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09.07.2020 | Logistik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Neustart für das Supply Chain Management?

verfasst von: Annette Speck

4:30 Min. Lesedauer

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Die Corona-Krise hat die Schwachstellen in den weltweiten Lieferketten offengelegt. In der Folge wird nun das Supply Chain Management (SCM) vielerorts überdacht. Es gibt einige Stellschrauben, an denen gedreht werden kann.

Für viele Globalisierungskritiker sind die weltweiten Lieferprobleme während der Covid-19-Pandemie Wasser auf ihre Mühlen. Gepaart mit Berichten etwa über verschwundene oder umgeleitete Lieferungen dringend benötigter Atemschutzmasken, befeuert die Krise nicht nur den Ruf nach mehr heimischer Produktion von wichtigen Gütern. In der Kritik stehen zudem die oftmals geringe Lagerhaltung sowie die Abhängigkeit von wenigen Lieferanten.

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Gefahr in Lieferketten erkannt und gebannt?

Mittlerweile sehen offenbar auch zahlreiche Industrie-Unternehmen Verbesserungsbedarf. Zu diesem Schluss kommt unter anderem die Studie "Neustart nach dem Shutdown 2020" der Unternehmensberatung Staufen AG nahe. Demnach räumen nämlich 30 Prozent von mehr als 730 befragten Unternehmen aus Deutschland, USA, China, Brasilien, Mexiko, Schweiz, Italien sowie Central Eastern Europe größere Probleme mit ihrer Supply Chain ein. Ausgelöst durch die unterbrochenen Wertschöpfungsketten wollen die Befragten künftig vor allem zusätzliche Lieferanten suchen und ihre Lieferketten stärker steuern. Darüber hinaus planen 36 Prozent den Aufbau von Lagerbeständen, ein Viertel strebt eine größere Fertigungstiefe an.

"International vernetzte Lieferketten werden auch in Zukunft die Produktion bis hin zur Distribution bestimmen. Die verschiedenen Prozesse werden künftig aber noch stärker aufeinander abgestimmt“, glaubt Thomas Schlösser, Senior-Partner der Staufen AG. Um die zunehmende Komplexität in den Griff zu bekommen, seien eine intelligente Steuerung aller teilnehmenden Partner in der Prozesskette nötig sowie eine kooperativere Netzwerkstruktur. Außerdem müsse die Wertschöpfungskette ganzheitlich betrachtet werden, was auch ein netzwerkorientiertes Risikomanagement beinhalte.

Verschiebungen in den Beschaffungsmärkten

Die Wichtigkeit der Stabilisierung und Ausweitung der Lieferantennetze für die Industrie bestätigt eine Umfrage von Abels & Kemmner und der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Fertigung (AWF) unter 250 deutschen Unternehmenslenkern und Supply-Chain-Experten im April 2020 zum Supply Chain Management nach Corona. Derzufolge erwartet die Mehrheit der Befragten, dass ...

  • die Materialversorgung in den nächsten Wochen schwankend und unsicher bleibt (77 Prozent)
  • die Insolvenz von Lieferanten zu Versorgungsproblemen führen wird (64 Prozent)
  • die internationalen Transportkapazitäten zwischen Europa und den USA bzw. Fernost noch einige Wochen knapp und teuer bleiben (80 Prozent)

Vor diesem Hintergrund sehen zwei Drittel der Befragten denn auch eine steigende Bedeutung der europäischen und nationalen Beschaffungsmärkte. Die Analysten von Abels & Kemmner und AWF gehen daher in punkto Beschaffung von einer Verlangsamung oder sogar einem Rückgang des Globalisierungstrends aus.

Neuer Protektionismus für Lieferketten nicht hilfreich

Auch der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft (idw) rät angesichts der zutage getretenen Probleme dazu, die Lieferketten anzupassen, warnt aber davor, sie zu zerstören. Dem idw zufolge importierte Deutschland auch 2019 schon den größten Teil seiner Vorleistungsgüter (62 Prozent) aus EU-Ländern. Die Corona-Krise solle nicht zu neuem Protektionismus führen und "die zuletzt ohnehin gefährdeten Erfolge der Handelsliberalisierung weiter infrage stellen", mahnt das Institut.

Problemanalyse für Supply Chain Management

Doch wie geht man an die Umstrukturierung des bisherigen Supply Chain Managements heran? Hierzu haben Ingrid Göpfert und Wanja Wellbrock einen "Leitfaden für die Entwicklung innovativer Supply-Chain-Management-Konzepte" ausgearbeitet. Sie stellen darin ein Fünf-Phasen-Modell vor, dass sie in Anlehnung an ihre empirische Studie zum Innovationsmanagement in der Logistik entwickelt haben.

Phasen der Entwicklung innovativer SCM-Konzepte (Seite 483 ff.)

Problemidentifikation / Innovationsanstoß

  • Analyse der gegenwärtigen und künftigen situativen Gegebenheiten 
  • Identifikation endogener und exogener Innovationsauslöser
  • mögliche Analysemethode: Value Stream Mapping (1. Stufe Wertstrommanagement)

Ideengewinnung

  • Festlegung relevanter Suchfelder
  • Heranziehen möglichst vieler, an der SC beteiligter Unternehmen als Informations- und Ideenquellen
  • Sammlung/Aufbereitung von in der Firma vorhandenen Informationen und Ideen
  • Value Stream Design (2. Stufe Wertstrommanagement)
  • Generierung neuer Ideen, etwa mittels Kreativitätstechniken

Ideenbewertung und -auswahl

  • Einheitliche Bewertung der Ideen nach diversen festgelegten Kriterien
  • Vorauswahl/Sortierung der Ideen nach positivem Einfluss auf SCM-Zielkategorien, Umsetzbarkeit, Integrationsfähigkeit in bestehende Supply Chain-Prozesse
  • Ausrichtung auf ganzheitliches Optimum für die Supply Chain
  • Ausarbeiten von Realisationsplänen
  • Finale Ideenauswahl

Umsetzung

  • Technologische Umsetzung durch Konzipierungs- und Gestaltungsphase
  • Organisatorische Verankerung in 3 Phasen: Konfusion, Diffusion, Erosion
  • Testphase
  • Pilotanwendung

Kommerzielle Inbetriebnahme

  • Von der Planung der tatsächlichen Inbetriebnahme bis zur erfolgreichen Behauptung im Wertschöpfungsprozess der Supply Chain
  • Erfolgsindikatoren: z.B. stabiles Umsatzwachstum oder stabile Kostensenkung
  • Verschiedene Roll-out-Strategien: Big-bang-Einführung oder horizontale bzw. vertikale Step-by-step-Strategie Innovationscontrolling
  • Standardisierung: Weiterentwicklung zu einem globalen SCM-Konzept

Gesetzliche Verpflichtung zur Lieferkettenkontrolle rückt näher

Da deutsche Unternehmen erneut die Erwartungen der Bundesregierung an Menschenrechts- und Sozialstandards in ihren Lieferketten nicht erfüllt haben, rückt zudem eine gesetzliche Verpflichtung näher. Von rund 2.250 Unternehmen, die von der Politik 2020 um Auskunft zum Thema gebeten worden waren, gaben lediglich 455 Antwort. "Deutlich weniger als 50 Prozent der Unternehmen“ mit Sitz in Deutschland und mehr als 500 Beschäftigten haben demnach menschenrechtliche Sorgfalt vernünftig in ihre Prozesse integriert, nämlich so, wie es im Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) beschrieben ist, heißt es.

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