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Publicly Available Published by De Gruyter Saur August 23, 2017

Entwicklung und Evaluierung einer Plattform zur Vermittlung von Informationskompetenz: Vorstellung des von der Europäischen Union geförderten Projekts „Information Literacy Online“

  • Stefan Dreisiebner

    Mag. Stefan Dreisiebner

    Karl-Franzens-Universität Graz, Institut für Informationswissenschaft und Wirtschaftsinformatik, Universitätsstraße 15/F3, 8010 Graz, Österreich

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    and Thomas Mandl

    apl. Professor Dr. Thomas Mandl

    Universität Hildesheim, Institut für Informationswissenschaft und Sprachtechnologie, Universitätsplatz 1, 31141 Hildesheim, Deutschland

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From the journal Bibliotheksdienst

Zusammenfassung

Im Rahmen des unter der Programmschiene Erasmus+ von der Europäischen Union geförderten Projekts „Information Literacy Online“ (ILO) wird derzeit ein europäisches Angebot in Form eines Massive Open Online Course (MOOC) zur Förderung der Informationskompetenz entwickelt. An dem von der Karl-Franzens-Universität Graz koordinierten Projekt sind sechs europäische Partner beteiligt. Das Angebot wird unter offener Lizenz in mehreren Sprachen entwickelt und ebenso eine Assessment-Komponente und fachspezifische Vertiefungen enthalten. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die Ziele des Projekts sowie die Ergebnisse der Bedarfsanalyse.

Abstract

In the course of the project „Information Literacy Online“ (ILO), promoted by the European Union within the programme sector Erasmus+, a European offer in the form of a Massive Open Online Course (MOOC) is developed at the moment which is designed to help improve information competence. Six European partners contribute to the project co-ordinated by the University of Graz. The offer is developed under an open licence and in several languages and it will also contain an assessment component and further subject-specific contents. This article provides a survey of the project’s goals and the results of the requirement analysis.

Schlüsselwörter: Informationskompetenz; MOOC; Erasmus+

Die Vermittlung von Informationskompetenz hat ihre Ursprünge im bibliothekarischen Kontext, wo bereits lange Benutzerschulungen angeboten werden. Aufgrund technologischer Veränderungen – besonders durch die Digitalisierung in den vergangenen Jahren – unterliegt das Konzept einem beständigen Wandel. Heutzutage gibt es zahlreiche verschiedene Definitionen, was unter Informationskompetenz zu verstehen ist. Das Konzept der Informationskompetenz überlappt sich hierbei auch mit Medienkompetenz, Computerkompetenz, Internetkompetenz und digitaler Kompetenz.[1] Wir richten uns in weiterer Folge nach der Definition der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) aus dem Jahre 2013, wonach unter Informationskompetenz ein Bündel an Kompetenzen zu verstehen ist, das Bürgern ermöglicht, auf Informations- und Medieninhalte in allen Formaten effizient zuzugreifen, diese abzurufen, zu verstehen, zu evaluieren und zu benutzen, ebenso wie Informationen zu erstellen und zu teilen mittels verschiedener Hilfsmittel unter kritischen und ethischen Gesichtspunkten, um an privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Aktivitäten teilzunehmen.[2]

Wenngleich der Umstand, dass die heutige Studierendengeneration mit digitalen Medien aufgewachsen ist, den Schluss zulassen würde, dass diese besonders versiert im Umgang mit digitalen Informationen jeglicher Art sein müsste, deuten Untersuchungen auf das Gegenteil hin. So zeigen mehrere aktuelle Studien Schwächen in der Informationskompetenz unter Studierenden auf.[3] Darüber hinaus wird die Relevanz einer Ausbildung in Informationskompetenz auch von verschiedenen internationalen Organisationen hervorgehoben. So nennen das Europäische Parlament und der Europäische Rat Kernkonzepte der Informationskompetenz in ihrer Definition von Schlüsselkompetenzen für das lebensbegleitende Lernen.[4] Auch die International Federation of Library Associations and Institutions (IFLA) weist in einer gemeinsamen Erklärung mit der UNESCO auf die Wichtigkeit der Informationskompetenz für die Entwicklung einer modernen Wissensgesellschaft hin.[5]

Naheliegend wären daher flächendeckende Angebote zur Entwicklung der Informationskompetenz von Studierenden. Dies erscheint jedoch alleine schon aus Ressourcengründen an den einzelnen Hochschulen als Herausforderung. Diese Lücke könnten insbesondere Online-Angebote schließen. Aktuell gibt es bereits zahlreiche Online-Angebote zur Entwicklung der Informationskompetenz im weiteren Sinne. So gibt es beispielsweise Anleitungen zur Benutzerschulung auf Bibliotheks-Websites, Websites aus dem bibliothekarischen Umfeld zu der Thematik Informationskompetenz[6] und zahlreiche Lehrende stellen auf ihren Websites Informationen zu wissenschaftlichem Arbeiten zu Verfügung. All diese verstreuten Online-Ressourcen haben jedoch den Nachteil, dass sie keinen Kurscharakter aufweisen. Es benötigt bereits ein gewisses Problembewusstsein des Studierenden, um gezielt nach derartigen Hilfestellungen zu suchen.

