1 Gebremste Nutzung rentabler Energieeffizienz-Optionen
1.1 Wesentliche Hemmnisse zur Realisierung von Energieeffizienz-Potentialen in der mittelständischen Wirtschaft
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Das Interesse an Energieeffizienzverbesserung ist häufig deshalb so gering, weil Energie nur eine Hilfsfunktion hat: Die verlässliche Verfügbarkeit von Strom und Wärme ist für die Produktion wichtig, nicht aber deren möglichst effizienter Einsatz, zumal die Energiekostenanteile an den gesamten Produktionskosten mit durchschnittlich 1,5 bis 3% in der Industrie sehr gering sind (Ausnahme: die Grundstoffindustrie).
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Zudem fluktuieren Energiepreise erfahrungsgemäß, während man davon ausgeht, dass in Zukunft die Löhne auf alle Fälle steigen, d.h., die Erhöhung der Arbeitsproduktivität hat stets hohe Priorität.
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Die Such- und Entscheidungskosten für Energieeffizienz-Investitionen (Transaktionskosten) sind – gemessen an den zusätzlich einzusparenden Energiekosten – für viele Investoren oder Geschäftsleitungen relativ hoch (Ostertag 2003); derartige Entscheidungen kommen zu selten vor, eine professionelle Beratung fehlt oder wird nicht wahrgenommen, sei es aus Unkenntnis oder infolge schlechter Erfahrungen.
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Externe Energieberatung wird auch deshalb nicht in Anspruch genommen, weil man den Nettonutzen nicht kennt oder der technische Betriebsleiter sein Gesicht nicht verlieren will.
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Etwa 80% der Unternehmen in Deutschland entscheiden ihre Investitionen nach der Amortisationszeit, d.h. einem reinen Risikomaß. Da die Energieeffizienz-Investitionen aber meist Lebensdauern von 10 Jahren und mehr haben (bei Gebäudeteilen bis zu 30 Jahren und mehr), wird systematisch mit diesem Entscheidungskriterium die energie-ineffiziente Option bevorzugt.
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Das gleiche gilt für die Minimierung der Investitionen, wobei der Einkauf der Betriebe zu wenig Spezifikationen für Energieeffizienz erhält und nach den Lebenszykluskosten nicht frägt. Dieses Einkaufsverhalten zwingt die Hersteller von Anlagen und Maschinen in sehr vielen Fällen, über den reinen Preiskampf der Investition energetisch zweitklassigen Lösungen anzubieten.
1.2 Sozialpsychologische Aspekte bei der Realisierung von Energieeffizienz-Maßnahmen
2 Lernende örtliche Energieeffizienz-Netzwerke
2.1 Die Teilnehmer eines Energieeffizienz-Netzwerkes
2.2 Die drei Phasen des Netzwerk-Aufbaus und -Betriebs
2.3 Kosten des Betriebes eines Netzwerkes und deren Finanzierung
3 Ergebnisse
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Die in den Initialberatungen gefundenen rentablen Energieeffizienz-Potentiale betragen zwischen 4% (bei sehr energieintensiven Betrieben) und nicht selten bis über 20% (bei Betrieben der Konsum- und Investitionsgüterindustrie und der Dienstleistungssektoren) in den kommenden fünf bis acht Jahren. Die Potentiale sind sowohl organisatorische Maßnahmen, die sofort umgesetzt werden können (z.B. Vermeidung von Leckagen in Druckluftanlagen) als auch investive Maßnahmen, die im Re-Investitionszyklus in der Regel sehr hohe Rentabilitäten (meist mehr als 20% interne Verzinsung) aufweisen.
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In den ersten beiden Jahren sind die organisatorischen Maßnahmen und Stromeffizienz-Investitionen am schnellsten umsetzbar, während die Effizienz-Investitionen in Abwärmenutzung oder effizientere Prozesswärme- und Kältenutzung einen Planungsvorlauf erfordern. Nach vier bis fünf Jahren Netzwerkbetrieb kommen verstärkt Investitionen in Kraft-Wärme-Kopplung (meist BHKWs), baulicher Wärmeschutz und Optimierung/Erneuerung der Produktionsanlagen in den Fokus.
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Wenn in den Betrieben pro Jahr etwa 100 Effizienzmaßnahmen realisiert wurden, so entstanden etwa 60 neue Ideen pro Jahr für weitere Effizienzmaßnahmen infolge genauerer Kenntnisse des jeweiligen Betriebes und infolge technischer Innovationen (z.B. Absorption brennbarer Inhaltsstoffe in Prozessabgasen, Leistungselektronik mit Netzrückspeisung von Bremsenergie).
