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09.11.2018 | M&A-Management | Interview | Online-Artikel

"Karstadt genießt Vorteile von Sanierungssondertarifen"

verfasst von: Thorsten Garber

5 Min. Lesedauer

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Das Bundeskartellamt hat die Fusion von Karstadt und Kaufhof genehmigt. Dieser Zusammenschluss führe zu marktbeherrschenden Stellungen in lokalen Textil-Märkten, kritisiert Friedrich-Wilhelm Göbel, Chef der Sinn Leffers-Gruppe.
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Springer Professional: Herr Göbel, die Chancen für Kaufhäuser wie Ihre begründen Sie unter anderem damit, dass auch Karstadt sich wieder erholt habe. Sind die Warenhaus-Typen überhaupt vergleichbar?

Friedrich-Wilhelm Göbel: Sicher stellen viele bei Kaufhof und Karstadt die Warenhaus-Prägung heraus. Aber rund 50 Prozent ihres Umsatzes generieren beide Unternehmen mit Textilien. Beide sind ganz klar unsere Mitbewerber. Ihre Textilien unterliegen demselben Druck des Marktes wie bei uns. Unterschiede gibt es allenfalls in Details wie in Marken und Eigenmarken. 

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Zur Karstadt-Kaufhof-Fusion sollen Sie beim Bundeskartellamt einen Antrag auf Beiladung gestellt haben. Wozu wollten sie gehört werden, wobei mitreden?

Woher wissen Sie davon?

Aus quasi frei zugänglichen Medienberichten.

Einen solchen Vorgang haben wir aber nie einer Redaktion bestätigt. Wir wollten nicht mitreden, allerdings haben wir uns zu Wort gemeldet. Wenn beide Wettbewerber zusammengehen, kommt es zu marktbeherrschenden Stellungen in lokalen Textilien-Märkten. Die Einkaufsmacht gegenüber Lieferanten und Herstellern ist nicht zu unterschätzen. Für einige von ihnen werden der Umsatzanteil und damit die Abhängigkeit erheblich sein. 

Das weiß das Kartellamt doch auch ohne Sinn am Tisch.

Es gibt noch zwei andere wichtige Aspekte: Karstadt genießt seit 2003 die Vorteile von Sanierungssondertarifen. Damals noch für mehr als 100.000 Mitarbeiter, was heute noch für unter 20.000 Beschäftigte gilt. Faktisch führt der Vorteil bei Löhnen und Gehältern abseits von regulären Tarifkursen zu zusätzlichem Ertrag durch günstige Arbeitsplätze. Wir sind also gespannt, ob nach der Fusion dieser Vorzug versucht wird für beide Unternehmen zu erhalten. Drittens wird die Fusion an Standorten mit beiden Häusern vermutlich für die Schließung eines Hauses sorgen. Unter der dadurch zurückgehenden Frequenz werden andere Anbieter erfahrungsgemäß leiden. Insofern muss der Prozess zu Schließungen verlässlich und gewissenhaft sein. Ich halte es ja für legitim, deutsche Warenhausbesitzer zu stärken, aber daraus darf kein Nachteil für andere Marktteilnehmer entstehen. 

Zumal die Textilbranche sich in einer anhaltenden Krise befindet. Klingen Ihre Zukunftsaussichten entsprechend deprimierend?

Es wäre begründet. Denn die Grundvoraussetzungen sind einfach nicht gut. Es gibt Risiken ohne Ende, aber kaum Trends für Chancen. Der härteste Markt für den Einzelhandel in Lebensmitteln und Textilien tobt hier. Deutschland gilt als Land der Killer, eine Kehrseite der Exportweltmeister, die alles bis zum letzten Tropfen verbessern müssen und somit auch Optimierungsweltmeister sind. Und leider haben die meisten Deutschen weder mit guten Lebensmitteln noch mit Qualität in Mode etwas im Sinn. 

Apropos Sinn. Wieso hat dann ausgerechnet Ihr Unternehmen eine Chance, wenn die Marktlage so schwierig ist?