Optimal erscheinen hierfür Kurse im Online-Format, insbesondere der Einsatz von MOOCs (Massive Open Online Courses). Das Konzept eines MOOC entwickelte sich aus der Open Educational Ressources-Bewegung und wurde im Jahr 2008 geprägt.[7] MOOCs weisen keine formalen Zugangsbeschränkungen auf und können von einer unbeschränkten Zahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmern absolviert werden. Sämtliche Lehrmaterialien werden über das Internet zu Verfügung gestellt und sind vergleichbar mit klassischen Präsenzkursen strukturiert. Gängige Bestandteile der Kurse sind Kurzvorlesungen, welche als Videos veröffentlicht werden, Foren zur Kommunikation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Quiz zur (Selbst-)Überprüfung von Wissen und teilweise auch die Vergabe von Zertifikaten.[8]

Der Einsatz von MOOCs zur Vermittlung von Informationskompetenz wurde bereits mehrfach in der Literatur angeregt.[9] Auch das neue Informationskompetenz-Framework der Association of College and Research Libraries (ACRL) empfiehlt explizit die Entwicklung moderner digitaler Schulungsangebote.[10] Ein Vorteil derartiger Angebote ist, dass diese eine große Zahl an Studierenden erreichen und auf vielfältige Weise eingesetzt werden können. MOOCs können sowohl von Studierenden selbstständig wie ein Kurs absolviert werden, gleichzeitig aber auch als Informationsquelle für spezifische Fragestellungen dienen. Verbunden mit rechtlichen und administrativen Hürden ist für die Absolvierung von MOOCs sogar die Vergabe von ECTS-Punkten möglich. Beispielsweise besteht an der Karl-Franzens-Universität Graz für Studierende die Möglichkeit, einen rein als MOOC auf der hauseigenen Plattform iMooX angebotenen Kurs im Rahmen der freien Wahlfächer zu absolvieren und hierfür nach einer elektronischen Präsenzprüfung ECTS-Anrechnungspunkte zu erhalten.[11] Zusätzlich können MOOCs auch teilweise oder vollständig in bestehende Lehrveranstaltungen integriert werden, beispielsweise nach dem Flipped-Classroom-Ansatz.[12]

Mittlerweile gibt es weltweit eine wachsende Zahl an MOOCs, die sich direkt oder indirekt der Thematik der Informationskompetenz widmen. Erste Beispiele gibt es auch bereits im deutschen Sprachraum.[13] Eine Analyse dieser Angebote zeigte vor allem zwei Schwachstellen auf: zum einen fehlt bei den Angeboten in der Regel ein Bezug auf fachspezifische Kontexte, zu anderen fehlen umfangreiche Assessment-Komponenten, die auch praktische Aufgabenstellungen umfassen. Ebenso besteht – wie bei MOOCs generell – immer eine gewisse lokale Prägung. Gerade in der Informationskompetenz ist dies jedoch besonders relevant, weil sich beispielsweise relevante Bibliotheksdienste und Datenbanken zwischen verschiedenen Ländern unterscheiden.

Vor diesem Hintergrund startete im November 2016 das Projekt Information Literacy Online – Developing Multilingual Open Educational Resources Reflecting Multicultural Aspects (ILO). Das Projekt mit einer Laufzeit von knapp drei Jahren wird im Rahmen der Erasmus+-Programmschiene Strategische Partnerschaften von der Europäischen Union gefördert. Neben der Karl-Franzens-Universität Graz, welche die koordinierende Funktion übernimmt, sind auch die City, University of London (UK), Universität Barcelona (ESP), Universität Zadar (CRO), Universität Ljubljana (SLO) sowie die Universität Hildesheim (DE) und das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DE) beteiligt. Die Abbildung 1 gibt einen Überblick über die wesentlichen Projektkomponenten und beteiligten Partner.

Abb. 1: Aufbau des Projekts ILO.
Abb. 1:

Aufbau des Projekts ILO.

Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines MOOC in den Sprachen aller beteiligten Partnerländer zur Vermittlung grundlegender Informationskompetenz auf dem Niveau für wissenschaftliches Arbeiten an Hochschulen. Auch wenn der Fokus hierbei auf Studierenden liegt, soll das Angebot für jeden zugänglich sein und somit auch das Life-Long-Learning der breiten Bevölkerung unterstützen. Durch die Entwicklung des Angebots in Englisch, Deutsch, Spanisch, Katalanisch, Slowenisch und Kroatisch sollen auch länderspezifische Besonderheiten Berücksichtigung finden. In Slowenien und Kroatien wird es einer der ersten MOOCs überhaupt sein.

