Zusammenfassung
Fachspezifische Zugänge zu Lehrerkognitionen fokussieren derzeit meist auf Elemente fachspezifischen Wissens. Dabei wird in der Regel zwischen fachlichem und fachdidaktischem Wissen unterschieden. Ein anderer Zugang zu Kognitionen von Lehrkräften geht von den professionellen Anforderungen aus, um (fach-)spezifische professionelle Kompetenzen zu identifizieren. Hier wird nun ein integrierendes Modell vorgeschlagen, das beide Aspekte einbezieht und die fachspezifischen Anteile von Lehrerkognitionen mithilfe der drei Konstrukte (1) Basiswissen, (2) reflexive Kompetenz und (3) aktionsbezogene Kompetenz erfasst. In diesem Beitrag werden in einem ersten Schritt die besonderen methodischen Herausforderungen der Messung aktionsbezogener Kompetenz diskutiert. Hierbei müssen die charakterisierenden Anforderungen der Unmittelbarkeit und Spontaneität valide abgebildet werden. Anschließend wird eine Machbarkeitsstudie mit Mathematiklehrkräften der Sekundarstufe I (n=28) und Lehramtsstudierenden (n=22) berichtet, in der die Operationalisierungen der aktionsbezogenen Kompetenz sowie des Basiswissens computer- und videobasiert realisiert wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass diese beiden Komponenten für Lehrkräfte unterschieden werden können, auch wenn sie erwartungsgemäß in wechselseitigem Zusammenhang stehen.
Abstract
Recent domain-specific research on teacher cognition has mainly been focusing on teacher knowledge. Usually, a distinction is made between content knowledge and pedagogical content knowledge. However, a different approach to identifying (domain-) specific professional clusters of competencies is analyzing teaching demands. In this article, we propose an integrated model that is based on both approaches and frames domain-specific teacher cognition in three components: (1) basic knowledge, (2) reflective competences, and (3) action-related competences. We first discuss the methodological difficulties that are related to measuring action-related competences. Thereby, valid assessment items should portray the salient demands of immediacy and spontaneity. Subsequently, in a second step, we present a feasibility study with lower secondary school mathematics teachers. Therefor, we designed video- and computer-based operationalisations for action-related competencies and basic knowledge. The results for in-service (n=28) and pre-service (n=22) teachers show that these two components could be distinguished, although they are, as expected, related.
Notes
Leons Antwort kann direkt als ungültige Argumentation erkannt werden, da es sich nur um eine Betrachtung von Spezialfällen handelt. Marias Antwort würde auf Grund der fehlerhaften algebraischen Behandlung ebenfalls aus rein mathematischen Gründen nicht als gültige Argumentation erkannt werden.
Mathematisches Fachwissen zum Lehren wird an dieser Stelle – wie auch in anderen Studien zum professionellen Wissen von Lehrkräften – als „Mathematik vom höheren Standpunkt“ (Klein 1911) verstanden. Auch wenn diese Charakterisierung unscharf ist, so kann eine notwendige ausführlichere Beschreibung dieses Fachwissens im Rahmen dieses Beitrags leider nicht vorgenommen werden. Die verwendete Operationalisierung lehnt sich an bestehende Vorschläge (COACTIV, TEDS-M) an und bildet zunächst eher schulnahes Fachwissen ab.
Die Konzeptualisierung ist hier auch durch die von Schilling et al. (2007) nicht im Detail ausgeführte Idee motiviert, dass Lehrkräfte ihr Wissen für Unterrichtszwecke entkomprimieren („to decompress“) und es auf spezielle Weise darstellen müssen. Sie konnten beobachten, dass Mathematiklehrkräfte und Mathematikerinnen und Mathematiker in Bezug auf diese beiden Punkte Unterschiede im Umgang mit den fachlichen und fachdidaktischen Testaufgaben zeigten.
Für diese Modellkomponente wurde die etwas sperrige Bezeichnung „aktionsbezogene Kompetenz“ und nicht etwa „aktionale Kompetenz“ oder „Handlungskompetenz“ gewählt. Damit soll deutlich gemacht werden, dass durch den gewählten analytischen Zugang bereits eine gewisse Abstraktion vorgenommen wurde.
Für Details zur Untersuchung der reflexiven Kompetenz wird auf Lindmeier (2011) verwiesen.
In dieser Arbeit wird eine weitere Unterscheidung bei Erhebungsverfahren für Lehrerkompetenzen, die Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Verfahren, nicht weiter behandelt. Bei indirekten Verfahren evaluieren Lehrkräfte Unterrichtsvideos und auf Basis dieser Urteile wird auf die Kompetenz der Lehrkräfte rückgeschlossen (vgl. Seidel und Prenzel 2007; Oser et al. 2010). Direkte Verfahren hingegen zielen darauf ab, Kompetenzen von Lehrkräften durch Performanz direkt zu erfassen. Die vorgeschlagene Operationalisierung basiert auf direkten Verfahren.
Kein Zusammenhang: |ρ|<0,1; schwacher Zusammenhang: 0,1≤|ρ|<0,3; moderater Zusammenhang: 0,3≤|ρ|<0,5; starker Zusammenhang: 0,5≤|ρ|.
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Lindmeier, A.M., Heinze, A. & Reiss, K. Eine Machbarkeitsstudie zur Operationalisierung aktionsbezogener Kompetenz von Mathematiklehrkräften mit videobasierten Maßen. J Math Didakt 34, 99–119 (2013). https://doi.org/10.1007/s13138-012-0046-6
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