Zusammenfassung
Der Begriff der Hilfe ist im Alltag der Sozialen Arbeit und Sozialpolitik unentbehrlich. In der Sozialpädagogik und Sozialarbeitswissenschaft kommt ihm jedoch nur eine bescheidene Bedeutung zu. Entwicklungen in der Sozialen Arbeit und Sozialpolitik, wie die Entgrenzung von Hilfen oder die Personalisierung und Pädagogisierung sozialpolitischer Leistungen legen nahe, das Potential dieses Begriffes für die Thematisierung der vielfältigen Prozesse der Unterstützung etc. stärker zu nutzen. Ein kategoriales Modell von „Hilfe“ eröffnet auf der Ebene der Interaktion einen Zugang zu diesen Prozessen. Es vermag aus einer rekonstruierenden Sicht Eigenheiten von Hilfeprozessen im Bezug auf beteiligte Akteure, auf Prozesse selbst wie z. B. auf die soziale Konstruktion der Unentgeltlichkeit erschließen. Möglichkeiten und Grenzen von Hilfe können in den Dimensionen der Sachlichkeit (Ressourcenbezogenheit), der Sozialität und des Selbstbezuges thematisiert werden. Dies verspricht Erkenntnisgewinne für professionelles Handeln. Hilfeprozesse, so gesehen, sind aber auch Lehrstücke für Sozial- und Gesellschaftspolitik.
Abstract
The concept of “help” seems to be omnipresent in social policy and social work. Yet, in the social sciences concerning these fields the concept only plays a minor part. Developments in social work and social policy, such as the disembeddedment of social services, the personalization of payments as well as services recommend the use of the entire scope of the concept of help for the analysis of the various processes of support and empowerment. A categorical model of help may serve as an approach on the level of interaction; by use of this model certain features of processes of help concerning the involved actors or the process itself, such as the social construction of interaction and exchange, can be made accessible from a reconstructive perspective. Options and constraints of help can be discussed in terms of objectivity, sociality and self-reference. Professionalization may benefit from these insights; examining processes of help by this means may also reveal the limitations of social work and social policies.
Notes
Diese Arbeit fasst Überlegungen zusammen, die in den letzten Jahren im Rahmen von Forschungsprojekten vor allem zu Hilfen zur Erziehung, von Fallwerkstätten, von Fortbildungen für Sozialpädagogen und in der akademischen Lehre entstanden sind.
Man sehe mir nach, dass ich aufgrund der Lesbarkeit des Textes künftig bei Personenbezeichnungen nur die männliche Form verwende.
Der deutschen Sprache fehlt ein Wort für die „Empfänger“ bzw. Koproduzenten von Hilfen, daher die Anleihe aus dem Fernsehspot der Deutschen Telekom.
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Schefold, W. Hilfe als Grundkategorie Sozialer Arbeit. Soz Passagen 3, 11–27 (2011). https://doi.org/10.1007/s12592-011-0076-9
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