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22.09.2017 | Markenführung | Interview | Online-Artikel

"Im Überlebenskampf des digitalen Darwinismus"

verfasst von: Johanna Leitherer

4:30 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer

lehrt Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. 

Brands können sich nur dann halten, wenn sie ihre Kunden mit relevanten Inhalten im richtigen Moment erreichen. Das und noch mehr verrät Springer-Autor Professor Dr. Ralf T. Kreutzer des Buchs "Digitale Markenführung" im Interview.

Springer Professional: Wie erklärt sich die Faszination starker Marken?

Professor Dr. Ralf T. Kreutzer: Zunächst liefert uns eine Marke wichtige Orientierung, damit wir uns in dem immer dichter werdenden Dschungel der Möglichkeiten - ich spreche gerne von der "Orgie der Optionen" - zurechtfinden können. Dabei hilft es, dass eine Marke als Information-Chunk (im Sinne eines Informationsklumpens) viele Eindrücke zusammenführt, die wir online und offline sammeln. Und – ganz wichtig – Marken dienen auch der Inszenierung des Selbst: Man umgibt sich, man schmückt sich mit Marken, die man gerne hat und denen man vertraut. Gerade bei der Vielfalt der Möglichkeiten, die uns heute online und offline präsentiert werden, kommt diesem Vertrauensaspekt eine große Bedeutung zu. Deshalb spreche ich gerne von "Vertrauen" als neuer Währung in Marketing und Management. 

Empfehlung der Redaktion

2017 | Buch

Digitale Markenführung

Digital Branding im Zeitalter des digitalen Darwinismus. Das Think!Book

Dieses Buch verfolgt einen ganzheitlichen, on- und offline-übergreifenden Markenführungsansatz und erläutert, warum die Verantwortung für eine langfristige und werthaltige Entwicklung der Marke bei den Entscheidern im Unternehmen bleibt. Das Konzept der Markenführung hat sich durch die Digitalisierung grundlegend geändert. Um Marken erfolgreich zu führen, müssen neue, digitale Gestaltungsfelder genutzt werden.


Zielgruppen sind längst nicht mehr nur stille Empfänger von Werbebotschaften. Was bedeutet das für das digitale Marketing?

Unternehmen tun gut daran, die Kunden zur Schaffung von (positivem) User-Generated-Content zu motivieren. Dies ist nicht nur der Anstoß zu einem Like oder Share in den sozialen Medien, sondern auch die Aufforderung, konkrete Bewertungen über die eigenen Leistungen zu verfassen oder an Kreativprozessen der Unternehmen selbst teilzunehmen. Das hier angesprochene Customer-Engagement in Verbindung mit dem dadurch generierten User-Generated-Content wird für die digitale Markenführung immer wichtiger.

Gleichzeitig gewinnt das Rating- und Review-Management immer mehr an Bedeutung. Denn Kundenbewertungen haben einen signifikanten Einfluss auf den Kaufentscheidungsprozess. Deshalb sind alle Unternehmen gut beraten, die Bedeutung des Review- und Rating-Managements für die digitale Markenführung zu ermitteln und ein entsprechendes Konzept zur dessen Nutzung aufzubauen.


Dabei heißt es: Recommendation is the new search! Die Zukunft der Suche ist die (maßgeschneiderte) Empfehlung durch Dritte. Diese kann als Social-Recommendation direkt von den Freunden kommen – oder als Targeted-Recommendation von Algorithmen, die unseren digitalen Schatten auslesen – den wir ungewollt im Internet hinter uns herziehen. Die Kraft der Algorithmen wird immer größere Auswirkungen zeigen – und diejenigen an den Schalthebeln der Algorithmen reich und mächtig machen! Dies müssen wir bei der (digitalen) Markenführung berücksichtigen.

Auf der einen Seite legen viele Menschen ihr Smartphone gar nicht mehr aus der Hand, auf der anderen Seite stellen sich Informationsflut und Banner-Blindness ein. Wie reagiert die Markenführung am besten darauf?

Die Antwort hier lautet: Relevanz, Relevanz, Relevanz! Marketer werden nur dann Aufmerksamkeit für ihre Botschaften finden, wenn diese möglichst umfassend auf die Zielpersonen ausgerichtet und damit relevant sind. Wir müssen uns folglich um das bemühen, was ich als dreidimensionales Customer-Relationship-Marketing bezeichne. Die Relevanz der unternehmerischen Botschaften für Interessenten und Kunden nimmt zu, wenn es dem Unternehmen gelingt, den jeweiligen, individuellen Kontext durch eine zeitliche, räumliche und auch inhaltliche Nähe zu erreichen, um die werbliche Ansprache an diesen drei Eckpunkten auszurichten. 

Wenn es gelingt, den so definierten Kontext umfassend in der kommunikativen Ansprache zu berücksichtigen, spricht man vom Kontext-Marketing. Durch die Berücksichtigung der 7-R-Regel des Kontext-Marketings wird Relevanz systematisch erzeugt: 

  • Die richtige Information bzw. das richtige Angebot,
  • zum richtigen Zeitpunkt,
  • am richtigen Ort,
  • in der richtigen Menge,
  • in der richtigen Qualität,
  • zu den richtigen Kosten und
  • über den richtigen Kanal

zu präsentieren, damit sie bzw. es nicht nur wahrgenommen, sondern auch als relevant erlebt wird. Das ist die hohe Schule des Customer-Experience-Managements.

Konzerne wie Apple und Google verfügen über einen immensen Markenwert. Doch dass die Kunden der Online- und Offline-Welt ihnen deshalb auf ewig die Treue halten, ist nicht gesichert. Welche Herausforderungen haben Unternehmen jeder Größe zu bewältigen?

Eines ist sicher: Noch nie waren Menschen gegenüber Marken weniger loyal als heute. Immer wieder werden neue Angebote präsentiert, verführen neue Möglichkeiten und laden zum Probieren ein. Deshalb gilt: Wenn das Geschäftsmodell nicht überzeugt, kann auch eine starke Marke alleine das Überleben nicht sichern. Im sich hier abzeichnenden Überlebenskampf des digitalen Darwinismus gilt nach wie vor nur eines: adapt or die!

Hier kommt auch die Frage der agilen Markenführung ins Spiel. Diese beschreibt die Fähigkeit des Marken-Managements, innerhalb der definierten Markenvision schnell und markenadäquat auf Veränderungen der Marktgegebenheiten zu reagieren, um die Marke interessant und wertschöpfend zu gestalten und zu erhalten. Dabei gilt es, nicht vorschnell die Grundwerte der eigenen Marke infrage zu stellen. Um eine so verstandene Agilität zu erreichen, bedarf es einer Reduktion der Komplexität in der Markenführung. Viele Unternehmen haben umfassende Brand-Rules definiert, die ein flexibles Handeln erschweren. Hier müssen manche Brand-Books entschlackt werden! Wichtig ist allerdings auch der Hinweis, dass Agilität nicht mit Aktionismus verwechselt werden darf. Denn sonst würden die wichtigen Funktionen der Marke – Orientierung und Vertrauen – verloren gehen … und damit auch deren Relevanz!

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