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03.04.2025 | M&A-Management | Gastbeitrag | Online-Artikel

Comeback von M&A-Aktivitäten mit China?

verfasst von: Patrick von Herz

5 Min. Lesedauer

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Post-Covid und Post-Deglobalisierung: Gibt es ein Comeback von M&A-Transaktionen zwischen chinesischen und europäischen Autozulieferern? Patrick von Herz von Lincoln International ordnet ein.

Chinesische Autobauer haben das Potenzial, den Weltmarkt langfristig zu dominieren, insbesondere bei Elektrofahrzeugen.


Nach dem Ende der Pandemie, den US-Wahlen 2024 und dem damit einhergehenden nachhaltigen Trend zur Deglobalisierung stellen sich viele die gleiche Frage: Ist das Interesse von chinesischen Automobilzulieferunternehmen an Investments in Europa völlig verschwunden oder lebt es wieder auf? Und wie könnten diese potenziellen Deals aussehen? Vor dem Hintergrund der regionalen Abschottung  mag es kontraintuitiv klingen, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass wir ein breites Comeback an grenzüberschreitenden M&A-Transaktionen durch chinesische Zulieferer erleben. Und zwar trotz des "Decouplings", trotz des Fokus Chinas auf den heimischen Markt und den bis dato zunehmend einschränkenden regulatorischen Rahmens für Inbound-Deals nach Europa.

Dabei sind es im Wesentlichen fünf Faktoren, die sich zukünftig positiv auf die M&A-Aktivitäten chinesischer Zulieferer in Europa auswirken sollten:

1. Mangelndes Wachstum im Inland und großes Interesse am zweitgrößten Automobilmarkt der Welt

China hat sich weltweit zum größten Absatzmarkt und Produktionsland für Automobile entwickelt, hat aber in letzter Zeit seine Wachstumsdynamik verloren. Das hat zu einer Verschärfung des Wettbewerbs und schrumpfenden Gewinnen führt. Obwohl die einheimischen Marken Marktanteile gegenüber den ausländischen Herstellern aus Deutschland, den USA und Japan gewinnen konnten, steht eine Marktbereinigung bevor, da derzeit zu viele einheimische Akteure um die Gunst der Kunden werben.

Die meisten chinesischen Fahrzeughersteller mit einem soliden Anteil am Heimatmarkt haben versucht, ihr Geschäft zu internationalisieren, um über den zunehmend trägen Inlandsmarkt hinaus zu wachsen. Da Nordamerika keine Option ist, hat sich die Aufmerksamkeit schnell auf Europa gerichtet.

2. Chinesische OEM-Präsenz in Europa braucht eine lokale Zuliefererindustrie

Hersteller wie Geely, Nio, BYD oder Xpeng haben Montagewerke in Europa errichtet oder sind in entsprechender Planung. Ihr Schwerpunkt ist und bleibt Osteuropa für neu zu errichtende Anlagen (Greenfields) oder alternativ die Zusammenarbeit mit Montagedienstleistern wie Valmet oder Magna. Die Investition in bereits bestehende Anlagen (Brownfields), wie etwa die Übernahme von Montagewerken durch Great Wall in Brasilien und durch die Mercedes-Benz Group und GM in Indien, dürften in Europa weniger wahrscheinlich sein. Tatsächlich dementierte Nio im Oktober 2024 Gerüchte, an der Übernahme eines alten Werks von Audi in Belgien interessiert zu sein. Einzige Ausnahme von der Regel ist derzeit Chery, das ab Ende 2025 ein ehemaliges Nissan-Werk in Spanien nutzen möchte.

Die entscheidende Frage ist nun, wie sich die lokale Lieferkette dieser chinesischen OEMs in den kommenden Jahren entwickeln wird. Dafür gibt es drei Szenarien: 

  • Szenario A: Ausschließliche Konzentration auf gut etablierte europäische Anbieter vor Ort
  • Szenario B: Aktive Entwicklung einer europäischen Lieferbasis vertrauenswürdiger chinesischer Lieferanten
  • Szenario C: Eine Kombination aus A und B.

