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18.09.2019 | Markenführung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Ästhetik als Teil der Unternehmensstrategie

verfasst von: Matthias Franck

4 Min. Lesedauer

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Deutschlands Unternehmen haben oft sehr eng gefasste Vorstellungen davon, wie etwas auszusehen hat und wie nicht. Wenn Verantwortliche den Anschluss an 4.0 nicht verpassen und den Wert ihres Unternehmens souverän transportieren wollen, müssen sie sich mit einer ästhetischen Dimension als Teil ihrer Strategie auseinandersetzen. Ein Gastbeitrag.

Beginnen wir mit einem Gedankenexperiment: Was fällt Ihnen zum Begriff Corporate Image ein? Jetzt denken sicherlich viele an Firmenlogos und deren Farben. Womöglich fallen einigen noch der Internetauftritt oder die Website ein. Wer noch tiefer in seinen Assoziationen gräbt, dem kommt die Geschäftsausstattung – Visitenkarten oder Briefbögen – in den Sinn. Und wer den Faden noch weiter aufnimmt, gelangt zu Bekleidungs- und Verhaltensrichtlinien, zur Architektur von Firmengebäuden, zu Laden- und Büroeinrichtungen, Sprache, Kommunikation im Unternehmen, Führungsverständnis und zur Unternehmenskultur insgesamt. Nicht zu vergessen die internen Strukturen und betrieblichen Prozesse. Die sind insbesondere bei Firmengeflechten und Outsourcing-Konzepten von Belang, denn hier wird oftmals das übergreifende Gesamtkonzept vernachlässigt. Wie weit haben Sie gedacht?

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Image ist nicht alles

Marlboro ist eine der erfolgreichsten Zigaretten-Marken. Ihr Image lässt eine kräftige Männerzigarette erwarten. Marktführer ist Marlboro aber nur deshalb, weil diese Marke auch von Raucherinnen bevorzugt wird. 

Häufig hört die Vorstellungskraft schon beim Firmenlogo auf. Dabei ist wirklich alles in einem Unternehmen Teil der Unternehmensästhetik und damit des Corporate Image. Ein paar Beispiele: Mitarbeiter eines Unternehmens, das für Klarheit und Übersicht steht, dürfen keine ellenlange E-Mail Signatur haben. Das dynamische, unkonventionelle Start-up ist nicht authentisch, wenn aus der Telefon-Service-Warteschleife Mozarts "Kleine Nachtmusik" erklingt. Der Dienstleister für Restrukturierung erhält kein Mandat vom kriselnden Unternehmen, wenn sein Angebot aus 30 Seiten Fließtext besteht, in dem mehr Komplikationen eingebaut sind als in einer Schweizer Uhr. Die Mitarbeiter eines serviceorientierten Unternehmens werden sich früher oder später einen anderen Arbeitsplatz suchen, wenn die Produktivitätsvorgaben und die internen Prozesse keinen adäquaten Service für den Kunden mehr gewährleisten lassen und die Gestaltungsspielräume so begrenzt sind, dass es unternehmerisch sinnvolles Handeln ad absurdum führt.

Verantwortlichen fehlt das Bewusstsein

Oftmals fehlt Verantwortlichen in Unternehmen ein umfassendes Bewusstsein für Zusammenhänge, Spannungsfelder und überkommene Glaubenssätze. Die Folge: Angebot, Design und Kommunikation sind inkohärent, austauschbar oder überholt. Das offenbart sich beispielsweise in der Versicherungsbranche. Laut einer Studie der Markenberatung BrandTrust erkennen 70 Prozent der Befragten aus diesem Sektor keine Differenzierung bei Versicherungsmarken. Aus unternehmerischer Sicht ist das fatal: Kann der Kunde die Anbieter nicht unterscheiden, entscheidet er sich für den tiefsten Preis. Mit einem anderen Auftritt fällt die Entscheidung unter den dargestellten Umständen zugunsten der Marke aus, die zum Beispiel eine wirtschaftlich potentere Ausstrahlung vermittelt, oder ihre historisch gewachsene Expertise mit höheren Standards und damit größerer Sicherheit intuitiv transportiert.

Wer nicht imstande ist, aus Unternehmenswerten, Visionen, Positionierung oder Fünf-Jahres-Plänen heraus eine authentische Atmosphäre und eine attraktive Persönlichkeit zu kreieren, versinkt in der Konventionalität und damit in der grauen Masse. Nur rot, blau oder deutsches grün, kombiniert mit weiß ist noch lange keine ausreichende Differenzierung.

Übermächtiges Konkurrenzdenken und die Angst davor, anders zu sein als die anderen, führt zu gegenseitigem Kopieren bis in Firmenstrukturen hinein. "Wenn alle in unserer Branche das so machen, müssen wir das auch tun, dann ist das ein unumstößliches Asset", tönt es dann im Strategie-Meeting. In Deutschland lassen sich viele Unternehmen von den Erwartungen und Einstellungen der Anderen treiben – oder von dem, was sie selbst dafür halten – und wehe dem Unternehmen, das sich stilvoll und augenfällig weit hervorwagt.

Unsere Aufnahmefähigkeit ist begrenzt

Der dänische Wissenschaftsjournalist und Sachbuchautor Tor Nørretranders schreibt in seinem Buch "Spüre die Welt" über die menschliche Wahrnehmung. Dabei erklärt er, der Mensch könne in der Sekunde bis zu zehn Millionen Bit an Bildinformationen aufnehmen. Bewusst verarbeiten könnten wir davon allerdings nur 40 Bit. Das ist ein Millionstel von dem, was wir in der Sekunde sehen, hören, riechen, schmecken oder fühlen können.

Unterbewusst entscheiden wir, welche Bilder in unserem Kopf gespeichert werden. In der Regel sind das Bilder, die unserem persönlichen Wertesystem entsprechen, also positive Emotionen auslösen – oder ihm diametral entgegengesetzt sind, also Neugierde oder negative Emotionen. Die Summe dieser Eindrücke ergibt schließlich eine subjektive Wahrnehmung und Empfindung. Oder wie es Theodor Fontane formulierte: "Was auf mich wirkt, wirkt". Auch Dinge, die belanglos scheinen, werden vom potentiellen Kunden wahrgenommen – und sind der unterbewusste, nonverbale Entscheidungsfaktoren.

Fazit: Eine ästhetische Dimension als Teil der Unternehmensstrategie führt wie selbstverständlich aus der Bewegungslosigkeit heraus. Voraussetzung hierfür ist der Wille zum Verständnis der oben beschriebenen, komplexen Zusammenhänge. Auf diese Weise wird das eigene Unternehmen mehrdimensional betrachtet und in seiner Gesamtheit erfasst. Es entsteht ein wertschätzendes Narrativ mit Positionierung, Zielen, Werten, Identität und dem Ergebnis einer emotionalen Rendite. Frei nach Johann Karl Friedrich Rosenkranz: Sinnliche Wahrnehmungen, Gefühle, Ideen, Stimmungen, Wechselwirkungen und komplexe Zusammenhänge werden durch ein ästhetisches Gesamtkonzept buchstabiert und können dann als Erfahrung und Erkenntnis gelesen werden.

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