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29.04.2021 | Personalentwicklung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Führungskraft werden? Nein, danke

verfasst von: Andrea Amerland

5 Min. Lesedauer

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Führungsverantwortung zu übernehmen, wird zum Auslaufmodell. Denn immer weniger Beschäftigte wollen in die Chefrolle schlüpfen. Das zeigt eine globale Umfrage der Boston Consulting Group. Droht in Zukunft akuter Führungskräftemangel?

Die Anforderungen an Führungskräfte sind mit der Digitalisierung und insbesondere durch die Corona-Krise deutlich gestiegen. Chefs sollen extrem flexibel, außerordentlich leistungsbereit und zudem Coaches und Menschenentwickler sein, die empathisch auf die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten eingehen können. 

Wohl auch angesichts dieses Anforderungskatalogs, lehnen 14 Prozent (international 13 Prozent) dankend ab, wenn sie gefragt werden, ob sie in den kommenden fünf bis zehn Jahren eine Führungsposition anstreben. Immerhin 50 Prozent der Befragten wollen sich entwickeln - auch wenn nicht klar ist, ob es dabei um eine selbstständige Tätigkeit oder eine Karriere geht. Das ist ein Ergebnis einer Umfrage des Beratungsunternehmens Boston Consulting Group (BCG) mit dem Titel "Human Centered Lead", für die im Oktober 2020 je 1.000 Beschäftige in Deutschland, Spanien, Frankreich und Großbritannien befragt wurden. 

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Keine Lust auf Führung oder ein Trend setzt sich fort

Das Problem, dass immer weniger Arbeitnehmer in eine Führungsposition aufsteigen wollen, ist nicht neu. Bereits in den Jahren zuvor dokumentierten Studien die abnehmende Bereitschaft, Führungsverantwortung zu übernehmen. So ergab 2019 eine globale Online-Umfrage von BCG unter 5.000 Mitarbeitern in China, Frankreich, Deutschland, Großbritannien und den USA, dass nur jeder Zehnte in der westlichen Welt bereit ist, Manager zu werden. 

In Deutschland konnten sich laut dieser Umfrage seinerzeit nur sieben Prozent der Mitarbeiter in den kommenden fünf bis zehn Jahren vorstellen, eine Führungsposition zu übernehmen. Von denjenigen, die damals bereits eine Führungsrolle inne hatten, wollten nur knapp 40 Prozent auch in Zukunft eine leitende Position übernehmen.  

Wie die aktuelle BCG-Umfrage von 2020 zeigt, wünschen sich Beschäftigte besonders menschliche Qualitäten von ihren Vorgesetzten (37 Prozent). 20 Prozent legen auf Tatkraft Wert und nur 14 Prozent auf den Intellekt von Chefinnen und Chefs. Die Befragung ergab zudem, dass die Mehrheit mit der Arbeit der Vorgesetzten in der Corona-Krise zufrieden ist: Das Spektrum reicht hier von 60 Prozent in Spanien bis 71 Prozent in Großbritannien. Deutschland und Frankreich rangieren mit 66 beziehungsweise 63 Prozent dazwischen.

Anforderungen an Manager steigen

Doch warum sind die Anforderungen an Manager in den letzten Jahre so gestiegen und warum wirken sie auf den Führungsnachwuchs derart abschreckend? "Durch den veränderten Anspruch, den junge Potenzialträger heute stellen, muss die Führungskraft einen Weg finden, zwischen kennzahlen- und mitarbeiterbezogener Führung dem neuen Typ von Arbeitnehmern und deren Erwartungen gerecht zu werden. Die Generation Y ist gut ausgebildet und fordert daraufhin Mitsprache und Beteiligung. Durch ihren Anspruch entsteht eine höhere Forderung nach Information und Transparenz aller Prozesse", schreibt Springer-Autorin Gunhild Posselt über "Veränderte Anforderungen an die Führungskräfte". 

