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Erschienen in:

2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

1. Macht in Gruppen und Organisationen – zwei unterschiedliche Systemlogiken und die Konsequenzen für die Führung

verfasst von : Olaf Geramanis

Erschienen in: Organisationale Machtbeziehungen im Wandel

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Die Hypothese dieses Artikels lautet, dass es im Zeichen neuer organisationaler Arbeitsformen zu einer beachtenswerten Verschiebung im Führungsverhalten und damit in der Verwendung von Macht kommt: Dabei gewinnt vor allem die Orientierung an Person und Gruppe massiv an Bedeutung. Auf eine Kurzformel gebracht bedeutet dies: Erfolgreiche Führung muss neben der Organisationsdynamik eine Expertise für die Gruppendynamik entwickeln. Allerdings stehen der Organisation für diese Aufgabe bislang fast keine adäquaten „organisationalen“ Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Um die Unterschiedlichkeit und Unvereinbarkeit der jeweiligen Handlungslogik von Organisation und Gruppe aufzuzeigen, wird die wiederaufgenommene systemtheoretische Diskussion dargestellt, in der die Gruppe – ebenso wie Interaktion, Organisation und Gesellschaft – als ein eigener Systemtyp gilt. Diese Unterscheidung ist bedeutsam, weil es dadurch möglich wird, zwei grundlegend unterschiedliche Macht- und Führungskonzepte zu erfassen und zu bewerten: 1) Das Führen von Rolleninhabern durch Rolleninhaber ist ein konstitutives Merkmal von Organisationen und es erzeugt Organisationsdynamik. 2) Das Führen von Personen durch Personen ist ein Merkmal von Gruppen und damit Teil der Gruppendynamik. Die zentrale Frage lautet: Wodurch lässt sich „nicht organisationale Führung“ innerhalb von Organisationen legitimieren?

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Fußnoten
1
Führen statt verwalten; 5 Merkmale für gutes Leadership; von Iris Seithel, hr-heute.com.
 
2
Ohne zu sehr im Detail auf den machttheoretischen Diskurs eingehen zu können, ist das Verhältnis von Macht und Gewalt interessant: Herrscht in der Machtbeziehung ebenfalls eine Form von Zustimmung, wenn Personen Gewalt angetan wird? Für Arendt ist Gewalt eine Technik der Verfügung, um Menschen einen fremden Willen aufzuzwingen, indem ihre Handlungsfähigkeit einseitig zerstört wird. Damit ist Gewalt gerade kein Zeichen von Stärke, sondern ein Ausdruck von Ohnmacht. Sie wird dann eingesetzt, wenn die Macht einer Mehrheit fehlt und diese durch (Waffen-)Gewalt kompensiert werden muss. Sie markiert den Nullpunkt eines sozialen Verhältnisses, in dem sich die soziale Interaktion auf ein mechanisch wirkendes Kausalverhältnis ohne Interdependenz und Dynamik verengt. In der vorliegenden Definition besteht die Hauptfunktion von Macht darin, Dissens oder Widerstand gar nicht erst entstehen zu lassen.
 
3
Michel Crozier und Erhard Friedberg (1993) verweisen in ihrem Konzept der „Ungewissheitszonen“ auf diese Phänomene, wenn man sich nicht sicher sein kann, ob die Expertin gerade wirklich „alles Menschenmögliche“ macht oder nur Zeit schindet.
 
4
Wenn eine Führungskraft sagt: „Seien Sie spontan und selbstverantwortlich“ oder „Sie sollen selbst denken und meinen Aufforderungen nicht mehr nachkommen“, dann herrscht der Widerspruch zwischen dem, was verlangt wird, und der Tatsache, dass es verlangt wird.
 
5
Dirk Baecker (2003, 2010) spricht mit Bezug auf Edgar Schein von der „Wiedereinführung der Kommunikation in die Organisation“ oder Kieserling (1994) von „Interaktion in Organisation“.
 
6
In diesem engen Sinn sind bspw. Wehrpflichtarmeen, Klöster oder Therapeutenkammern keine Organisationen.
 
7
Die Trainingsgruppe, oder auch T-Gruppe genannt, ist ein gruppendynamisches Lernformat nach den folgenden Prinzipien: Das Hier und Jetzt sowie die Beziehungsebene dienen als thematische Vorgaben; es wird in Form eines mehrtägigen Laboratoriums durchgeführt; zu Beginn herrscht initiale Strukturlosigkeit und die Art und Weise der Kommunikation findet über Feedback statt (siehe ausführlich: König & Schattenhofer, 2022 sowie König, 2016).
 
8
In einer Gruppe von fünf Personen sind dies zehn Zweierkombinationen, die ausgehandelt und gepflegt werden müssen – in einer Gruppe von zehn Personen bereits 45 Zweierereignisse, von diversen weiteren Subgruppenkombinationen völlig abgesehen. Die mathematische Formel dazu lautet: n mal (n minus 1) geteilt durch 2.
 
9
Wenn eine Rolle institutionalisiert ist, ist die Person, die diese Rolle ursprünglich initiiert hat, unsichtbar geworden. Institutionalisierung beendet die Zurechnung auf Personen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Kleidermode. Zunächst braucht man Mut, um einer neuen Mode zu folgen. Wenn man diese jedoch ohne jedes Risiko tragen kann, braucht es Eigensinn und Charakterstärke, dies gerade nicht zu tun. Die individuelle Zuschreibung nimmt im Laufe der Institutionalisierung der neuen Mode ab, und zwar so stark, dass sie schließlich zu einer Form wird, sich gänzlich unauffällig zu kleiden.
 
10
Selbstverständlich rekurrieren Führungsansätze seit der Geschichte bis heute auf eine „Great-Man-Theorie“, auf Charisma, auf Industriekapitäne oder Unternehmenspatriarchen – allerdings sind all das systemtheoretisch gesprochen gar keine Eigenschaften von Organisationen, sondern – wie die Begriffe bereits implizieren – stehen für „Hochpersonalisierung“.
 
11
Es gibt viele Beispiele, in denen Personen in Organisationen Dinge tun, die ihnen persönlich zuwider wären oder die gegen ihre eigene Überzeugung laufen. Sei es das „Frisieren“ von Bilanzen, das Manipulieren der Abschaltvorrichtung bei Dieselmotoren bis hin zu Kriegsverbrechen (vgl. Kühl, 2011/2).
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Macht in Gruppen und Organisationen – zwei unterschiedliche Systemlogiken und die Konsequenzen für die Führung
verfasst von
Olaf Geramanis
Copyright-Jahr
2023
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-42092-5_1

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