In den vergangenen Jahren haben sich die Strukturen von Sparkassen und Genossenschaftsbanken erheblich gewandelt. Ein Treiber dieser Veränderungen waren zahlreiche Fusionen. Und die wird es auch in Zukunft geben - aus vielfältigen Gründen, zeigt eine aktuelle Deloitte-Studie.
Im Jahr 2012 gab es 423 Sparkassen mit einer Bilanzsumme von 1,1 Billionen Euro. Bis 2022 schrumpfte ihre Zahl fusionsbedingt auf 361. Das ist ein Rückgang von rund 15 Prozent. Gleichzeitig kletterte die Bilanzsumme aller Institute um 38 Prozent auf 1,5 Billionen Euro. Noch stärker wirkte sich dieser Trend bei den Genossenschaftsbanken in diesem Zeitraum aus: 394 der ursprünglich 1.099 Banken fusionierten bis 2022 und senkten so die Anzahl auf 735 mit einer Bilanzsumme von 1,2 Billionen Euro.
Zu diesem Ergebnis kommt das Beratungshaus Deloitte in einer Untersuchung zur Bankenkonsolidierung. Hierzu werteten die Studienautoren öffentlich verfügbare Daten zur Fusionsaktivität in den Jahren zwischen 2012 und 2022 aus.
Weniger Institute, höhere Bilanzsummen
Durch die Schulterschlüsse erhöhte sich die durchschnittlichen Bilanzsumme je Institut deutlich: Bei den Sparkassen stieg sie um 62 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro, bei den Genossenschaftsbanken sogar um 135 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro.
Hiervon profitierten vor allem kleinere Volks- und Raiffeisenbanken. Ihr Verhältnis von Kundenkrediten zu Kundeneinlagen hat sich laut Studie durch die Verschmelzungen erheblich verbessert, wobei der Report allerdings die "wenig granulare Daten" betont. Insgesamt seien für die fusionierten Institute regulatorische Vorgaben leichter zu erfüllen, was dem Vertrieb den nötigen Aufschwung gab, heißt es in der Studie.
Fachkräftemangel als Fusionsgrund
In der Vergangenheit führten vor allem wirtschaftliche Erwägungen infolge sinkender Erträge und steigender Kosten, die Verschärfung der Kapitalisierungsanforderung sowie wachsende Investitionsausgaben Gründe zum Zusammenschluss von Regionalbanken. Bei den Sparkassen war mit der Neuaufteilung von Landkreisen noch eine politische Komponente maßgeblich.
In jüngerer Zeit spielten neben den genannten Kostensynergien und der verbesserten Abdeckung von Finanzierungsbedarfen auch der wachsende Mangel an qualifizierten Fachkräften und der demografisch bedingte Mitarbeiterschwund eine Rolle. Denn hierbei müssen regionale Häuser unter anderem mit Großbanken wie der Commerzbank konkurrieren. Das Haus braucht bis 2034 "etwas weniger als 20.000 neue Mitarbeiter", erläuterte Personalvorständin Sabine Mlnarsky in einem Gespräch mit dem "Handelsblatt" Ende vergangenen Jahres.