Allerdings sind es nicht nur die Potenzialträger der gut ausgebildeten Generation Y, die Mitsprache und Beteiligung in Unternehmen fordern, durch die die Ansprüche an Führungskräfte gestiegen sind. Die digitale Transformation tut ihr übriges, indem sich durch sie Organisationsformen neu entwickeln und ein komplett neues Rollenverständnis von Führung erfordern, so Ulrich Lenz und Pirie Grützmacher. Im Buchkapitel "Was bin ich (noch), und was sollte ich sein? Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle der Führungskraft" nennen die Springer-Autoren drei wesentlichen Faktoren, die durch die Digitalisierung auf die Führungsrolle einwirken (Seite 7 f.):

  1. Steigende Komplexität und deutlich erhöhte Volatilität des organisationalen (Markt-) Umfelds: Command und Control funktionieren in einem schnelllebigen Umfeld nicht mehr. Stattdessen gilt das Prinzip Shared Leadership, das heißt, Entscheidungen und Verantwortung werden dezentralisiert und auf Teams oder auf einzelne Organisationsmitglieder verlagert. Führungskräfte werden zum strategischen Richtungsgeber von sich selbst organisierenden Teams.
  2. Umgang mit dem Dilemma von Exploration und Effizienz: Cloudbasiertes und kollaboratives Arbeiten führt zu einem Statusverlust der klassischen Führungsrolle. Die Ergebnisse von Führungshandeln sind daher immer weniger steuerbar. 
  3. Fluide Organisation von Netzwerken: In der agilen Netzwerkorganisation sind klassische Führungsrollen nicht mehr notwendig beziehungsweise werden grundlegend neu definiert.

Rolle von Führungskräften verändert sich stark

Unternehmen sind vor dem Hintergrund gestiegener Anforderungen an Manager aktuell gefordert, Führungskräfte auf diese Veränderungen vorzubereiten. Wie das aussehen könnte, beantwortet Stefanie Krügl von der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft im Interview "Wie sieht die Führungskräfteentwicklung der Zukunft aus?" (Seite 235): 

Da Unternehmensleitungen und Change Manager Transformationsprojekte nicht wasserfallartig planen und über mehrere Jahre ausrollen können, sind Führungskräfte gefordert, innerhalb vorgegebener Leitplanken einen eigenen Weg durch die Veränderung der Organisationen zu finden. Sie werden vom Ausführenden zum Gestalter der Unternehmensvision und -strategie, die sie intern auf Mitarbeiterebene kommunizieren und nach außen in die Organisation transportieren müssen."

Dabei gehöre es zu den größten Herausforderungen, die vielen Anforderungen unter einen Hut zu bringen: aktiv im Projektgeschäft zu arbeiten, Teams zu führen, auf Augenhöhe mit Mitarbeitern zu agieren und gleichzeitig noch die Transformation zu gestalten. Dies funktioniere nur mit einem agilen Mindset und agilen Methoden, so Krügl. Und natürlich nur mit einer reichlichen Portion Resilienz. 

Gezieltes Talentmagement für Führungskräftenachwuchs

Doch Firmen müssen nicht nur auf dem Gebiet der Führungskräfteentwicklung aktiv werden. Denn bislang betreiben viele Unternehmen Talentmanagent noch nicht als systematischen Prozess, so Andreas Dotzauer, Marielle Queitsch und Wolfgang Söhner. Das müsse sich ändern. Daraus leiten die Springer-Autoren am Beispiel der Automobilindustrie folgende Handlungsempfehlungen ab (Seite 43 ff.): 

  • Unternehmen sollten mit Hilfe einer Altersstrukturanalyse, insbesondere für Führungskräfte und Schlüsselpositionen, ermitteln, wie hoch die Anzahl und die Qualität der zu rekrutierenden Talente für die nächsten Jahre ist. 
  • Dabei seien demografischer sowie technologischer Wandel, aber auch Digitalisierung und Wertewandel als Einflussfaktoren und Chancen zu berücksichtigen. 
  • Sind diese ersten beiden Schritte erfolgt, können Unternehmen daraus gezielte Maßnahmen für Employer Branding, Recruiting, Mentoring und Talentmanagement für ihre Branche und ihren Bedarf ableiten. 

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