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Der Einsatz der erneuerbaren Energien spielte bis 2007 praktisch keine Rolle, hat aber seit 2008 – wenn auch abgeschwächt durch den Erdölpreisverfall – bei den Betrieben eine größere Aufmerksamkeit bei den Investitionsüberlegungen erhalten (insbesondere Wärmepumpen, Holzfeuerungen in Form von Chips und Pellets und solarthermische Anlagen). Hält dieser Trend an, kann man mit Recht nicht nur von Energieeffizienz-Netzwerken, sondern auch von Klimaschutz-Netzwerken reden.
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Trends zu mehr Strombedarf je Produktionseinheit infolge von Prozesssubstitutionen wurden in einigen Fällen beobachtet (z.B. Trockenfertigung mit Verdopplung des Druckluftbedarfs, Reinraumfertigung zur Erhöhung der Qualität und der Lebensdauer). Daher lagen die erzielten Verminderungen der spezifischen CO2-Emissionen etwas unterhalb der erreichten Effizienzverbesserungen.
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Je intensiver sich die Energiebeauftragten mit dem Thema befassten, desto umfangreicher wurden ihre Kenntnisse und in der Regel auch ihre Akzeptanz bei der Geschäftsleitung. Sie veränderten betriebliche Regeln bei der Beschaffung bzw. im Einkauf und bei der wirtschaftlichen Bewertung von Investitionsmaßnahmen (interne Verzinsung statt oder in Ergänzung zur Amortisationszeit). Die Anwendung dieser Methodik führte nicht nur zu einer deutlichen Senkung der Energiekosten und Verbesserung des Klimaschutzes, sondern sie eröffnet den Unternehmen auch die Möglichkeit, durch aktiven Klimaschutz betriebswirtschaftliche Gewinne zu erzielen.
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Der Kenntnisstand der Energieverantwortlichen der beteiligten Unternehmen war zu Beginn der Netzwerktreffen sehr unterschiedlich. Er verbesserte sich deutlich im Laufe der Treffen und des fortschreitenden Erfahrungsaustausches. Die Beschäftigung der Energiebeauftragten mit dem Thema führte nach wenigen Jahren zu Forderungen an die Anlagen- und Maschinenhersteller, ihre Produkte zu verbessern. Sie führte auch dazu, dass die Energieverantwortlichen dem Einkauf ihres Unternehmens technische Standards vorzugeben versuchten (z.B. Hocheffizienz-Elektromotoren für definierte Leistungen und Jahresnutzungsstunden).
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Lebenszykluskosten-Analysen werden von nur wenigen Betrieben zu Beginn des Netzwerkes gemacht und daher auch von den Herstellern in der Regel nicht angegeben, zum Teil auf Nachfragen auch gar nicht gewußt.
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Ebenso werden begleitende Nutzen bei Investitionen zur Energieeffizienz nur sehr selten beachtet (z.B. weniger Ausschuss, gleichmäßige Produktqualität, geringerer Lärm, bessere Arbeitsbedingungen, höhere Arbeits- oder Kapitalproduktivität).
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Der Erfolg der initiierten Netzwerke ist nicht zuletzt anhängig von einem engagierten Moderator und kompetenten beratenden Ingenieuren.
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Die Hersteller von Anlagen und Maschinen konnten auf Befragen der Betriebe der Netzwerke zum Teil nicht den Energieverbrauch ihrer eigenen Produkte angeben. In einigen Fällen reagierten sie bei Anfragen für höher effiziente Anlagen und Maschinen mit einem „Nein, das machen wir nicht“ oder mit einer Aussetzung der Gewährleistung. Die Gründe dieses innovationsfeindlichen Verhaltens sind vielfältig (Minimierung der Investitionen der Einkäufer ihrer Kunden, keine Segmentierung des Produktangebotes und damit verbunden eine komplizierte Produktionsplanung und kleinere Produktionsserien, Scheu vor weiteren Entwicklungskosten oder unbekannten Risiken, etc.).
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Die Hersteller von Anlagen und Maschinen bieten in fast allen Fällen ihre Effizienz-Produkte in den Kostenvergleichsrechnungen – sei es in ihren Angeboten oder ihren elektronischen Berechnungshilfen – nur das Ergebnis von Amortisationszeiten an, d.h. einem Risikomaß. Der zusätzliche Hinweis auf die Rentabilität der effizienteren Option in Form der internen Verzinsung oder des Barwertes ist extrem selten zu finden.
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Die beteiligten Unternehmen der Netzwerke gaben sich ein Effizienzziel von etwa 2% pro Jahr (vgl. Tab. 1) was etwa doppelt so viel ist wie der Durchschnitt der Industriebetriebe in den letzten fünf Jahren. Dieses Ziel wurde auf der Netzwerkebene bei allen fünf beobachteten Netzwerken erreicht. Allerdings gab es erhebliche Abweichungen für einzelne Betriebe aus sehr unterschiedlichen Gründen (z.B. erhebliche/keine Neuinvestitionen, erhebliche Produktionsausweitung oder -einschränkung, große/geringe Unterstützung der Geschäftsleitung, vgl. Jochem et al. 2009).
