigmar Gabriel (T21–T33), bei den Linken aus Gregor Gysi (T20–T29) und Sahra Wagenknecht (T30–T33), bei den Grünen aus Jürgen Trittin (T20) und Katrin Göring-Eckardt (T21–T33) und bei der FDP aus Rainer Brüderle (T20–T22) und Christian Lindner (T23–T33). Der Wechsel ist bedingt durch den entsprechenden Wechsel an abgefragten PolitikerInnen in den Online-Studien.
Der Fragetext zur EU-Schuldenkrise lautet: „In Zeiten der europäischen Schuldenkrise sollte Deutschland EU-Mitgliedsstaaten, die starke wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten haben, finanziell unterstützen“. Skala wurde rekodiert von 1 (stimme voll und ganz zu) bis 5 (stimme überhaupt nicht zu).
Der Fragetext zur Migrationsskepsis lautet: „Einwanderer sollten verpflichtet werden, sich der deutschen Kultur anzupassen“. Skala von 1 (stimme überhaupt nicht zu) bis 5 (stimme voll und ganz zu).
Die Issues Migration und Europa wurden in den Online-Studien T22, T23 und T24 nicht erhoben, weshalb diese Datenpunkte in Analysen mit Issues nicht berücksichtigt werden konnten.
Die Zuordnung der Befragten zu Klassen basiert weitgehend auf einem von Erikson und Goldthorpe (1992) entwickelten Schema. In einer Umfrage (24.05.–08.06.2013) war aufgrund eines Fehlers im Frageprogramm eine entsprechende Zuordnung zu den Klassen „nicht-manuelle Routinetätigkeit“, „untere Dienstklasse“ und „obere Dienstklasse“ nicht möglich. Deshalb erfolgte in Phase 1 nur die Deskription der Verteilungen der „Selbstständigen“ und „ArbeiterInnen“. Die multivariaten Analysen beinhalten ausschließlich die Kategorien „Selbständige“ und „ArbeiterInnen“.
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Bieber, I., Roßteutscher, S. & Scherer, P. Die Metamorphosen der AfD-Wählerschaft: Von einer euroskeptischen Protestpartei zu einer (r)echten Alternative?. Polit Vierteljahresschr 59, 433–461 (2018). https://doi.org/10.1007/s11615-018-0103-y
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