Falls Szenario B und C zumindest mittelfristig angestrebt werden, müssten chinesische Anbieter schnell eine technische und fertigungstechnische Präsenz in Europa aufbauen. Dies lässt sich am schnellsten durch Unternehmenskäufe beziehungsweise durch Investitionen in einen etablierten und vertrauenswürdigen Anbieter mit solider Technologie, einer starken Erfolgsbilanz bei der Markteinführung und Qualität sowie einem breit gefächerten Portfolio von OEM- oder Tier-1-Kunden erreichen.

3. Technologie, Produktionskapazitäten und kundenorientierte Qualität zu einem vernünftigen Preis

Gleichzeitig sind europäische Automobilzulieferer durchaus offen für M&A-Aktivitäten. Der Sektor ist seit vielen Jahren krisengeplagt. Diese reichen von Produktionsproblemen beim Prüfverfahren WLTP über Halbleiterknappheit, Covid, Ukraine-Krieg, Energie- und Rohstoffpreissteigerungen bis zur Volatilität bei der Einführung der Elektromobilität. Hinzu kommen die Achterbahnfahrt der Volumina und sowie ein struktureller Nachfragerückgang. Die Bewertung der Unternehmen ist dementsprechend deutlich gesunken. Die Bewertungsmultiplikatoren (Unternehmenswert) sind für Standardqualitäts-Automobilzulieferer von einem Faktor von durchschnittlich 6-7 x EV/EBITDA ((Earnings before Interest, TAX, Depreciation and Amortization (Ergebnis vor Zins- und Steuerzahlungen sowie Abschreibungen)) vor der Krise auf heute 4-5x EBITDA gesunken.

In der Konsequenz heißt das, dass Spitzentechnologie, voll investierte Anlagen, fähige Ingenieure und Mitarbeitende in der Fertigung sowie wichtige Kontakte für einen breit gefächerten Kundenstamm zu sehr günstigen Preisen verfügbar sind. 

4. Lehren aus der Investmentwelle vor der Pandemie

Aber können chinesische Investoren, börsennotierte und private Automobilzulieferer erfolgreich Unternehmen erwerben? Um eine Transaktion abschließen zu können, müssten sie nicht nur von ihren heimischen Behörden die Genehmigung für die Investition erhalten, sondern auch die Genehmigung der europäischen Behörden für die Auslandsinvestition, um das Zielunternehmen dann ordnungsgemäß zu integrieren und zu managen.

Chinesische Zulieferer wie zum Beispiel Joyson, BHAP, FAWER oder Anhui Zhonghding haben zwar erfolgreich Unternehmen übernommen, aber nicht alle diese Investitionen haben sich langfristig bewährt. Viele Zulieferer haben ihre Auslandsinvestitionen in Europa nicht gut gesteuert und entsprechend Geld verloren, insbesondere in Krisenzeiten. 

Auch hier gilt es, die oftmals sehr schwierigen Preisverhandlungen mit den Kunden im Auge zu behalten, Ineffizienzen auf ein Minimum zu reduzieren und klug zu investieren. Wir bei Lincoln haben den Eindruck, dass diese Punkte in den chinesischen Vorstandsetagen angekommen sind. In Verbindung mit einer neuen Generation von internationalen Führungskräften, dem Erfolg der chinesischen Automobilindustrie und ihrer starken technologischen Position sind die Integrationsrisiken entsprechend kleiner geworden. Schließlich sind die Bewertungen für europäische Zulieferer gesunken, was die Aussichten auf eine Wertsteigerungschance auf der Basis einer erfolgreichen M&A-Transaktion erhöht.

5. Unterstützung durch die Politik und Regulierungsbehörden

Die europäische Automobilindustrie braucht Kapital und Investoren, die bereit sind, die Lieferkette nach der Krise neu auszurichten. Brüssel und die einzelnen Regierungen werden es sich nicht leisten können, strategische Investitionen aus China in die Zuliefererbranche auszuschließen – insbesondere wenn es sich um "Standardtechnologie" handelt. Was die Genehmigungen durch die chinesischen Behörden betrifft, so sollte es dem gesunden Menschenverstand entsprechen, erfolgreichen einheimischen Zulieferern aus China zu erlauben, ihre Geschäfte zu globalisieren, um Größenvorteile zu erzielen und Wachstumschancen zu nutzen.

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