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Publicly Available Published by De Gruyter Oldenbourg September 7, 2019

Die Mutter aller Kooperationsprobleme

  • Axel Ockenfels EMAIL logo and Christoph M. Schmidt

Abstract

The discussion of climate policy received new impetus in the spring of 2019. Since then the topic has dominated the public discourse in Germany. The Fridays for Future movement continues to generate considerable pressure on policy makers. In addition, scientists emphasize in rare interdisciplinary unanimity both how urgent a radical renewal in climate policy would be, and that a uniform price for greenhouse gas emissions is the indispensable core element of the necessary reforms in Germany and Europe. One central aspect of climate policy is, however, often overlooked in all this: climate protection is essentially an international problem of cooperation. For climate change, it does not matter where greenhouse gases are emitted. The success of national climate policy must therefore be judged by whether it contributes to establishing international cooperation to reduce global greenhouse gas emissions.

I. Nationale Klimapolitik mit Rückenwind

Neue Qualität. In wohl keiner anderen Volkswirtschaft hat die Fridays for Future-Bewegung eine derart mobilisierende Kraft entfaltet wie in Deutschland. Die Gründe dafür dürften vielfältig sein. Aber dass die deutsche Politik dem Thema Klimaschutz aktuell so eine große Aufmerksamkeit schenkt, liegt wohl nicht zuletzt an den mangelnden Erfolgen der deutschen Klimapolitik. Wenngleich die deutschen CO2-Emissionen in den vergangenen Jahren leicht gefallen sind, lässt ihre Entwicklung erwarten, dass ohne massive klimapolitische Reformen die für das nächste Jahrzehnt auf europäischer Ebene für die Bereiche Verkehr und Gebäude verbindlich vereinbarten Reduktionsziele massiv verfehlt werden.

Somit verwundert es nicht, dass bei der Debatte um die Zielerreichung meist die europäische und die darunter liegende nationale Handlungsebene im Mittelpunkt stehen. Allerdings hat sich die Natur der Diskussion ein wenig gewandelt: So wurde in den Jahren zuvor, in denen sich die unzureichende Natur der nationalen klimapolitischen Weichenstellungen bereits deutlich abzeichnete, vor allem diskutiert, wie durch eine stärker marktwirtschaftliche Ausrichtung ein Neustart der Klimapolitik gelingen könnte, der die Transformation zu möglichst geringen volkswirtschaftlichen Kosten bewerkstelligt.

Aus der Ökonomik kam dabei schon lange der Ruf, möglichst sektorübergreifend einen einheitlichen Preis für Treibhausgasemissionen ins Zentrum der Klimapolitik zu stellen. Die aktuelle Diskussion hat eine weitere Qualität hinzugewonnen, da nunmehr auch die Frage des mit der Zielerreichung gekoppelten sozialen Ausgleichs in den Blick gerückt ist.

Neuaufbruch. Noch vor der Sommerpause 2019 wurde eine Reihe umfassender wissenschaftlicher Gutachten zur Klimapolitik veröffentlicht (Edenhofer et al., 2019; Leopoldina, 2019; Sachverständigenrat, 2019; Wissenschaftlicher Beirat BMWi, 2019), begleitet von einem ungewöhnlich hohen Interesse in Politik und Öffentlichkeit. Diese Beiträge haben letztlich – zumindest mit Blick auf die mittlere Frist – die gleichen Schlussfolgerungen für die deutsche und europäische Klimapolitik gezogen:

  • Die kleinteilige Sektor-spezifische Perspektive der nationalen und europäischen Klimapolitik solle so rasch wie möglich aufgegeben und durch die Betrachtung der gesamten Treibhausgasemissionen ersetzt werden, um eine möglichst arbeitsteilige und somit kostengünstige Emissionsvermeidung zu ermöglichen.

  • In Europa sei die Bepreisung von Treibhausgasemissionen durch das bestehende Emissionshandelssystem (ETS) für Teile der Industrie und die Stromwirtschaft durch eine Bepreisung im Gebäude- und Verkehrssektor auszuweiten, um einen einheitlichen Preis für Emissionen zu etablieren.

  • Die aus der Bepreisung von Treibhausgasemissionen entstehenden zusätzlichen staatlichen Einnahmen seien transparent für die sozial ausgewogene Ausgestaltung der Entwöhnung von fossilen Energieträgern einzusetzen, die ansonsten untere Einkommensgruppen relativ stark belasten würde.

