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14.09.2020 | Marketingstrategie | Interview | Online-Artikel

"Neu am Purpose-Konzept ist der konsequente Perspektivwechsel"

verfasst von: Andrea Amerland, Eva-Susanne Krah

4:30 Min. Lesedauer

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Interviewt wurden:
Dr. Annette Bruce

gründete 2001 die Creative Advantage GmbH in Hamburg und ist Geschäftsführerin des Unternehmens.

Christoph Jeromin

ist Associate Partner bei der Creative Advantage GmbH in Hamburg. 

Corporate Purpose wird zum Benchmark für erfolgreiche Unternehmen. Die Springer-Autoren Annette Bruce und Christoph Jeromin erklären im Interview, warum der Strategieansatz unverzichtbar geworden ist und wie er auf die Wertschöpfung des Unternehmens einzahlt.

Springer Professional: Frau Dr. Bruce, die Idee vom guten Kaufmann gibt es schon länger. Tue Gutes und rede darüber. Was ist an dem Purpose-Thema neu?

Dr. Annette Bruce: Bestimmte Aspekte davon, was man unter einem guten Kaufmann versteht, sind auch für Purpose-orientiertes Unternehmertum von Bedeutung. Ich denke hier zum Beispiel an Aspekte wie partnerschaftliches Agieren am Markt oder die faire Behandlung von Mitarbeitern. Das Neue am Purpose-Konzept ist jedoch der konsequente Perspektivwechsel im gesamten Unternehmen, angefangen vom Management bis in die operative Ebene. Dabei geht es darum, die lokale und globale Marktumwelt als integralen Bestandteil der Unternehmensaktivitäten zu verstehen. Diese spielte bisher in unserem Wirtschaftssystem nur eine untergeordnete Rolle. Die Einflüsse und Kosten der Marktumwelt galt es zu managen oder man nahm sie als Externalität einfach in Anspruch.

Corporate Purpose – das Erfolgskonzept der Zukunft

Herr Jeromin, wie kann Corporate Social Responsibility beziehungsweise Corporate Purpose im Unternehmen verankert und gelebt werden?

Christoph Jeromin: Uns ist die Unterscheidung von Corporate Social Responsibility (CSR) und Corporate Purpose sehr wichtig – ohne diese gegeneinander ausspielen zu wollen. Der wesentliche Unterschied ist, dass CSR ein nach außen wirkendes Projekt eines Unternehmens ist, während Corporate Purpose seine Wirkung innerhalb und außerhalb des Unternehmens entfaltet. Denn Corporate Purpose zielt auf die Einlösung eines Mehrwert-schaffenden Versprechens ab, das Nutzen für Stakeholder im lokalen Umfeld des Unternehmens oder auf globaler Ebene generiert. Dabei wird die Zielgröße Profitabilität um das Ziel der Erhöhung des Gemeinwohls ergänzt. Dazu ist es essenziell, dass der Purpose mit der Wertschöpfung des Unternehmens direkt verbunden ist. 
CSR hingegen setzt sich in der Regel neben der eigentlichen Geschäftstätigkeit auf Projektbasis für Nachhaltigkeit oder die Gesellschaft ein, steht aber nicht direkt mit der Wertschöpfung oder dem Geschäftsmodell selbst in Verbindung.

In welchen Bereichen der Unternehmensaktivitäten, auch mit Blick auf Kunden und Markt, kommen Corporate-Purpose-Aspekte stärker als früher ins Spiel?

Annette Bruce: Insbesondere nachwachsende Generationen stellen an Unternehmen vehement die Frage nach der Sinnhaftigkeit des wirtschaftlichen Tuns. Immer mehr Menschen suchen gezielt nach Produkten, Unternehmen und Dienstleistungen, die nicht nur Shareholder glücklich machen, sondern ihr Selbstverständnis aus der umfassenden Befriedigung der Bedürfnisse aller Stakeholder ziehen. Hier gibt es bereits zahlreiche Beispiele von Unternehmen und Marken, die durch entsprechendes Handeln ihre Marktposition und Wettbewerbsfähigkeit verbessern konnten. Denn Kunden und Konsumenten honorieren intrinsisch motiviertes Engagement und honorieren es entsprechend. Besonders nachhaltige Marken, wie zum Beispiel im Outdoor-Bereich Vaude oder Patagonia, sind darüber in der Lage, sich erfolgreich zu differenzieren und Marktanteile auszubauen. Ein weiteres Beispiel aus dem Dienstleistungsbereich ist die Direktbank DKB. Das Unternehmen hat sich entschieden, angelegte Kundengelder im Rahmen des klassischen Geschäftsmodells einer Bank konsequent in Projekte und Anlagen zu investieren, die ausgewählte Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen fördern. 
Hat man sein Angebot purpose-orientiert gestaltet, ergeben sich daraus ganz automatisch relevante und wirksame Botschaften für die Unternehmens- und Marketingkommunikation in Richtung Kunden.

Was sollten Unternehmen in ihren Purpose-Strategien beachten, damit sie glaubhaft sind und am Ende kein Purpose Washing betreiben? 

Christoph Jeromin: Transparenz, Transparenz, Transparenz. Ist ein Purpose in das Geschäftsmodell und die Wertschöpfungskette integriert, kann sich diese Frage gar nicht stellen. Dies ist natürlich in der Umsetzung deutlich anspruchsvoller als nur eine kommunikative Haltungskampagne zu starten. Es minimiert oder eliminiert aber dafür das Risiko, als Unternehmen wahrgenommen zu werden, das Purpose Washing betreibt.

Im Zusammenhang mit einem nicht nur rein auf Gewinn ausgelegten Unternehmenszweck sprechen Sie von Verantwortungseigentum. Was umfasst der Begriff und welche Chancen stecken darin auch langfristig für Unternehmensentscheider?

Annette Bruce: Unser Gastautor Achim Hensen setzt sich mit der Purpose Stiftung im deutschsprachigen Raum stark für das Verantwortungseigentum ein. Es ist eine rechtliche Alternative zur Organisation von Unternehmenseigentum. Kurz gesagt sorgt Verantwortungseigentum dafür, dass Unternehmen nicht in Privatbesitz sind, sondern dauerhaft sich selbst gehören. Die Kernprinzipien des Konzepts sind Selbstbestimmung und Sinnhaftigkeit. Es passt also sehr gut zu Unternehmen, die Corporate Purpose mit höchster Konsequenz verfolgen wollen.

Corporate-Purpose-Aspekte sind in ihrer Bedeutung als zusätzlicher Indikator für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen wichtig geworden. Wie verändert dies die Arbeit Führungsverantwortlicher in Unternehmen in wichtigen Unternehmensbereichen wie etwa Vertrieb und Marketing in den nächsten Jahren?

Christoph Jeromin: Die Erweiterung der Management-Perspektive auf Stakeholder-Ebene bedeutet Weiterentwicklung oder sogar Transformation, bei der Führungskräfte aller Funktionen mutig voran gehen müssen. Marketing und Vertrieb kommt dabei eine wichtige Rolle zu, denn sie haben direkte Beziehungen zu wichtigen Stakeholdern wie Absatzmittlern und natürlich den Kunden. Dementsprechend müssen sie zum einen die Bedürfnisse und Ansprüche aller relevanten Stakeholder identifizieren und analysieren, damit Geschäftsmodell und Wertschöpfung purpose-orientiert ausgerichtet werden können. Zum anderen sind sie aber auch Sprachrohr nach draußen. Das heißt, sie müssen den Purpose in ihrem eigenen Tun verankern und leben.  

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