Abstract
Aktuelle politische und wissenschaftliche Debatten zum Schweizer Arbeitsmarkt fokussieren insbesondere auf den sogenannten Fachkräftemangel. Aufgrund dieser Fokussierung fehlt bislang weitgehend Wissen dazu, wie für Arbeitsplätze ohne formale Qualifikationsanforderungen in der Schweiz Arbeitskräfte rekrutiert werden. Basierend auf einer qualitativen Studie geht der vorliegende Artikel dieser Frage nach. Die Resultate des Artikels zeigen, dass Sprachfähigkeiten, körperliche Konstitution, Leistungsbereitschaft und Identifikation mit dem Unternehmen eine bedeutende Rolle im Rahmen der Rekrutierung spielen. Diese Anforderungskriterien lassen sich allerdings nur schwer anhand von Bewerbungsunterlagen oder in Vorstellungsgesprächen feststellen. Vor diesem Hintergrund gewinnen messbare Selektionskriterien wie Alter, Geschlecht, Herkunft und Berufsabschlüsse an Relevanz. Außerdem setzen Betriebe im Rahmen der Rekrutierung auf Probearbeitstage und andere „Tests“ oder rekrutieren vornehmlich über den (erweiterten) internen Arbeitsmarkt. Dies sind zentrale Erkenntnisse für die Unterstützung von erwerbsarbeitslosen Menschen im Rahmen der sozialstaatlichen Arbeitsintegration.
Abstract
Current academic and political debates on the Swiss labour market focus on the shortage of qualified workers. This focus has led to a lack of knowledge about jobs without formal qualification requirements. Based on a qualitative study this article examines the question, how companies recruit employees for jobs without formal qualification requirements. The results emphasize that the core hiring criteria are language capabilities, physical condition, commitment to achievement and identification with the company. However, companies face difficulties assessing these criteria based on application documents or job interviews. Against this background, measurable selection criteria such as age, gender, origin and apprenticeship are more relevant. In addition, companies rely on trial working days and other “tests” or recruit primarily on (extended) internal labour markets. These results are particularly important to adequately support unemployed people in Switzerland.
About the authors
Benedikt Hassler, M. A ist Soziologe und seit 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz. Seine Schwerpunktthemen liegen in den Bereichen Arbeitsmarkt und Sozialpolitik.
Lea Widmer ist Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin (M. A.). Seit 2015 ist sie Projektmitarbeiterin in Forschungsprojekten an der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz. Ihre Forschungsinteressen liegen in den Bereichen der Arbeitsintegration von Personen mit einem erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt sowie in der Erhaltung der Erwerbsfähigkeit von (älteren) Beschäftigten.
Dr. Thomas Geisen ist Professor für Arbeitsintegration und Eingliederungsmanagement/Disability Management an der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten, Schweiz. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Arbeit und Migration. Er ist in den Bereichen Ausbildung, Weiterbildung, Forschung und Entwicklung und Dienstleistungen tätig.
Prof. Dr. Nathalie Amstutz ist Dozentin am Institut für Personalmanagement und Organisation der Hochschule für Wirtschaft, Fachhochschule Nordwestschweiz, wo sie in Forschung, Lehre und Weiterbildung tätig ist. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Gender- und Diversitätsstudien, Diversitätsmanagement und Organisationskultur. Sie leitet die Weiterbildung CAS Diversity- und Gleichstellungskompetenz und engagiert sich u. a. im Think Tank Gender & Diversity der Schweizer Hochschulen.
Nico Scheidegger, M. A., ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Zentrum professionsbezogene Weiterbildung und Beratung am Institut Weiterbildung und Beratung der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz tätig. Seine Schwerpunktthemen liegen in den Bereichen Kompetenzentwicklung in Bildungsprozessen, Weiterbildungsplanung sowie Führen in Bildungsinstitutionen.
Nadine Wenger, lic. phil., ist Sozialanthropologin (und Erziehungswissenschaftlerin) und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Bildungswissenschaften IBW der Universität Basel. Ihre Forschungs- und Interessensschwerpunkte liegen im Bereich Gleichstellung und Diversity in der Bildung, Berufsbildung und Erwerbsarbeit.
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