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07.01.2016 | Markenführung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Willkommen in der „We-Economy“

verfasst von: Dr. Annette Bruce

4:30 Min. Lesedauer

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Die Deutschen öffnen das Land und ihre Herzen. Gemeinnützige Initiativen kommen geradezu in Mode und viele Freiwillige engagieren sich für Flüchtlinge. Doch welche Folgen hat die aktuelle Willkommenskultur für die strategische Markenführung? Ein Kommentar.

Bis zu einer Million Menschen, sollen 2015 in Deutschland Asyl beantragt haben. Überall in Deutschland organisieren sich Freiwillige in Initiativen, an runden Tischen und praktizieren die Willkommenskultur, von denen die Politiker so viel reden – unkompliziert, unbürokratisch und direkt oder über soziale Medien. Die Welt spricht mit gemischten Gefühlen über die neue deutsche Offenheit.

Die aktuelle „Wir schaffen das“-Politik von Angela Merkel ist zwar nur ein, dafür aber sehr medienwirksamer, Indikator für den aktuellen Wandel in der Gesellschaft. Schon „Wir sind Papst“ (2005), „Yes we can“ (2008), „Wir sind Weltmeister“ (2014) und wir alle sind „Charlie“ (2015) demonstrierten die Evolution des „Wir-Phänomens“ in unserer Gesellschaft.

Die Evolution der neuen „Wir-Kultur“

Überall lässt sich die Entwicklung neuer Formen von Gemeinschaften, Kollaborationen und Kooperationen beobachten. In unser hochgradig digitalisierten und vernetzten Gesellschaft entstehen somit stetig neue Vernetzungen: lokale Nachbarschaftsnetzwerke, Urban Gardening, öffentliche Bücherboxen, spontane „Riot Clean Ups“ oder „Social Impact Labs“ sind nur einige Beispiele für selbstverantwortliches Wirtschaften aus Eigeninitiative.

Nach Jahrzehnten des Individualismus als treibende Kraft des Wirtschaftswachstums ist ein Wandel der Gesellschaft und Wirtschaft zu einer neuen „Wir-Kultur“ zu erkennen. Konsumenten hegen einen zunehmenden Wunsch nach Gemeinschaft, Zusammenhalt, Zugehörigkeit und Zusammensein. Über ein gemeinsames Ziel findet Identifikation statt.

Das "Wir" dient der "Ich-Optimierung"

Kirsten Brühl beschreibt in Ihrer Studie „Die neue Wir-Kultur“ für das Zukunftsinstitut, dass es in unserer Gesellschaft derzeit zwei Pole gibt. Zum einen entwickelt sich eine neue Solidarität und Gemeinschaft – das neue „Wir“. Zum anderen ist unsere Gesellschaft im neoliberalen Denken verwurzelt. Hier zählen die Einzelleistungen, der Erfolg und die klassischen Statussymbole.

Dabei gilt die neue „Wir-Kultur“ nicht als die bessere oder solidarischere. Zahlreiche Gemeinschaften basieren auf dem Wunsch nach mehr Effizienz im Alltag. So dient das „Wir“ häufig letztendlich der „Ich-Optimierung“ und nicht zwangsläufig als Synonym für eine bessere Welt. Beliebte Sharing Modelle wie Airbnb und Uber sind Beispiele für eine ökonomisierte Gemeinschaft, bei der es letztendlich um die Effizienzsteigerung des Einzelnen statt um gemeinsame Werte geht. Jedoch ist die neue „Wir-Kultur“ auch Synonym für eine Sehnsucht nach neuen innovativen Lösungen. In der digitalisierten, häufig anonymen Welt wünschen wir wieder mehr Gemeinwohl und mehr Sinnhaftigkeit in unserem Tun bzw. für ein gemeinsames Ziel.

Marken sind Teile komplexer Netzwerke

Die Vernetzung von Menschen über die sozialen Medien, die sich über ein gemeinsames Projekt identifizieren, hat auch gewaltige Folgen für Unternehmen. Die Individualisierung des Einzelnen wird relativiert. Im Netz zählt die Anzahl der Verbindungen – nur wer sich erfolgreich mit möglichst vielen anderen verknüpft, gilt als attraktiver Kontakt. Was bedeutet es für die strategische Markenführung, wenn Konsumenten nach mehr Autonomie, Freiheit und Gestaltungsmacht streben und gleichzeitig dabei so vernetzt sind wie nie zuvor? Welchen Einfluss hat es auf Marken, wenn sich von heute auf morgen neue Kooperationen und Kollaborationen bilden, die ein ebenso unmittelbares Handeln von Unternehmen und Marken fordern?

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Die einzelne Marke ist zu einem Teil dieser unterschiedlichen und komplexen Netzwerke geworden. Über Social Commerce, Sharing-Plattformen, Co-Creation und Crowdsourcing üben Konsumenten mittlerweile wie selbstverständlich ihre Teilhabe und Gestaltungsmacht aus und bestimmen über immer mehr Aspekte des Marketings. Als Teil ihrer persönlichen Ich-Kampagne suchen sie Marken, mit denen sie sich identifizieren können und kombinieren und wechseln diese nach Lust und Laune. Hier werden die Herausforderungen für die Markenführung deutlich: Die früher im Hinterzimmer aufgehübschte und auf die Bühne gestellte Marke soll auf einmal in einer vernetzten Welt bestehen. 

Konsumenten sehnen sich nach Identifikation

Um in der neuen „We-Economy“ als Marke weiterhin erfolgreich Konsumenten von der eigenen Leistungsfähigkeit zu überzeugen, sind Unternehmen gefordert, die stetigen Veränderungen in den Konsumentenpräferenzen schnell zu verarbeiten und agil zu handeln. Dabei war es nie zuvor so wichtig wie heute, eine lebendige und nachhaltige Beziehung zum Konsumenten aufzubauen, ihn in seinen Werten und Zielen zu verstehen und entsprechendes Identifikationspotenzial zu bieten. Zahlreiche soziale Verbindlichkeiten, wie die klassische Familie oder die langfristige Ausübung desselben Berufes, haben sich aufgelöst – der Konsument ist auf der Suche nach neuen Möglichkeiten sich zu identifizieren und dazu zu gehören.

Die aktuelle Willkommenskultur ist ein Zeichen für den Wunsch nach einer stärkeren gesellschaftlichen Teilhabe und Mitbestimmung und letztendlich ein Ausdruck davon, sich eine Welt einzurichten, in der das eigene Handeln unmittelbar zu Resultaten führt. Laut Zukunftsinstitut sind „(…) die Zeiten der Superhelden, die alles im Blick haben können und Orientierung geben (…), vorbei (…).“ Unternehmen müssen sich die Frage stellen, ob sie strukturell in der Lage sind, sich schnell neuen Kontexten und Bewegungen anzupassen, ohne an ihrer eigenen Flexibilität zu scheitern. Dabei werden die Gewinner dieser Entwicklungen diejenigen Marken sein, die die innere Stärke besitzen, nach außen flexibel zu reagieren und den Konsumenten wieder ein Vorbild zu sein.

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