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05.10.2020 | Logistik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Corona-Impfstoff fordert Logistik heraus

verfasst von: Andrea Amerland

4:30 Min. Lesedauer

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Die Hoffnungen, noch 2020 über einen sicheren Corona-Impfstoff zu verfügen, sind groß. Doch noch sind nicht alle Probleme rund um ein Vakzin gelöst. Diese sind nicht nur medizinischer, sondern auch logistischer Natur, zeigt eine DHL-Studie. 

Beim Pharmaunternehmen Biontech läuft bereits in den Werken Mainz und Idar-Oberstein die Produktion des RNA-basierten und weltweit ersten Covid-19-Impfstoffs – vom umstrittenen russischen Impfstoff "Sputnik" einmal abgesehen. Die Zulassung des Vakzins könnte nur noch wenige Wochen dauern. Aber es gibt weitere Hürden, die erst überwunden werden müssen. Und dabei handelt es sich um die Frage, wie der Impfstoff aus der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt und dem Hunsrück zu Patienten auf der ganzen Welt gelangt.

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Covid-Impfstoff sorgt für Strukturveränderungen in Logistik 

Denn um die weltweite Versorgung mit Corona-Impfstoffen sicherzustellen, könnten rund 200.000 Paletten-Transporte, 15 Millionen Lieferungen in Kühlboxen sowie 15.000 Flüge unter besonderen Temperaturanforderungen erforderlich sein, hat eine Studie des Logistikunternehmens DHL in Kooperation mit der Beratung McKinsey herausgefunden. Das stellt Regierungen, aber auch die Logistikbranche vor große Herausforderungen beziehungsweise Strukturveränderungen. 

"Im System Produktion sind solche Strukturveränderungen als Reaktionen auf externe Einflussfaktoren wie die Corona-Pandemie (Turbulenzen) und interne Veränderungen im Prozessablauf, in der Organisation, der Analytik und der Logistik erforderlich", schreiben Hartmut Frey, Engelbert Westkämper und Dieter Beste in "Wie das Coronavirus Sars-Cov-2 die Schwächen der Globalisierung offenlegt" (Seite 22).

Vakzin-Transport bei bis zu minus 80 Grad Celsius

Um die empfindlichen Impfstoffe, die auf der sogenannten Messenger-RNA (mRNA) basieren, zu lagern, sind Kühlschränke beziehungsweise Kühlhäuser notwendig, die auf bis zu minus 80 Grad heruntergekühlt werden können. Bislang waren für die Verteilung von Impfstoffen Temperaturen zwischen zwei Grad und acht Grad Celsius branchenüblich. Für den Transport bedarf es zudem Kühlboxen, die mit Trockeneis oder gefrorenem Kohlendioxid gekühlt werden sowie einer geschlossenen Kühlkette, damit die schnell entwickelten, aber nicht auf Haltbarkeit optimierten und daher hoch empfindlichen Präparate keinen Schaden nehmen. Dass für das Personal in den Kühlhäusern auch noch Schutzkleidung erforderlich ist, gehört zu den Hausaufgaben, die die Logistikbranche teilweise noch machen muss. 

"Die Arbeiten zur Verbesserung der Lieferkette für Medizinprodukte sind noch lange nicht abgeschlossen”, erklärt Post-Chef Frank Appel im Vorwort der Studie. Damit das Supply Chain Management rund um die Auslieferung des Covid-19-Impfstoffes reibungslos funktioniere, müssen Logistikunternehmen, Regierungen und NGOs eng zusammenarbeiten. 