Drei Themen dominieren die Diskussion dieser Ergebnisse im politischen Raum. Erstens ist eine geeignete Übergangslösung für die Bepreisung der Emissionen der Sektoren Gebäude und Verkehr heftig umstritten. Im Raum stehen dabei insbesondere die Einführung eines separaten Emissionshandelssystems (indirekte Bepreisung) und die Erhebung einer CO2-Steuer (direkte Bepreisung). Unabhängig von der konkreten Wahl geht es dabei vor allem um die Bereitschaft und das Durchhaltevermögen der Politik, sich glaubwürdig an ein verlässliches System der CO2-Bepreisung zu binden.

Zweitens konzentriert sich der Diskurs stark auf die Frage des sozialen Ausgleichs. Doch die konkrete Wahl der Übergangslösung hat keine Konsequenzen für die Handlungsspielräume der öffentlichen Hand: Eine CO2-Steuer für Emissionen des Gebäude- und Verkehrssektors wird ebenso wie ein Emissionshandel für zusätzliche staatliche Einnahmen sorgen, die für eine Rückerstattung an die Bürger zur Verfügung stehen.

Drittens werden bisweilen Befürchtungen laut, die forcierte Bepreisung von Emissionen könne die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft beeinträchtigen. Dies ist auch im Prinzip richtig, und muss bei der Ausgestaltung der Politik eine Rolle spielen. Doch zum einen führen auch andere nationale Klimapolitiken, wie zum Beispiel die Förderung erneuerbarer Energien, zu einem (impliziten) CO2-Preis, der sogar bei gleichem Reduktionserfolg viel höher liegen dürfte und daher noch schädlicher ist. Zum anderen erleichtert eine explizite Bepreisung – wie wir weiter unten noch ausführen werden – internationale Koordination, so dass etwaige Wettbewerbsnachteile leichter verringert oder gar eliminiert werden können. Und schließlich können beim ETS bereits etablierte Mechanismen der Kompensation Abhilfe schaffen, zumal der Kreis der Unternehmen, die diese zusätzlichen Kosten nicht auf ihre Kunden überwälzen können, begrenzt ist.

Neuralgische Punkte. Allerdings lässt die öffentliche Diskussion – im Gegensatz zu den genannten Gutachten – einen entscheidenden Aspekt außer Acht: Das Klimaproblem ist im Kern ein Problem der internationalen Kooperation (Edenhofer und Ockenfels, im Erscheinen). Selbst eine neu konzipierte nationale und europäische Klimapolitik, die den oben skizzierten Anregungen folgt, wird den globalen Klimaschutz für sich genommen noch nicht voranbringen können. Dem globalen Trend stetig steigender Treibhausgasemissionen deutsche oder europäische CO2-Reduktionsziele entgegenzusetzen, kann wohl bestenfalls den Klimawandel ein wenig verzögern, zumal ein Teil der hierzulande eingesparten Emissionen lediglich in andere Regionen gelenkt wird.

In der Tat haben sich die globalen Emissionen trotz der Einsparungen der EU in den vergangenen Jahrzehnten massiv erhöht – und für das Klima ist es unerheblich, wo Treibhausgase emittiert werden. Es liegt für Deutschland nicht einmal in der eigenen Hand, die globalen CO2-Emissionen wirksam um die etwa 2 % zu reduzieren, die den globalen Anteil Deutschlands ausmachen. Selbst wenn Deutschland seine CO2-Emissionen im Stromsektor und anderen Sektoren im vergangenen Jahr auf Null gesenkt hätte, wären die globalen CO2-Emissionen weiter angestiegen – dies wäre sogar dann der Fall gewesen, wenn diese Einsparungen nicht über den Emissionshandel oder andere Mechanismen anderswo zu höheren Emissionen geführt hätten (siehe auch Sinn, 2008). Die deutsche und europäische Klimapolitik muss daher zuallererst danach beurteilt werden, wie sie die klimapolitischen Anstrengungen anderer Länder beeinflusst.

II. Global koordinierte Klimapolitik

Globales Dilemma. Der Klimawandel wird von allen Staaten und Individuen weltweit gemeinsam beeinflusst. Dadurch entsteht ein Dilemma: Kein Staat kann allein durch eigene Maßnahmen der Vermeidung sein ‚eigenes Klima‘ entscheidend beeinflussen. Er könnte vielmehr die Früchte seiner Anstrengungen nur zu einem kleinen Bruchteil genießen, müsste aber die anfallenden Kosten alleine tragen. Andere Staaten wiederum könnten als Trittbrettfahrer dieselben Früchte genießen, ohne einen Teil der Kosten zu übernehmen. So erklärt sich, dass eine kostspielige Klimapolitik in der Regel nicht im Eigeninteresse eines Staates liegt, dass aber zugleich alle Staaten von einer internationalen Kooperation profitieren könnten.