Fusionen machen attraktiver für Fachkräfte
Wie können Regionalinstitute in diesem harten Wettbewerb punkten: "Fusionen von Regionalbanken können dazu beitragen, die Attraktivität des neu entstandenen Instituts für potenzielle Fachkräfte zu erhöhen und gleichzeitig den Bedarf an Spezialisten zu senken", erläutert Johannes Rauh, bei Deloitte Partner in Financial Advisory und dort für Finanzdienstleister zuständig, gegenüber springerprofessional.de. Dabei sind folgende Aspekte maßgeblich:
Vier entscheidende Faktoren |
Fusionierte Institute können durch Skaleneffekte in den beiden Dimensionen von "Economies of Scale" und "Economies of Skill" effizienter arbeiten und bei ersterer eine stärkere Marktposition erreichen. Dies ermögliche ihnen zum Beispiel, größere Kreditengagements und spezialisierte Dienstleistungen anzubieten. Das erhöhe die Attraktivität für qualifizierte Fachkräfte. |
Fusionen bieten die Chance, strukturelle Veränderungsprozesse zu initiieren und besser ausgebildetes Personal mit spezifischen Fähigkeiten zu halten. Dies kann auch neue Karriereoptionen und die Lösung von Nachfolgeproblemen ermöglichen, da sich Personalstrukturen ergänzen. |
"Durch die Zusammenschlüsse können ineffiziente Strukturen, insbesondere regulatorisch bedingte Kopfmonopole und Splitterkapazitäten, abgebaut und damit Ressourcen besser genutzt werden." Dies führe zu einer effizienteren Arbeitsweise und spart etwa Dopplungen beim Beauftragtenwesen, wie etwa bei der Geldwäscheprävention oder im vielfach kritischen Bereich Meldewesen, weil der Bedarfstreiber hier nicht mit der Bilanzsumme wachse. |
Zudem verfügten größere Einheiten über mehr Ressourcen für Investitionen in Wachstumsmärkte und Innovationen. Das führe zu einem "deutlichen Wettbewerbsvorteil für Talente", so Rauh. Dies kann die Attraktivität für Fachkräfte erhöhen, die in einem innovativen und zukunftsorientierten Unternehmen arbeiten möchten. |
Auch Krisen forcieren Zusammenschlüsse
Für die Zukunft gehen die Studienautoren davon aus, dass es verstärkt zu krisenbedingten Schulterschlüssen kommen könnte. Unsicherheiten, wie sie derzeit auf dem angeschlagenen Immobilienmarkt herrschen, sowie steigende Unternehmensinsolvenzen führen zu Risikokonzentrationen. Auch hier sind es in erster Linie die kleinere Institute, bei denen im Ernstfall die notwendigen finanziellen wie personellen Ressourcen knapp werden könnten, um die Gefahrenlange alleine zu bewältigen.
Allerdings warnt Bankenexperte Rauh vor pauschalen Aussagen:
Vielmehr gilt, dass krisenbedingte Fusionen entlang der Schwächen im aktuellen Wirtschaftsumfeld und den davon betroffenen Regionen verlaufen. So zeigen sich aktuell Herausforderungen bei Regionalbanken mit besonders hoher Exposition zu Bauträgern beziehungsweise allgemeiner Kunden mit kurzfristiger Refinanzierung und stark gestiegenem Zinsdruck."
Mit der Zinswende gerieten vor allem Regionalbanken mit einer niedrigen Kredit-Einlagen-Relation mit teils hohen Abschreibungen auf ihre Eigenanlagen in den Aufmerksamkeitsfokus. Dies sei jedoch meist ohne nachhaltige Effekte, da die betroffenen Wertpapiere langfristig gehalten werden und entsprechende Zuschreibungen über den Zeitverlauf verbucht werden können.
Geschäftspolitische Differenzen führen zum Misserfolg
Doch auch noch so gute Gründe reichen manchmal nicht, damit die Fusion am Ende gelingt. Ein Beispiel liefern die Sparkasse Ingolstadt Eichstätt und die Kreissparkasse Kelheim. Die beiden Institute wollten sich ursprünglich Anfang 2025 zur Sparkasse Mittelbayern mit rund zehn Milliarden Euro Bilanzsumme zusammenschließen. Wie der Bayerische Rundfunk Mitte Juli 2024 berichtet, hätte nur noch eine Meldung an die Bafin und die Zustimmung des Kartellamts erfolgen müssen. Doch kurz vor der Ziellinie lehnte der Kelheimer Stadtrat die Fusion ab.
