Mit einer klaren Strategie können Industrieunternehmen durch Fusionen Services in ihr Geschäftsmodell integrieren. Welche Herausforderungen bei einer so genannten Servitization-M&A zu überwinden sind und wie die Integration gelingt.
Servitization beschreibt den Innovationsprozess zur Neuerfindung des Geschäftsmodells von Güterproduzenten, um physische Produkte und Dienstleistungen gemeinsam oder vermehrt ausschließlich Dienstleistungen anzubieten. Industrieunternehmen folgen diesem Trend, um von längerem Kundenkontakt und geringerer Umsatzvolatilität zu profitieren. Doch das Dienstleistungsgeschäft unterscheidet sich signifikant von der klassischen Fertigung.
Herausforderungen stammen beispielsweise von der Servicementalität und dem zeitintensiven Aufbau der benötigten Kompetenzen. Zudem machen sich positive Effekte im Gewinn nur bemerkbar, wenn Services einen kritischen Anteil des Umsatzes ausmachen. Eine erfolgreiche Servitization basiert also auf einer Transformation der gesamten Organisation und der angemessenen Integration des Servicegeschäfts, sowie der dafür benötigten Kompetenzen. Um dieses Wissen schnell aufzubauen und den Kundenwünschen nach Bündeln oder Services vor den Wettbewerbern nachkommen zu können, bietet sich anorganisches Wachstum durch eine Akquisition oder Fusion (M&A) an.
Die Post-Merger-Integration (PMI) entscheidet
Generell entscheidet die PMI-Phase größtenteils über den Erfolg eines Mergers und Acquisitionpozesses, da in dieser letzten Phase die erhofften Synergieeffekte durch gute Umsetzung erzielt werden müssen. Dabei kann eine Stand-Alone-Lösung, eine teilweise oder eine volle Integration gewählt werden. Der gewählte Integrationsgrad beschreibt den Umfang der PMI und der dazugehörigen Aufgaben. Für jede Funktion der Organisation werden so die jeweiligen Aktivitäten abgeleitet. Folglich gibt es eine Vielzahl an Erfolgsfaktoren in Hinblick auf Portfolio, Kunden, Kultur, Prozesse, Struktur und IT.
Gerade bei der Akquisition eines Dienstleisters durch ein Industrieunternehmen kommt der Integration noch mehr Relevanz zu. Abhängig vom Integrationsgrad und der Vorerfahrung des Käuferunternehmens im Dienstleistungsgeschäft ändert sich die relative Bedeutsamkeit der zahlreichen Erfolgsfaktoren. Große kulturelle Differenzen aufgrund der gegensätzlichen Branchenzugehörigkeit, also Service- und Produktmentalität, zwischen den zwei Firmen sind beispielweise eine größere Herausforderung, wenn das Industrieunternehmen keine Erfahrung mit Services hat. Sind jedoch schon grundlegende Dienstleistungen im Käuferportfolio eingebunden, dann fallen die individuellen Unternehmenskulturen schwerer ins Gewicht als die Branchenunterschiede.
Drei Strategien, um Services erfolgreich zu integrieren
Nach Betrachtung von acht Fallbeispielen und 24 Experteninterviews lässt sich schlussfolgern, dass M&A sich zum Zweck der Servitization eignen und hohe Erfolgswahrscheinlichkeiten haben:
Sieben beziehungsweise zwei von 17 Experten beurteilen die Erfolgswahrscheinlichkeit als sehr hoch oder hoch, da man mit der richtigen Strategie sehr schnell Kompetenzen integrieren kann, die man selbst vielleicht nie oder nur zeitintensiv aufbauen müsste. Nur einer beurteilt sie als gering. Weitere sieben Experten betonen die Abhängigkeit des Erfolgs von den spezifischen Umständen, wie der Verfügbarkeit von passenden Targets oder den Zielen der Akquisition, sowie der richtigen Strategie und der Umsetzung der richtigen Maßnahmen.
Ausschlaggebend sind also eine klare Strategie und frühzeitige Planung der Maßnahmen. Die vorherrschenden Erfolgsfaktoren lassen sich in drei bei den Fallbeispielen vorliegende Strategien einteilen:
- Hinzufügen zum Kerngeschäft: Wenig Vorerfahrung des Käufers und geringe Ähnlichkeiten in den Geschäftsmodellen durch eine vorgelagerte Position des Dienstleisters führen zu einem niedrigen bis mittleren Integrationsgrad, um die neuen Kompetenzen in der Produktentwicklung zu nutzen. Die neuen Services stärken und verbessern das bestehende Angebot. Effizienzsteigerungen in der Administration des Kaufobjektes stehen im Fokus.
- Hinzufügen zum Erkunden: Bei wenig Vorerfahrung kann der Käufer die Servitization alternativ aus Armeslänge in Form eines neuen Nebengeschäfts angehen. Das Kaufobjekt ist oft nachgelagert und näher am Kunden, sodass der mittlere Integrationsgrad dem Käufer erlaubt, After-sales Services und neue Bündel für längeren Kundekontakt anzubieten.
- Neukonfigurierung des Kerngeschäfts: Viel Vorerfahrung, hohe Ähnlichkeit der Geschäftsmodelle und die gleiche Wertschöpfungskettenposition erlauben eine volle Integration zur Neuausrichtung der Organisation und Erweiterung des Angebots. Unternehmensgrenzen werden aufgelöst, Kulturen harmonisiert und eine einheitliche Kundewahrnehmung geschaffen. Bessere Services basieren auf Prozessstandardisierung, IT-Integration und definierten optimalen Vorgehensweisen.
Zusammenfassend empfiehlt es sich im Fall eines Service-M&A also, frühzeitig eine klare Strategie zu definieren, um die resultierenden Maßnahmen und Risikofaktoren abzuleiten und so die Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Wird die Integration dann richtig durchgeführt, können Industrieunternehmen die vielfältigen Vorteile des Dienstleistungsgeschäfts genießen, die eine erfolgreiche Servitization mit sich bringt.