Content-Spezialist Gerrit Grunert ist froh, dass der Hype um Content Marketing abgeflaut ist. Denn nun folgt die Professionalisierung. Was es dazu braucht, veranschaulicht der Springer-Autor im Interview mit springerprofessional.de.
springerprofessional.de: Herr Grunert, als Geschäftsführer einer Content-Marketing-Agentur erleben Sie täglich, wie unterschiedlich dem Thema Content Marketing begegnet wird. Welche Probleme ergeben sich daraus für die operative Umsetzung in Unternehmen?
Gerrit Grunert: Ein Problem, das eine so vielschichtige Marketing-Meta-Disziplin wie das Content Marketing hervorruft, ist die Fokussierung. Ein Beispiel: Jeder Marketer verfügt über einen anderen Background, je nachdem, wo er sein Handwerk gelernt hat. Und das, was man besonders gut kann, tut man auch besonders gern. Das führt häufig zur Überbetonung der entsprechenden Marketing-Maßnahmen. Ich erlebe, dass Mitarbeiter mit SEO-Background weniger mit der Markenkommunikation umgehen können und kreative Strategen mit den Aspekten des Performance Marketings hadern.
In der Praxis sehen wir dann in den Top-Positionen auf Google schnelle, suchmaschinenoptimierte Websites, die für rein gar nichts stehen, während ich viele Websites mit einem starken Brand Statement kenne, die in den Suchmaschinen so gut wie nicht auffindbar sind. Content Marketing muss aber all das gleichzeitig können. Die dazu notwendigen Generalisten sind eher selten auf dem Markt zu finden und wenn, lassen sie sich nicht skalieren. Die Wissenslücken bei den Spezialisten müssen deshalb ergänzt werden. Zwar nicht auf dem Niveau der Spezialdisziplin, aber zumindest so, dass sie sich mit den anderen Disziplinen verschränken können. Content Marketing ist ein Teamsport.
Wie kann die Methode "Content Marketing Excellence", die Sie in Ihrem Buch "Methodisches Content Marketing" vorstellen, Unternehmen praktisch helfen?
Ich betrachte das Content Marketing, wie bereits erwähnt, als Meta-Disziplin. Jede Disziplin verfügt über unterschiedliche Methoden, Prozesse und Denkweisen. Weiterhin eignet sich jede Methode zur Erreichung ganz spezieller Ziele. Um ein Gesamtziel zu erreichen, sollte man deshalb sehr genau wissen, wann was mit welcher Methode zu tun ist.
An diesem Punkt setzt mein Buch an: Im ersten Teil werden alle das Content Marketing berührenden Disziplinen, wie zum Beispiel das Influencer Marketing, das E-Mail-Marketing oder die Suchmaschinenoptimierung, beleuchtet, inklusive Ziele, Herausforderungen und typischer Arbeitsweisen. Im zweiten Teil wird dieses Wissen in einen ganzheitlichen, sechsstufigen Arbeitsprozess überführt, der mit Planung und Research beginnt und über die Konzeption, die Produktion und Distribution in den Analytics mündet. Das Besondere dabei ist, dass ich diesen Prozess als Framework angelegt habe. Damit kann es jedes Unternehmen anwenden, egal ob es Baumaschinen oder Software verkauft. Wissen allein reicht nicht aus, prozedurales Wissen ist der Schlüssel. Das Buch ist deshalb als Workbook für die Arbeit im Feld gedacht.
Wie schnell sind messbare Erfolge und ein ROI zu erwarten? Und wie verhält es sich bei Content, der nicht unmittelbar der Verkaufsförderung oder dergleichen dient, sondern auf die Marke einzahlen soll?
Messbare Erfolge sind sofort sichtbar. Wir verfolgen im Content Marketing recht klare Ziele:
- Wir möchten uns mit Content positionieren,
- unsere Markenwahrnehmung steigern,
- Nutzer auf unser Angebot locken,
- sie in Leads konvertieren
- und sie digital soweit qualifizieren, dass sie langfristig Kunden und Fans unseres Angebotes werden.
Schon mit dem ersten geschriebenen Wort erfüllen wir das erste Ziel: Wir positionieren uns. Mit dem ersten Social-Media-Post und dem ersten von Google indizierten Text, was eine Sache von Minuten ist, steigern wir unsere Markenwahrnehmung und gewinnen Besucher. Mit der ersten Registrierung für unseren Newsletter haben wir unseren ersten potenziellen Kunden gewonnen, den wir nur noch qualifizieren müssen. Das heißt, dass Erfolge sofort messbar sind und wir wir bekommen einen Return für unseren Invest. Wann sich das Investment auszahlt, lässt sich zwar kalkulieren und schätzen, aber nicht für jedes Projekt pauschalisieren. Versuche machen klug.
Und wie Sie vielleicht bemerkt haben, waren die ersten Ziele nicht unbedingt vertrieblicher Natur, auch wenn der Zweck eines Unternehmens am Ende doch ziemlich vertrieblich ist: nämlich Gewinne zu erwirtschaften.
Influencer Marketing, Programmatic Advertising oder andere neuere Maßnahmen werden immer wieder als Ablöser des Content Marketing diskutiert. Wie sehen Sie die Zukunft Ihrer Disziplin?
Wenn wir uns den "Gartner Hype Cycle for Digital Marketing and Advertising" von 2018 ansehen, dann finden wir dort alle drei der von Ihnen genannten Disziplinen wieder, allerdings in verschiedenen Phasen eines Hypes. Und ja, der Hype um das Content Marketing ist abgeflaut, es befindet sich in der Konsolidierungsphase. Was eben noch als Idee eines missionierenden Speakers auf einem beliebigen Event in Boston verkündet wurde, muss jetzt in den Unternehmen umgesetzt werden. Mit meinem Buch will ich dabei helfen. Ich bin also recht glücklich, dass das Content Marketing als Hype abgelöst wurde und wir nun an die Arbeit gehen können.
Influencer Marketing und Programmatic Advertising sind sehr interessante Marketing-Disziplinen. Doch auch bei ihnen geht es im Kern um die Vermittlung zwischen Angebot und Nachfrage per Content, auch wenn er bei beiden sehr unterschiedlich ausfällt. Sie sind also vielmehr Bestandteile des Content Marketings als Alternativen.
Content Marketing gibt es schon seit mehr als 100 Jahren, der letzte große Schub kam durch die Digitalisierung. Neue Technologien werden dem Content Marketing wieder einen solchen Schub versetzen, da bin ich sicher. Es gibt kein Anzeichen dafür, dass Unternehmen in Zukunft bei der Vermarktung ihrer Produkte auf Content verzichten könnten, schließlich würden sie damit ihre Stimme verlieren.