Ist das Pariser Klimaabkommen eine Lösung? Dort wurde erfolgreich ein globales Ziel für die Erderwärmung verhandelt. Dies aber reicht für sich genommen bei Weitem nicht aus. Denn die entscheidende Frage ist, wie dieses Ziel wirksam umgesetzt werden kann. Zur Illustration der Herausforderung sei fiktiv angenommen, die ganze Welt sei ein gemeinsamer Währungsraum und jedes Land könne in eigenem Ermessen beliebig viel Geld drucken. Dies würde sicherlich zu mehr Geldemissionen führen, als die Weltwirtschaft verträgt. Einigten sich die Staaten nun darauf, die globale Inflation nicht über 2 % steigen zu lassen, aber erlaubten jedem Staat weiterhin, unbegrenzt Geld zu emittieren, würde man von dieser Einigung kaum eine Wirkung erwarten, auch wenn sie mit großer Geste vorgestellt würde.

Ähnlich skeptisch zu beurteilen ist die tatsächliche Wirkung der Einigung von Paris, die globale Erwärmung bis zum Jahr 2100 auf unter 2 Grad zu begrenzen – aber jedem Staat weiterhin die Entscheidung zu überlassen, wie viel Treibhausgase er emittieren möchte. Sicher wird sich so mancher (eher wohlhabende) Staat nun etwas disziplinieren. Aber offensichtlich reicht die Verkündung eines globalen Ziels nicht, das Trittbrettfahrerproblem zu lösen und die globalen Emissionen effektiv zu beschränken. Tatsächlich würden die aktuellen Pläne der Staaten – selbst wenn sie vollständig umgesetzt würden – nicht einmal annähernd dazu führen, das globale Klimaziel zu erreichen (Rogelj et al., 2016; IPCC, 2018).

Globale Kooperation und Reziprozität. Es stellt sich also die Frage, wie auf der globalen Ebene eine effektive, gemeinsame Verpflichtung zur Reduktion von Treibhausgasen erreicht werden kann. Als Vorreiter aufzutreten, ist nicht unbedingt erfolgversprechend: Der Versuch, andere Staaten zu einer ehrgeizigeren Reduktion der Treibhausgasemissionen zu bewegen, indem man freiwillig größere Anstrengungen unternimmt, als in internationalen Verträgen vereinbart wurde, dürfte eher Trittbrettfahrerverhalten befördern. Es wäre sogar töricht, den Willen, größere nationale Anstrengungen zu unternehmen, nicht in die internationalen Verhandlungen einzubringen (siehe auch Hoel, 1991; Wissenschaftlicher Beirat BMF, 2010).

Sinnvoller könnte es sein, bei der Umsetzung der vereinbarten Ziele als Vorbild zu wirken. Sie würde erfordern, die Ziele nicht nur wirksam im vereinbarten Zeitrahmen zu erreichen, sondern auch noch zu geringen volkswirtschaftlichen Kosten und ohne größere gesellschaftliche Verwerfungen. Dieses Vorbild könnte andere Staaten ermutigen, sich ebenfalls ehrgeizige Vermeidungsziele zu setzen. Deutschland könnte demonstrieren, dass dies für eine wirtschaftlich hoch entwickelte und fossile Energie bislang intensiv nutzende Volkswirtschaft möglich ist. Aber wer trotz hohem Finanzeinsatz seine nationalen Ziele massiv verfehlt und gleichzeitig auf globaler Ebene keine Wirkung erzielt, dient international eher als abschreckendes Beispiel.

Was also führt zu Kooperation? Die Theorie, Empirie und Laborforschung der Kooperationsforschung zeigt unmissverständlich, dass die zentrale Voraussetzung für Kooperation Reziprozität ist (siehe zum Beispiel Ostrom, 1990, McKay et al., 2015). Reziprozität, also Leistung gegen Gegenleistung, schützt einen Staat gegen Trittbrettfahrer, und sie schafft zugleich Anreize für Kooperation aufseiten derjenigen Staaten, die sich ansonsten als unwillig erweisen, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Jede erfolgreiche internationale Kooperation stützt sich auf Reziprozität. Es geht letztlich darum, durch den geschickten Einsatz von eigenen verbindlichen Zusagen Zug um Zug auch andere zu einer verbindlichen Kooperation zu bewegen.

