Zusammenfassung
Der blinde Fleck der Soziologie in Bezug auf Emotionen liegt keineswegs in einer schlichten Ignorierung von Emotionen, sondern darin, dass Emotionen als etwas Präsoziales oder Präkulturelles aufgefasst werden, also ihr genuin sozialer Charakter nicht erkannt wird. In der Sprache Luhmanns: Emotionen gelten als Teil der Umwelt des sozialen Systems. Was damit ausgeblendet wird, sind die affektiven Prozesse und Strukturen sozialer Systeme, der affektive Aufbau der sozialen Welt. Der Grund liegt in einer essentialistischen Definition der Soziologie und ihrer daraus abgeleiteten Grundbegriffe. Im Falle Luhmanns ist es die definitorische Bindung der elementaren sozialen Operation Kommunikation an Sinn und konsequenterweise der sozialen Struktur an Semantik. Die Bedingung der Möglichkeit der Wahrnehmung von Emotionen als soziale Phänomene besteht in einer begrifflichen Differenzierung, die am Beispiel von Simmeis Form/Inhalt-Unterscheidung und Parsons’funktionaler Definition des »Handlungssystems« demonstriert wird. Im Anschluss an die Parsons’schc Theorie wird weiters durchaus im Sinne des für Luhmann zentralen Autopoiesis-Konzeptes dafür argumentiert, Affektivität als eine strukturell unabhängige Komponente sozialer Kommunikation /Handlung zu begreifen.
© 2004 by Lucius & Lucius, Stuttgart