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05.10.2012 | Marketing + Vertrieb | Interview | Online-Artikel

Design ist Chefsache

verfasst von: Isabel Kiely

4:30 Min. Lesedauer

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Andrej Kupetz, Hauptgeschäftsführer des Rat für Formgebung, spricht im Interview über die Grundregeln erfolgreicher Markenführung und die Bedeutung der Produktverpackung am Point of Sale. Viele Unternehmen vergeben bei der Markenkommunikation noch etliche Chancen, so Kupetz.

Springer für Professionals: Wie wichtig ist Kundenbindung für den Erfolg von Marken?

Andrej Kupetz: Das Thema Kundenbindung ist im Bereich Handel ganz entscheidend für den Erfolg. Nur ein gutes Erlebnis am Point of Sale führt auch dazu, dass der Kunde eine Marke wieder kauft. Es ist eine der größten Herausforderungen in der Markenführung, dieses Kauferlebnis über alle Kontaktpunkte hinweg kongruent und konstant zu gestalten.

Gelingt das den Unternehmen schon?

Es gibt noch Luft nach oben. Ein gutes Beispiel, bei dem aus meiner Sicht noch großer Nachholbedarf besteht, ist die Automobilindustrie. Zwar verfügen die meisten Premiummarken über sehr schöne Autohäuser, in denen man die Marke auch im Serviceverhalten der Mitarbeiter vor Ort erleben kann. Doch es besteht eine Diskrepanz zwischen dem digitalen Markenerlebnis und der konkreten Verkaufssituation. So ist es auf der Website beispielsweise möglich, sich mittels Car-Konfigurator mit wenigen Klicks sein individuelles Traumauto zusammenzustellen. Doch wenn Sie ein Auto kaufen wollen, sitzen Sie einem Verkaufsberater gegenüber, der Dinge in eine beispielsweise SAP-basierte Maske eingibt. Sie können also nicht sehen, wie jetzt das Auto eigentlich aussieht, das sie sich vorher im Internet angeschaut haben. Zu oft ist das Markenerlebnis in der Verkaufssituation ausgeschaltet, sei es aus vertriebstechnischen oder logistischen Gründen. Daran müssen wir unbedingt arbeiten.

Das Motto Ihrer diesjährigen Konferenz "Architektur für Marken"  ist "Retail Design – Freunde am Point of Sale". Wie  beurteilen Sie das Potenzial der neuen Technologien und Kommunikationskanäle wie der sozialen Netzwerke für das Retail Design?

In der Verbindung zwischen den digitalen Medien und den neuen Entwicklungen liegen großartige Chancen. Kunden können heute über Social Media in den direkten Dialog mit Marken treten.  Damit steigt der Einfluss des Einzelnen auf die jeweilige Marke,  beispielsweise wenn potenzielle Käufer in die Produktentwicklung mit einbezogen werden. Durch die neuen Technologien ändert sich die Beziehung zwischen Kunde und Marke. Für viele Unternehmen ist diese Situation eine Herausforderung. Außerdem stellt sie die bisherigen Geschäftsmodelle in Frage. Denn das Web 2.0 generiert hier völlig neue Formen, wie zum Beispiel die E-Commerce-Plattform dawanda, auf der selbst gemachte Produkte zum Kauf angeboten werden.

Welche Beispiele gibt es derzeit für innovative Retail-Konzepte?

Es gibt viele Unternehmen aus dem Bereich Sportswear und Sportsdesign, die schon sehr früh damit angefangen haben, die verschiedenen Kanäle miteinander zu vernetzen. Zum Beispiel können Kunden  ihren persönlichen Nike-Schuh im Internet entwerfen und anschließend im Laden abholen. Diese Unternehmen verstehen es, etwa durch den Einsatz von Projektionen oder Augmented Reality Markenerlebnisse multimedial zu gestalten. Auch Unternehmen, die aus dem Bereich der digitalen Medien bzw. der Kommunikation kommen, wie etwa die Telekommunikationsanbieter O2 und Telekom, achten sehr stark  auf ein kongruentes Markenerlebnis.

Welche Bedeutung kommt der Produktverpackung für die Markenkommunikation am Point of Sale zu?

Eine ganz entscheidende. In der Verkaufssituation kann die Verpackung dasjenige Element sein, das eine Marke erst erkennbar macht. Bei einem Discounter, wo ich verschiedenste Marken habe, ist die Verpackung möglicherweise das einzige vorhandene Instrument, um auf eine Marke einzuzahlen. Wir beobachten allerdings, dass die Verpackung in der Praxis noch viel zu wenig für die Markenkommunikation  genutzt wird. Unternehmen vergeben sich hier sehr viele Chancen, ihre Marke entsprechend ihrer Positionierung auch im Handel zu kommunizieren. Aus Kostengründen und logistischen Gründen werden  Investitionen  gescheut.

Was sind die Grundregeln einer erfolgreichen Markenführung?

Besonders wichtig ist das Thema Ganzheitlichkeit, also dass ein Unternehmen in allem was es tut kongruent und konsistent handelt. Dazu gehört nicht nur eine strategisch angelegte, wiedererkennbare und eigenständige Designsprache der Marke. Es geht auch darum, wie die Prozesse im Unternehmen selbst gestaltet sind und wie nach innen und außen kommuniziert wird.

Was sind die häufigsten Fehler in der Markenführung von Unternehmen?

Fehler gehen oft auf Widersprüche zwischen kurzfristigen Zielen, die der Marketing- oder Vertriebsbereich definiert hat, und der langfristigen Unternehmensausrichtung zurück.  Diese Problematik besteht natürlich besonders bei börsennotierten Unternehmen. Zudem erkennen noch zu wenige Unternehmen das Potenzial ihrer Mitarbeiter als Markenbotschafter. Wir haben tatsächlich schon erlebt, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens weder die Positionierung der Marke, noch die Produkte richtig kennen. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen das Potenzial, sich zu einer starken Arbeitgebermarke zu etablieren, ungenutzt lassen. Solche Baustellen müssen im Sinne einer stringenten Markenführung schleunigst angegangen werden.

Wie sollte Design ihrer Ansicht nach organisatorisch in Unternehmen verankert sein?

Design ist nach wie vor Chefsache. Die meisten Unternehmen haben zwar einen Vorstandsbereich Marketing Operations oder Marketing und Vertrieb, bei dem auch die Themen Marke und Design aufgehängt sind. Doch das allein reicht nicht. Die Bedeutung, die dem Thema Marke inzwischen zukommt, sollte auch in den Vorstandspositionen tatsächlich abgebildet werden. Ich plädiere dafür, dass Unternehmen jemanden im Vorstandsbereich definieren sollten, der auch im Titel das Thema Marke trägt.

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