Der "B*canvas" verhilft Marken zu einem ganzheitlichen Verständnis. Im Interview mit Springer Professional spricht Springer-Autor Carsten Baumgarth über das von ihm entworfene Denkmodell. Der Vorteil: Unternehmen können im Prinzip sofort loslegen.
Carsten Baumgarth ist Professor für Markenführung an der HWR Berlin. Er betreibt in Berlin das B*lab, ein Ort zur Erprobung von neuen Technologien für die Markenführung.
Springer Professional: Herr Baumgarth, in ihrem Springer essential "Markentools I: Brand Canvas" dreht sich alles um ein bestimmtes Denkmodell und Instrument zur holistischen Markenführung. Warum und wofür sollten Unternehmen davon unbedingt Gebrauch machen?
Carsten Baumgarth: Ganz einfach: Die wirtschaftliche Relevanz starker Marken ist zwar mittlerweile auch bei Skeptikern unstrittig, aber das in der Praxis vorherrschende Markenverständnis hat häufig wenig mit einem modernen, ganzheitlichen Markenverständnis zu tun.
Marke wird immer noch in der Praxis (aber auch teilweise in der Marketingwissenschaft und -lehre) auf Markierung, sprich Name, Logo etc., und massenmediale Kommunikation verengt. Das ist nicht nur theoretisch falsch, sondern schwächt auch die Marken. Daher ist ein holistisches Verständnis von Markenführung – angefangen von der Kultur und strategischen Entscheidungen über alle Markenkontaktpunkte bis hin zur Performance – wichtig. Genau dies leistet das Markentool B*canvas 2.0.
Seit rund zehn Jahren befinden sich unterschiedliche Canvas-Modelle im Einsatz. Inwieweit hebt sich das B*canvas davon ab?
Die Canvas-Idee und Methodik wurde maßgeblich von Alexander Osterwalder vor etwas mehr als zehn Jahren für den Bereich Start-up und (New) Business Modelling entwickelt. Der Ansatz war und ist in der Praxis und auch Lehre sehr erfolgreich. Darauf aufbauend sind für viele Anwendungsbereiche wie Projektmanagement, Nachhaltigkeit oder Innovationen von verschiedenen Autoren diverse Canvas-Modelle entwickelt worden. Aber was sind die gemeinsamen Eigenschaften der Canvas-Methodik? Vereinfacht kann man sagen, dass es immer darum geht, ein komplexes Problem oder Aufgabe auf einer einzelnen Leinwand abzubilden. Dabei wird sowohl durch die Aufspaltung in Elemente eine Detailsicht möglich als auch durch die Abbildung aller Elemente auf einer Leinwand der Gesamtüberblick sichergestellt.
Markenführung ist nun auch einmal eine hochkomplexe Aufgabenstellung. Daher wurde speziell für den Bereich der Markenführung der B*Canvas von mir entworfen, in der Lehre und Praxis eingesetzt und immer weiterentwickelt. Mittlerweile liegt er in einer Version 2.0 vor, die wir fast unverändert seit fast zwei Jahren nutzen.
Wie lassen sich die Grundbausteine des B*canvas zusammenfassen?
Das Tool gibt eine logische Struktur vor, die es erleichtert, sich der Komplexität von Markenführung anzunähern. Das Tool besteht aus insgesamt 14 Elementen, die den drei übergeordneten Dimensionen
- Markenpotenzial-,
- Markenkontaktpunkt- und
- Markenperformancefaktoren
zugeordnet sind. Die Markenpotenzialfaktoren bilden die Basis einer starken Marke und sind für externe Stakeholder wie Konsumenten nicht sichtbar. Unternehmenskultur, Positionierung und Markenstrategie sind drei Beispiele dafür. Die Markenkontaktpunkte umfassen alle Punkte durch die Konsumenten die Marke sinnlich erfahren. Das fängt beim Branding an, geht über die diversen kommunikativen Kontaktpunkte und umfasst auch die eigentlichen Produkte, die Distribution sowie Kollaborationen mit anderen Marken.
Die dritte und letzte Dimension, die Markenperformance, bildet den Status einer Marke ab. Da ich einem am Nachfrager orientierten Markenverständnis folge, ist eine Marke erst dann eine Marke, wenn sie in den Köpfen der externen Stakeholder verankert ist, sprich über eine hohe Bekanntheit, ein differenzierendes Image sowie eine Präferenz verfügt. Und genau diese positiven Markenwirkungen werden in drei Markenperformance-Elementen abgebildet.
Die Grundlagen sind verinnerlicht. Können Unternehmen nun einfach zur Anwendung des B*canvas schreiten? Wo liegen möglicherweise Hürden?
Ja, grundsätzlich schon. Die Idee der Canvas-Methodik und auch des B*Canvas 2.0 ist es gerade, dass das Tool sehr geringe Eintrittsbarrieren hat, damit auch für Mitarbeiter ohne Expertise in dem konkreten Entscheidungsfeld mitdiskutieren und es verstehen können. Trotzdem sollten vor Beginn einige Dinge geplant und entschieden werden, damit das Tool auch sinnvoll eingesetzt werden kann. Das umfasst unter anderem die Zielsetzung des Einsatzes (zum Beispiel Beschreibung des Status quo, Bewertung, Weiter- und/oder Neuentwicklung), die Zusammensetzung der Gruppe oder die technologische Umsetzung (digital versus klassisch mit Papier und Post-its).
Im Vorfeld sollte zudem überlegt werden, ob die Elemente für die eigene Marke passen oder gegebenenfalls welche entfernt oder ergänzt werden müssen. Aber am Ende ist es wichtig, einfach mit dem Tool zu arbeiten und es auszuprobieren. Es ist kein Optimierungstool mit einer simplen Input-Output-Beziehung, sondern ein Tool um sich in Gruppen systematisch, aber trotzdem offen, spielerisch und holistisch mit der eigenen Marke zu beschäftigen.