"Insbesondere im Rahmen von M&A-Transaktionen ist die Markenbedeutung kontinuierlich gestiegen", stellt Springer-Autor Kai Rippe im Buchkapitel "Notwendigkeit zur Analyse des Markenfit in der Due Diligence" fest (Seite 6). Denn sowohl die intern gestaltete Identität als auch das von außen wahrgenommene Image eines Brands sind heute komplexer denn je. Es ist daher nicht leicht für Investoren zu entscheiden, ob die neu erworbenen Zielmarken bewahrt, eliminiert, in die eigenen Brands integriert oder mit diesen zu einem völlig neuen Label verschmelzen sollen. Welche Entscheidung der Käufer auch trifft, sie wird das Markenportfolio und damit den gesamten Geschäftsbetrieb in jedem Fall auf den Kopf stellen. Darüber hinaus muss die veränderte Markenarchitektur und -hierarchie von internen wie externen Stakeholdern angenommen werden. Je früher der Investor weiß, wie er mit den Brand-Neuzugängen verfährt, desto erfolgreicher verläuft die Fusion beider Betriebe.
Damit die M&A-Transaktion nach dem Kaufabschluss, in der so genannten "Pre-Merger-Phase", den Unternehmenswert wie gewünscht steigert, gilt es, die dafür nötigen Weichen im Vorfeld zu stellen. Eine kaufvorbereitende Zielanalyse ("Due Diligence", DD) ist daher inzwischen zum Standard geworden, bevor eine M&A-Aktivität vertraglich besiegelt werden kann. Während der DD prüft der Investor das Zielunternehmen anhand verschiedener Kennzahlen auf Stärken und Schwächen. Die Untersuchung dient dabei nicht nur der passiven Beobachtung, sondern auch der Markenbewertung. Sie sollte für die Preisverhandlung genutzt werden. Denn der Einfluss, den die Zielmarken auf den Kaufpreis ausüben, ist enorm, wie Springer-Autor Rippe weiß. Das zeigt ein Beispiel aus der Lebensmittelbranche: So entfielen beispielsweise bei der Übernahme von Kraft Foods durch Philipp Morris rund 90 Prozent der gezahlten 12,9 Milliarden US-Dollar auf das Label.
Ist- und Soll-Analyse
Um den Prozess der Markenbewertung im Zuge der Due Diligence zu erleichtern, hat das Marktforschungsinstitut Interbrand eine Checkliste zusammengestellt. Die Prüfung auf rechtliche Lücken steht dabei an erster Stelle, da diese das Kaufvorhaben am stärksten torpedieren und zum "Deal Breaker" werden kann. Im nächsten Schritt erfolgt dann eine genaue Analyse der markenspezifischen Ist-Zustände. Dabei werden
- die Kundensichtbarkeit,
- die Marktposition,
- die geografische Reichweite,
- die Zielgruppe und die Partnerschaften mit anderen Unternehmen näher beleuchtet.
Anschließend lassen sich erste Prognosen für die Zukunft aufstellen. Wichtige Fragen dabei sind etwa: Wie hoch sind das Marktpotenzial und die Kosten, die in einem Rebranding-Prozess entstehen? Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn eine Marke nach einer Kauftransaktion am Markt bestehen bleibt oder von der Bildfläche verschwindet? Was bedeutet es für das eigene Unternehmen, wenn ein Konkurrent die Lücke der eliminierten Zielmarke füllt? Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse lassen sich die einzelnen Labels der Wichtigkeit nach ordnen und in eine Markenhierarchie einbetten.
Markenfit ist das A und O
Viele Investoren neigen dazu, die Due Diligence und die anschließende Markenbewertung rein auf die Prüfung monetärer Kennzahlen auszurichten. "Der Umstand, dass im Anschluss einer M&A-Transaktion zwei vormals getrennte Unternehmensmarken zusammen in einem Markenportfolio (dem des Käufers) existieren und harmonieren müssen, wird allerdings ausgeblendet", bemängelt Rippe (Seite 56). Erfolgsversprechende, rein zahlenmäßige Fakten sind also trügerisch, da sie lediglich den Markenwert widerspiegeln, der sich isoliert im Kontext eines fremden Betriebs entwickelt hat.
Während der kaufvorbereitenden Zielanalyse sollten Investoren ihr Augenmerk daher verstärkt auf den Markenfit richten. Nur wenn die Ressourcen, die fachlichen Kompetenzen und die Identität des Käufer- und Zielunternehmens zusammenpassen, gelingt auch das fusionierte Geschäft. Auch die Mitarbeiter sind deshalb für den Markenfit relevant. Denn sie müssen das neu formierte Unternehmen und die veränderte Markenstruktur nicht nur mittragen, sondern auch in ihrer täglichen Arbeit leben. Ein strategisches Kommunikationskonzept, das externe wie interne Stakeholder über die bevorstehenden Änderungen informiert, ist somit erfolgsentscheidend. Ebenso gewinnbringend kann es sein, sich mit der Belegschaft an einen Tisch zu setzen und die Umstrukturierungen gemeinsam zu konzipieren.