Aufgrund der höheren Verwundbarkeit der weniger wohlhabenden Volkswirtschaften dürfte für sie ein großes internationales Interesse bestehen, durch Anbieten von Reziprozität Deutschland und die EU beim globalen Klimaschutz einzubinden. Deutschland und die EU könnten wiederum die Aussichten auf das Zustandekommen einer ambitionierten koordinierten Strategie für den Klimaschutz dadurch verbessern, dass sie die Teilnahme daran mit finanziellen Anreizen verknüpfen. Diese könnten etwa der Zugang zum gemeinsamen Markt oder zu den Transfers aus einem Klimafonds sein.

Gegenüber anderen entwickelten Volkswirtschaften könnte die Forderung zur Teilnahme an der globalen klimapolitischen Strategie Teil der Verhandlungen von Freihandelsabkommen sein. Ultimativ sind aber nicht nur reziproke Belohnungen denkbar, sondern auch reziproke Bestrafungen für Trittbrettfahrer, etwa durch die Erhebung von Zöllen auf Staaten außerhalb eines „Climate Club“ (Nordhaus2015).

Globale Mengensteuerung? Doch auf welche Art von gemeinsamer Verpflichtung soll das Prinzip von Leistung und Gegenleistung bei der internationalen Klimapolitik beruhen? Eine auf den ersten Blick naheliegende Option bestünde darin, auf Basis von Schätzungen aus Klimamodellen globale Mengenziele für die künftig noch zulässigen Treibhausgasemissionen festzulegen und dieses Gesamtbudget auf nationale Emissionsbudgets aufzuteilen.

Naheliegend erschiene diese Lösung schon deshalb, weil sie es erlauben würde, durch die Zuteilung mehr oder weniger anspruchsvoller Mengenziele globale Verteilungsfragen gleich mit in den Blick zu nehmen. Wäre es darüber hinaus noch möglich, ein globales Handelssystem für Emissionsrechte zu etablieren, dann wäre die Frage der kosteneffizienten Aufteilung der Vermeidungsmaßnahmen direkt gelöst und das Problem der Verteilung der Lasten der Emissionsreduktion ließe sich durch eine geeignete Erstausstattung mit Emissionsrechten angehen.

Doch bei näherer Betrachtung erweist sich dieses Vorgehen als nicht umsetzbar. Die Aussagen selbst der besten klimapolitischen Modelle sind mit großer Unsicherheit behaftet, so dass allein die konsensuale Festlegung eines übergreifenden Emissionsbudgets schwerfallen dürfte. Noch schwerer dürfte es werden, die nationalen Emissionsbudgets – und somit die nationalen Erstausstattungen mit Emissionsrechten – so daraus abzuleiten, dass die jeweiligen historischen, politischen und wirtschaftlichen Besonderheiten des jeweiligen Staates angemessen berücksichtigt werden.

Der letztlich gescheiterte Kyoto-Prozess hat nachdrücklich gezeigt, dass die Aufteilung eines globalen Mengenziels auf nationale Verpflichtungen nicht funktioniert, weil sich in den Verhandlungen Effizienzziele, strategische Interessen und Gerechtigkeitsvorstellungen miteinander vermischen. Es hat trotz zahlreicher, jahrelanger Versuche niemals eine Einigung zur Aufteilung einer globalen Emissionsmenge gegeben. Nicht einmal auf Aufteilungsprinzipien hat man sich einigen können. Und selbst wenn dies gelänge, wäre die im praktischen Vollzug erforderliche regelmäßige Überwachung der vertragstreuen Umsetzung der Mengenziele schwierig. Um in Verhandlungen auf der globalen Ebene wirksam voranzukommen, wird also ein pragmatischeres Abkommen benötigt.

Globaler CO2-Preis. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen schlägt eine Reihe von Ökonomen vor, sich weltweit lediglich auf einen einheitlichen Preis für Treibhausgasemissionen zu einigen (siehe Cramton et al., 2017a, und die dort erschienenen Arbeiten). Anstelle des einen großen Wurfs bei der Festlegung eines globalen Emissionsbudgets ließen sich Verhandlungen über einen globalen CO2-Preis ausdrücklich als iterativer Prozess gestalten, bei dem der verhandelte Preis je nachdem, welche Emissionsreduktion bislang erreicht wurde und welche neueren klimawissenschaftlichen Ergebnisse sich ergeben, in nachfolgenden Verhandlungsrunden verhältnismäßig leicht angepasst werden kann. Probleme der globalen Verteilung, die bei einem einheitlichen CO2-Preis aufgrund der weltweit vermutlich recht unterschiedlichen Vermeidungskosten auftreten dürften, müssten durch die Aushandlung von Transfers gelöst werden, umgesetzt etwa über einen globalen Klimafonds.