Pandemien logistisch bewältigen

Basierend auf der Studie schlägt DHL fünf Maßnahmen vor, um die aktuelle und auch künftige Pandemien logistisch bewältigen zu können:

  • Einen Notfallplan erstellen: Darin sollte festlegt werden, welche Vorkehrungen im Notfall entlang der gesamten Lieferkette getroffen werden müssen. Dazu zählen unter anderem die Erfassung von Echtzeit-Daten und die Benennung von Entscheidungs-Einheiten für den Krisenfall.
  • Kooperationsnetzwerke bilden: Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor haben sich bereits seit Beginn der Corona-Krise bewährt, um Versorgungsengpässe zu beenden. Diese könnten nach Einschätzung von DHL auch in Zukunft stabilisierend wirken.
  • Eine physische Logistikinfrastruktur schaffen: Um einen Bestand an kritischen Vorräten zu gewährleisten, sollte für ausreichend Kapazitäten an Lager- und Transportmöglichkeiten gesorgt werden.
  • IT-fähige Transparenz der Lieferkette herstellen: Nur IT-gestützt kann die Lieferkette transparenter werden. Dazu sollten nach Ansicht der Studienautoren Echtzeit-Daten auswertbar sein. So könnten Nachfragepeaks vorausschauend bewältigt werden.
  • Organisation und Ressourcen prüfen: Um in einer Krisensituation schnell und klar zu entscheiden, muss ein Krisenstab mit klarem Aktionsradius eingerichtet werden. 

IT-gestützte Logistik für bessere Supply Chain Collaboration

Neben Fragen der Kühlung und der Arbeitssicherheit kommen Logistikunternehmen, die Corona-Impfstoffe auf der Welt verteilen, um ein IT-gestütztes Logistiksystem nicht herum. Nur mithilfe von intelligenter Software wird sich die komplexe globale Nachfrage erfolgreich koordinieren lassen. 

Doch ein IT-gestütztes Supply Chain Management mit Blick auf die Partner zu entwickeln, ist kein Kinderspiel und bedarf eines Handlungskonzepts, um die Interessen aller Beteiligten optimal aufeinander abzustimmen, urteilt Iris Hausladen, die den Heinz Nixdorf-Lehrstuhl für IT-gestützte Logistik inne hat. Die Springer-Autorin zeigt im Buchkapitel "IT-gestütztes Logistiksystem" Wege aus der Forschung auf, mit deren Hilfe sich die Supply Chain Collaboration verbessern lässt. Die Grundlage dafür ist für die Expertin ein Ordnungsraster der E-Logistik, wie die nachfolgende Abbildung zeigt.


Für Impfstoff ist Auswahl der Logistikdienstleister schwierig

Für Regierungen stellt sich hingegen die Frage, nach welchen Kriterien sie idealerweise einen Logistikdienstleister auswählen sollten. Laut der Springer-Autoren Wolfgang Leitner, Tamara Tschreppl und Paulus Krumpel sind bei Logistik, Transport und Lieferbedingungen folgende Qualitätsmerkmale wichtig: 

  • Kompetentes Management
  • Vertrauenswürdige und qualifizierte Mitarbeiter
  • Größere Effizienz durch Professionalität, Erfahrung und Spezialisierung
  • Synergien durch bessere Auslastung, Mehrfachnutzung und Bündelung der Ressourcen
  • Günstiges Personalkostenniveau
  • Leistungsfähige Steuerungs-, Informations- und Kommunikationssysteme
  • Günstige Beschaffungsmöglichkeiten für Einzelleistungen am Logistik- und Transportmarkt
  • Hohe Flexibilität und gute Ausgleichsmöglichkeiten für Spitzenlasten und kurzfristige Bedarfsschwankungen

In jedem Fall betreten Transporteure wie Politik bei der Logistik von Corona-Impfstoffen Neuland. Laut DHL-Studie verfügen weltweit nur 25 Länder über "fortschrittliche Logistiksysteme". Die Studien-Autoren fordern daher für Logistikunternehmen eine Zertifizierung für den Transport und die Lagerung von Life-Science-Produkten. Nur so könne etwa eine reibungslose Zollabfertigung gelingen. Tatsächlich wären die Folgen bürokratischer Pannen gravierend, wenn Corona-Impfstoffe an den Landesgrenzen verderben. Dadurch entstünden nicht nur Kosten. Im schlimmsten Fall wird das Pandemiegeschehen negativ beeinflusst und kostet mehr Menschenleben als nötig.

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