Bei vielen Unternehmen steht das Thema Nachhaltigkeit oben auf der Agenda. Dennoch fehlen bislang passende Logistik-Angebote. Dies hat eine Studie bei europäischen Unternehmen ergeben, die auf Logistikdienstleister zurückgreifen.
Wie genau kann nachhaltige Logistik aussehen? Und wie viel sollten grüne Lieferketten kosten? Fragen, die bis heute nicht wirklich beantwortet werden konnten. Aus der Studie Green Logistics, die von der Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners umgesetzt wurde, geht hervor, dass gerade einmal 31 Prozent der befragten Unternehmen auf Nachhaltigkeit bei der Auswahl des passenden Logistikdienstleisters achten.
Interessant ist, dass 55 Prozent der Befragten das Thema Nachhaltigkeit als grundsätzlich wichtig einschätzt und dabei jedoch vor allem die eigens verursachten Emissionen betrachtet. Befragt wurden hierzu im August 2021 100 Unternehmen in Europa.
Green Logistics im E-Commerce-Boom
Gerade die Pandemie und der Lockdown haben einen riesigen Boom des E-Commerce ausgelöst. Mehr und mehr Produkte wurden online bestellt, auch jene, die normalerweise in physischen Shops gekauft wurden. Wie also kann in einer Zeit des Internetbooms und Onlinekaufbooms die Versandkette grün gestalten werden?
"Die Logistik ist in Deutschland der größte Wirtschaftsbereich nach der Automobilwirtschaft und dem Handel. Sie rangiert noch vor der Elektronikbranche und dem Maschinenbau und übertrifft mit rund drei Millionens dessen Beschäftigtenzahl um das Dreifache." Das erklärt Springer-Autor Roland Pfennig im Buchkapitel "Nachhaltige Logistik als Säule eines integrierten Nachhaltigkeitsmanagement" aus dem Buch "Nachhaltiges Management" (Seite 581). Dabei wird klar, wie wichtig eine grüne Entwicklung innerhalb der Logistik-Branche ist – doch wie kann dies umgesetzt werden?
Springer-Autor Carsten Deckert hat sich im Buchkapitel "Nachhaltige Logistik – Verbesserte Ressourcennutzung und Umweltverträglichkeit durch Green Logistics und City-Logistik" aus dem Buch "CSR und Logistik" mit dem Thema auseinandergesetzt und erklärt Folgendes (Seite 3): "Die Aufgabe der grünen Logistik besteht darin, die richtige Menge der richtigen Objekte am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Qualität zu den richtigen Kosten unter möglichst geringem Ressourcenverbrauch und möglichst geringen Emissionen zur Verfügung zu stellen." Doch ist dieser Gedanke bereits bei den Unternehmen in Europa angekommen?
Nachhaltigkeit eine Frage der Kosten
Laut der Studie gibt es für das mangelnde Interesse an grünen Lieferketten zwei gute Gründe: Zum einen gibt es generell einen Mangel an konkreten Angeboten innerhalb der Logistikbranche. Zum anderen liegen die Kosten weiterhin weit über den gängigen Preisen nicht-grüner Alternativen.
Gleichzeitig reichen die meisten Maßnahmen bisher nicht dazu aus, um eine wirkliche Klimaneutralität zu erreichen. Genau deswegen sind weiterhin Kompensationslösungen für Emissionen als Top-Priorität zu verstehen. Die Studie zeigt, dass die Befragten bei der Maßnahmenergreifung bisher noch keine klare Präferenz haben, sondern drei grundsätzlich unterschiedliche Maßnahmen als ähnlich wichtig erachten:
- 28 Prozent der Befragten bewerten die Vermeidung von Emissionen als wichtigste Maßnahme
- 20 Prozent stufen Kompensationsmaßnahmen als wichtig ein
- 20 Prozent sehen "Greenwashing" durch Zertifikat-Handel als potenzielle Möglichkeit
Kunden wünschen grüne Standardprodukte
Während Händlerinnen und Händler noch an Maßnahmen feilen, ist sich ein großer Teil der Kunden bereits einig: Einfache Lösungen, wie einheitliche grüne Standardprodukte (40 Prozent) müssen her, während eine Auswahlmöglichkeit durch freiwillige CO₂-Zuschläge oder Produktvarianten mit unterschiedlichem CO₂-Fußabdruck eher abgelehnt werden.
Fazit: Es herrscht großer Nachholbedarf
Was jedoch klar wird ist, dass ein enormer Nachholbedarf innerhalb der Logistikbranche in Bezug auf nachhaltige Alternativen herrscht. Sowohl bei der Zielsetzung als auch beim proaktiven Verkauf nachhaltiger Logistiklösungen dominiert der Mangel. "Die Kosten für mehr Nachhaltigkeit müssen aufgrund der insgesamt geringen Margen in der Logistikbranche auch an die Kunden und/oder Endkunden weitergegeben werden", konstatiert Kornelia Reifenberg, Partnerin im Bereich Logistik bei Simon-Kucher.
Die entscheidende Frage sei, ob Kunden bereit sind, künftig höhere Preise für grünere Logistik zu bezahlen – ansonsten seien die Regierungen gefordert, ihre Regulierungen zu verschärfen. "'Einpreisen' wird jedenfalls in der Logistik kaum möglich sein", so Reifenberg.