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Die Ergebnisse zur CO2-Emissionsminderung lagen etwas unter 2 % jährlich, weil der Trend zu relativ mehr Strombedarf in allen Netzwerken zu beobachten war und die spezifischen CO2-Emissionen des Strom höher liegen als die der Brennstoffe.
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Im Durchschnitt wurden pro Betrieb nach drei bis vier Jahren Energieeinsparungen von 100.000 € mit einem Emissionsminderungserfolg von rd. 500 t CO2 pro Jahr erreicht.
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Sechs Unternehmen von 48 Unternehmen der fünf von den Autoren beobachteten Effizienz-Netzwerke erhielten in den letzten drei Jahren einen Energieeffizienz- oder Umweltpreis seitens der dena, der KfW oder anderer Institutionen.
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Die insgesamt 64 Betriebe der ersten fünf seitens der EnBW initiierten Netzwerke ergriffen insgesamt 318 Maßnahmen mit einer jährlichen Energiekosteneinsparung von rund 3 Mio. € und jährlichen CO2-Emissionsminderungen von rd. 13.000 t pro Jahr. Die Effizienz-Steigerungen pro Jahr waren durchschnittlich 2,3 %.
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Eine Reihe der Netzwerk-Unternehmen betrachteten durch Impulse der Netzwerk-Arbeit ihre eigenen Produkte unter dem Gesichtspunkt der erhöhten Energieeffizienz (z.B. Ventilatoren, Getriebe) oder der Materialeffizienz (z.B. geringere Gewichte durch verbesserte Konstruktion oder andere Materialeigenschaften) und brachten hocheffiziente neue Produkte an den Markt.
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Die Anforderungen von Genauigkeit der Aussagen der verwendeten Monitoring-Verfahren zur jährlichen Energieeffizienzverbesserung eines Betriebes und der Verminderung der spezifischen CO2-Emissionen stehen im Widerspruch zu den Erwartungen vieler Energiebeauftragter in den Betrieben, diese Aussagen zu einem minimalen Aufwand der Datenbereitstellung zu erhalten.
Netzwerk-Name | Zeitraum | Effizienz-Gewinn | CO2-Minderung | Methode |
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Modell Hohenlohe | 2004–2008 | 8,1 % | 7, 5% | top down |
Ulm | 2004–2007 | 5,9 % | 24 %1
| top down |
– ohne Versorger | 2004–2008 | 4,5 % | 4 % | top down |
Mitteldeutschland2
| 2005–2008 | 8 % | 6,6 % | bottom up |
Ost-Württemberg | 2006–2008 | 4 % | 3,8 % | top down |
4 Ausblick
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Die Entwicklung eines Netzwerk-Managementsystems, das diese Funktion eines einheitlichen Mindestqualitätsstandards bei den einzelnen Arbeiten leistet. Diese Entwicklung wurde in den Jahren 2006–2009 durchgeführt und seitens der DBU und zweier Bundesländer finanziell gefördert.
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Der Aufbau einer bundesweit verteilten Anfangskompetenz von Initiatoren, Moderatoren und beratenden Ingenieuren, die als Ausgangspunkt für eine derartige Diffusion von Energieeffizienz-Netzwerken dienen kann. Diese Voraussetzung wird derzeit durch ein vom Bundesumweltministerium gefördertes 30-Pilotnetzwerke-Projekt erfüllt.
4.1 Netzwerk-Managementsystem und dessen Verbreitung
4.2 Das 30-Pilotnetzwerke-Projekt
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30 Pilot-Netzwerke mit etwa 400 Betrieben bundesweit bei ihrer Initiierung und ihrem Betrieb der ersten drei bis vier Jahre zu unterstützen. Dabei werden ihre Kosten für Moderation, Initialberatung und Monitoring bis zu einem Drittel gefördert.
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Dadurch soll erreicht werden, dass die Kompetenz für Moderation, Initialberatung und Monitoring bundesweit verteilt wird und zugleich die Erfahrungen in den einzelnen Netzwerken allen Beteiligten zur Verfügung zu stellen.
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Außerdem sollen ca. 30 elektronische Investitionsberechnungshilfen für Energieeffizienz-Investitionen und Investitionsmöglichkeiten in erneuerbare Energien entwickelt werden. Nach Praxistest und Freigabe sollen diese Hilfen jedem beratenden Ingenieur gegen Zahlung einer Schutzgebühr zur Verfügung stehen. Hierdurch wird erreicht, dass die Investitionsberechnungen nach einem Mindestqualitätsmaßstab erfolgen und die Kosten der beratenden Ingenieure für derartige Dienstleistungen gesenkt werden können.