Informationskompetenz enthält jedoch auch fachspezifische Prägungen und lässt sich insbesondere auch im fachspezifischen Kontext besonders effizient vermitteln[14] . Daher soll der entwickelte MOOC um fachspezifische Erweiterungen ergänzt werden können, wofür zwei exemplarische Vertiefungen für die Disziplinen der Wirtschaftswissenschaften und Psychologie entwickelt werden. Anhand dieser Erfahrungen wird ein Leitfaden produziert, der anderen Institutionen die Entwicklung weiterer fachspezifischer Vertiefungen erleichtern soll. Indem die fachspezifischen Erweiterungen in den MOOC modular integriert werden, ermöglicht dies eine flexible Verkettung der Vermittlung allgemeiner und fachspezifischer Informationskompetenz. Somit wird auch der flexiblere Einsatz in der Präsenzlehre erleichtert, beispielsweise um den MOOC in fachspezifische Lehrveranstaltungen zu integrieren. Zusammenfassend berücksichtigt das entwickelte MOOC-Angebot sowohl generische, als auch landes- und kulturspezifische sowie fachspezifische Dimensionen der Informationskompetenz (Abbildung 2) und hebt sich in dieser Hinsicht von anderen bisher bestehenden Angeboten ab.

Abb. 2: Im MOOC-Angebot repräsentierte Dimensionen der Informationskompetenz.
Abb. 2:

Im MOOC-Angebot repräsentierte Dimensionen der Informationskompetenz.

Ein weiteres innovatives Element des MOOC wird eine Assessment-Komponente darstellen, welche den Teilnehmern ermöglicht sich selbst zu evaluieren. Die Aufgabenstellungen werden hierbei sowohl als wissensbasierte Multiple-Choice-Fragen als auch als problembasierte Praxisbeispiele aufbereitet, die teilweise auch in simulierten Benutzeroberflächen gelöst werden müssen. Derartige Assessments werden an mehreren Stellen in den MOOC integriert. Die Assessment-Komponente wird basierend auf der Software CBA ItemBuilder entwickelt.[15]

Die MOOCs werden auf einer eigens entwickelten MOOC-Plattform veröffentlicht, die unter www.informationliteracy.eu verfügbar sein wird. Dies hat den Vorteil, dass die Software vollständig an die Projekterfordernisse angepasst werden kann – wie beispielsweise Mehrsprachigkeit und die Integration der Assessment-Komponente. Ebenso entfallen etwaige Nutzungsgebühren und etwaige Einschränkungen hinsichtlich der Lizenzierung der entwickelten Inhalte. Die MOOC-Plattform wird auf einer für das Projekt adaptierten Standard-Software basieren. Die Inhalte werden durch die einzelnen Projektpartner über eine eigene Oberfläche selbst eingepflegt, wobei diese bei der Videoproduktion von zentraler Seite unterstützt werden.

Die Inhalte sollen nach deren Entwicklung einer umfangreichen Evaluierung unterzogen werden. Hierbei wird zum einen der Wissenszuwachs der Teilnehmer evaluiert werden, zum anderen das Nutzungserlebnis. Die Evaluierungsergebnisse dienen als Basis für eine etwaige nochmalige Überarbeitung des entwickelten MOOC.

Ein besonderer Fokus liegt auf der Nachhaltigkeit der entwickelten Ergebnisse. Dies soll insbesondere dadurch sichergestellt werden, dass alle Materialien unter einer offenen Lizenz veröffentlicht werden. Sämtliche Materialen werden nicht nur in dem MOOC, sondern auch in einem Repository veröffentlicht, um diese möglichst niederschwellig auch für andere interessierte Lehrende zugänglich zu machen. Das MOOC-Portal wird auch nach Projektende weiter zu Verfügung stehen und den Projektpartnern weiterhin Aktualisierungen ermöglichen. Alle beteiligten Projektpartner streben an, den entwickelten MOOC auch in die eigene Lehre zu integrieren sowie im eigenen Umfeld zu bewerben. Hierbei sind auch Kooperationen mit bibliothekarischen Informationskompetenz-Initiativen denkbar. Informationen über den Projektfortschritt finden sich laufend auf www.informationliteracy.eu. Mitte 2018 ist mit einer ersten Pilotversion des MOOC zu rechnen.[16]

About the authors

Stefan Dreisiebner

Mag. Stefan Dreisiebner

Karl-Franzens-Universität Graz, Institut für Informationswissenschaft und Wirtschaftsinformatik, Universitätsstraße 15/F3, 8010 Graz, Österreich

Thomas Mandl

apl. Professor Dr. Thomas Mandl

Universität Hildesheim, Institut für Informationswissenschaft und Sprachtechnologie, Universitätsplatz 1, 31141 Hildesheim, Deutschland

Published Online: 2017-08-23
Published in Print: 2017-09-01

© 2017 by De Gruyter

Downloaded on 23.5.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/bd-2017-0083/html
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