Diese Vorgehensweise ließe den einzelnen Vertragspartnern zudem eine große Freiheit bei der Wahl des Umsetzungsweges. Denn ob die Umsetzung des einheitlichen Preises dann direkt, über eine Steuer, oder indirekt, durch einen Emissionshandel, angestrebt würde, bliebe jeder Region selbst überlassen. In jedem Falle würden die aus dem Umsetzungsmechanismus erwachsenden staatlichen Einnahmen in der jeweiligen Gebietskörperschaft verbleiben und stünden somit dort nicht zuletzt dafür zur Verfügung, die Transformation des Energiesystems sozial ausgewogen zu gestalten. Die einzige Bedingung, welche die Vertragspartner erfüllen müssten, wäre es sicherzustellen, dass die durchschnittliche Belastung von CO2 innerhalb der Region mindestens dem vereinbarten globalen Preis entspricht.

Ein global verabredeter Preis für Treibhausgasemissionen kann also einen Ausweg aus dem globalen Kooperationsproblem bieten, denn er erlaubt nicht nur nationale Flexibilität bei der Umsetzung, sondern macht nationale Anstrengungen objektiv vergleichbar und erlaubt so Transparenz und Kontrolle. Er erleichtert zudem gegenseitige Bestrafungen und Belohnungen für das Einhalten oder Nichteinhalten der gemeinsamen Verpflichtung, ohne die ein Zustandekommen von stabilen Kooperationen nicht erreichbar ist. Insgesamt könnte der Einstieg in eine einheitliche Bepreisung von CO2 somit nicht nur die Effizienz der nationalen Klimapolitik fördern, sondern – vielleicht noch viel wichtiger – wirksam dazu beitragen, die Mutter aller Kooperationsprobleme und damit den Kern des Klimaproblems zu lösen (siehe auch Wissenschaftlicher Beirat BMWi 2016, Cramton et al., 2017b und 2017c; Schmidt und Ockenfels, 2019).

III. Der Weg nach vorne

Oberflächlich betrachtet könnte die Forderung, einen Preis in den Mittelpunkt der Verhandlungen um globalen Klimaschutz zu stellen, im Widerspruch zu der Schlussfolgerung der oben genannten aktuellen wissenschaftlichen Stellungnahmen zum Neuaufbruch in der Klimapolitik stehen. Denn dort wird regelmäßig ein umfassender Emissionshandel, also eine Mengensteuerung, als mittelfristig anzustrebende klimapolitische Strategie dargestellt. Doch da eine Mengensteuerung lediglich eine indirekte Form der CO2-Bepreisung darstellt, bei der ebenso wie bei der direkten CO2-Bepreisung durch eine Steuer alle Verhaltensänderungen letztlich durch den CO2-Preis induziert werden, gibt es einen solchen Widerspruch nicht.

Um einen bestimmten Preis garantieren zu können, kann zudem in einem Emissionshandelssystem ein Mindestpreis eingerichtet werden, etwa durch die Festlegung eines Auktionsreservepreises oder die Einführung einer CO2-Preisstützung. Ob die Einführung eines Mindestpreises beim Emissionshandel notwendig ist, wird ohnehin diskutiert, weil er die Sicherheit für Investoren erhöhen, die politische Glaubwürdigkeit des EU-ETS stärken und zusätzliche nationale Maßnahmen wie den Kohleausstieg klimapolitisch erst wirksam machen könnte.

Vor dem Hintergrund des hier diskutierten globalen Kooperationsproblems könnte die reziproke Einführung eines Mindestpreises beim Emissionshandel im Zuge internationaler Verhandlungen dazu beitragen, eine mindestens zu verwirklichende Bepreisung von Treibhausgasen gemeinsam verpflichtend festzulegen und so den jahrzehntelangen Stillstand internationaler Klimakooperation aufzulösen. Das Bemühen darum, die nationale und europäische Klimapolitik durch eine geeignete, reziproke Kooperationsstrategie in eine wirksame globale Klimapolitik einzubetten, sollte für die deutsche Politik höchste Priorität haben.

Anmerkung

Wir bedanken uns bei Wolf Reuter für hilfreiche Kommentare. Ockenfels bedankt sich beim European Research Council (ERC) für finanzielle Unterstützung (grant agreement No 741409 – EEC).

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Published Online: 2019-09-07
Published in Print: 2019-08-01

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 24.5.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zfwp-2019-2017/html
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