Unterstützer hofften, durch den Schritt in Zukunft Herausforderungen wie Bankenregulierung, Marktveränderungen und Fachkräftemangel besser meistern zu können. Die Kritiker bemängelten allerdings eine ungleiche Vertretung im künftigen Verwaltungsrat und sahen keinen Mehrwert für die Kunden. Sie setzten sich am Ende durch.
Unternehmenskultur setzt Fusionen Grenzen
"Bei regionalen Banken spielen die regionale Identität und lokale Entscheidungskompetenz eine entscheidende Rolle. Diese Identität ist oft tief in der Unternehmenskultur verankert und kann bei einer Fusion als Verlust empfunden werden", betont Bankenexperte Rauh gegenüber springerprofessional.de. Dies führe zu Widerständen sowohl auf Seiten der Mitarbeiter als auch der Kunden und Träger beziehungsweise Mitglieder.
Immer wieder scheitern der Studie zufolge Fusionen an solchen kulturellen Unterschieden zwischen den Partnern. Diese lassen sich Rauh zufolge nicht einfach durch organisatorische Maßnahmen überwinden. "Beispielsweise können unterschiedliche Führungsstile, Kommunikationswege und Entscheidungsprozesse die Integration erschweren oder eben bereits den Zusammenschluss verhindern."
Verschiedene Hierarchiestrukturen oft nicht überbrückbar
Das sei etwa dann der Fall, wenn ein Institut eine sehr stark marktlich innovativ ausgerichtete Organisation mit flachen Hierarchien aufweist, während das andere Haus eher auf einem traditionelleren vorstandsorientierten oder Marktfolge- und Risiko-orientierten Modell basiert. "Beides kann - je nach Historie, aktueller Situation und Markt - richtig sein, geht aber selten gut zusammen", so der Fachmann.
Solche Unterschiede lassen sich auch nicht einfach in der Findungsphase einer Fusion ausräumen. "Es fällt meist schwer, die wahren Gründe für eine Ablehnung ohne neutrale Moderation herauszuarbeiten, da sie oft unter der Oberfläche liegen und andere, scheinbar sachliche, Argumente in den Vordergrund gestellt werden", weiß Rauh.
Konsequente Steuerung macht Fusionen erfolgreich
Gelungene Fusionen zeichnen sich durch eine Vorbereitung mit guter Kommunikation, ein strukturiertes Management und eine klare Zielsetzung aus. Dabei ist es wichtig, nicht nur die wirtschaftlichen Vorteile zu berücksichtigen, sondern auch die kulturelle Integration und die Erhaltung des regionalen Bezugs der Institute sicherzustellen.
Voraussetzungen einer gelungenen Fusion sind eine gute Planung auf Basis erprobter Vorgehensmodelle, Ehrlichkeit über die Ausgangslage sowie konsistente Kommunikation der Ziele beziehungsweise gemeinsamen künftigen Ambition. Darauf basierend wird eine Integration dann erfolgreich sein, wenn sie den Kunden und die Mitarbeiter im Blick behält", erklärt Rauh.
Integration habe bei Regionalbanken die Erschaffung einer neuen gemeinsamen Organisationskultur zur Folge. "Die kulturellen Unterschiede lassen sich dabei nicht einfach per Anweisungswesen aus dem Weg räumen, weil sie tief in den täglichen Arbeitsprozessen und der Identität der Institute sowie ihrer Mitarbeiter verwurzelt sind." Eine erfolgreiche Integration erfordere daher nicht nur organisatorische Anpassungen, "sondern auch eine Harmonisierung der Denkweise und Verhaltensweisen der Mitarbeitenden".
Fazit: Zusammenschlüsse im Bankensektor bleiben auch weiterhin ein komplexes Feld, das sowohl Chancen als auch Risiken birgt. Sie bieten die Möglichkeit, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und regulatorische Anforderungen besser zu erfüllen, können jedoch auch erhebliche Herausforderungen mit sich bringen, insbesondere wenn sie nicht sorgfältig geplant und umgesetzt werden.