Wir sind als Händler kaum vergleichbar. Unsere Häuser verfügen über Flächen zwischen 1.300 und 10.000 Quadratmetern. Auch die Lagen und Standorte sind völlig unterschiedlich. Und unsere Strukturen stehen für ein sehr diversifiziertes Sammelsurium. Unsere heterogene Filial-Landschaft müssen wir optimal führen – auch zum Erfolg. Benchmarks können wir immer nur zum jeweiligen Standort anstellen. Trotzdem gibt es tolle Textilkaufhäuser wie Breuninger in Stuttgart oder L&T in Osnabrück oder Top-Textilhersteller wie Maerz oder Mac. Die anhaltende Krise der Branche ist allerdings nicht zu leugnen. 

Die Zukunft des Modeeinzelhandels liege im intelligenten Verbinden der stationären Läden mit der digitalen Welt, um "sich permanent verändernden Kundenwünschen gerecht zu werden", kommuniziert Ihr Unternehmen. Welche Kombinationen greifen den Wandel an Bedürfnissen ideal auf – Ihre Kunden-App plus Hauslieferung als verlängerte Ladentheke?

Nein, es ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Das beginnt mit gratis WLAN in allen Filialen, geht über die Kunden-App mit exklusiven Shopping-Events und recht demnächst bis zu digitalisierten Schaufenstern. Ein Onlineshop ist dagegen für uns nicht wirtschaftlich darstellbar. Wir wollen mit unseren Kunden zwar digital kommunizieren, aber der Einkauf soll offline in unseren Läden die Umsätze bringen. 

Sie sehen sich nicht mehr primär als Trends vorgebender Textilhändler, sondern als Logistiker. Warum?

Allein mit 20 Filialen treibt niemand einen Trend voran. Hier sind eher über die Mengen globaler Internet-Bestellungen die Trends gesetzt. Unsere Aufgabe sehe ich eher darin, dass unsere Einkäufer die globalen, nationalen und lokalen Trends erkennen und alle Ware zu uns in die Filialen holen, die Kunden gefällt. Logistik ist doch nichts anderes, als das richtige Produkt zur richtigen Zeit am richtigen Ort zum richtigen Preis in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen. Dieses extreme Prozessgeschäft muss man beherrschen. Bei uns allein führen wir permanent fast 30 Millionen EAN-Nummern für jeden Artikel im System. Aber 80 Prozent unserer Artikel kommen nur einmal, so dass die "time to market" sehr kritisch ist. Bei nur rund 60 Tagen "Schwarzpreis" ist jedes verpasste Verkaufswochenende ein Problem. 

Logistik klingt dennoch nüchtern, Modetrends dagegen mehr nach Einkauf als Erlebnis.

Modetrends setzt doch wohl eindeutig eher die Welt der Kunst und des Designs. Dann nehmen zunächst nur Luxushersteller diese Trends auf. Bei uns im Handel kommen diese Trends im Prinzip erst nach zwei Jahren an. Wir betreiben Textilkaufhäuser, aber was wir erfolgreich verkaufen können, bestimmen realistisch betrachtet andere. Deshalb ist der Schulterschluss mit unseren liefernden Partnern so elementar, weshalb wir auch keine Eigenmarken führen. Die Wechselquoten sind relativ gering; maximal ein bis drei Prozent der Marken gehen pro Jahr raus. Wir erzielen mit 20 Prozent unserer 150 Lieferanten fast 80 Prozent unserer Umsätze. Über den Abverkauf jeder Marke in unseren Filialen erhalte ich tagtäglich aktuelle Meldungen auf meinem Smartphone. Starke Lieferanten stärken also auch unsere Stellung im Markt, ohne dadurch Abhängigkeiten zu erzeugen.

Ein noch ausführlicheres Interview mit dem Sinn-Generalbevollmächtigten Friedrich-Wilhelm Göbel lesen Sie in Ausgabe 06/18 von "return – Magazin für Transformation und Turnaround", die am 13. Dezember 2018 erscheint.

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