Der deutsche Werbemarkt stagniert. Mit rund 21,8 Milliarden Euro bleiben die Spendings der werbetreibenden Unternehmen in den ersten neun Monaten des Jahres gerade so auf Vorjahres-Level. Das könnte auch an Verschiebungen der Investments in andere Kanäle liegen.
Werbungtreibende sind 2018 bisher zurückhaltender bei ihren Investments. Werbegelder verlagern sich in die sozialen Medien.
Harald Richter/ Panthermedia
Die aktuellen Nielsen-Zahlen des "Werbetrend 2018" zeigen, dass manche der größeren werbetreibenden Unternehmen zumindest in den klassischen Kanälen auf Sparkurs sind. Und das, obwohl die Wirtschaftskonjunktur nach wie vor stark ist. Ende September 2018 erreichten die Werbeausgaben der Top 20 Werber unter den Unternehmen in Deutschland gerade mal die Vorjahresmarke. Im Ranking der zehn höchsten Bruttowerbeaufwendungen von Januar bis September 2018 kommen Procter & Gamble auf Platz 1, der Süßwarenhersteller Ferrero, L'Oreal und die Discounterkette Lidl sowie die Volkswagen AG folgen auf den Plätzen zwei bis fünf. Ferrero bewarb beispielsweise Mitte des Jahres das Produkt "Tic Tac Kaugummi" stark im TV. Deutsche Telekom und Media-Saturn liegen im Ranking an Platz sechs und sieben. Die Plätze acht bis zehn nehmen der Konsumgüterkonzern Beiersdorf, das Healthcare-Unternehmen Reckitt Benckiser Deutschland und als Schlusslicht Kaufland ein.
Vor allem große Unternehmen wie Telekom oder Unilever haben jedoch nach Auswertungen von horizont.net am meisten ihre Werbeausgaben reduziert, etwa bei Publikumstiteln oder der TV-Werbung. Vor allem in Content Marketing oder Search würden wohl Budgets umgeschichtet. Soziale Netzwerke wie Facebook setzen auf das Medium Zeitung. Das Unternehmen hat sich mit rund 23 Millionen Euro Mehrausgaben in diesem Medium engagiert.
Discount-Handel ist Top-Spender
Top-Spender in der Zeitungswerbung sind beispielsweise die Discounterketten, allen voran Aldi, Lidl und Norma. Sie haben ihre Ausgaben um 9,2 Millionen Euro und jeweils rund 8,5 Millionen Euro gesteigert. Kaufland und Rewe machten hingegen Abschläge im zweistelligen Millionenbereich.
Nielsen Werbestatistik, "Werbetrend: September 2018", Datenstand 15.10.2018
Jens-Uwe Steffens, Hauptgeschäftsführer von Pilot Hamburg, rechnet für das Gesamtjahr 2018 mit einem Netto-Wachstum des deutschen Werbemarkts von zwei bis drei Prozent. "Das statistische Marktwachstum verschwindet ja seit Jahren in der Blackbox von Google und Facebook – die bekannte These, dass sich die Werbeausgaben von der Konjunktur entkoppeln, stimmt deshalb nur bedingt", so Steffens. Aus seiner Sicht verschiebt sich der Trend hin zu Content Marketing zulasten anderer Investitionen im Bereich Kommunikation.
Veränderte Werbemärkte
Auch in das Social Web fließen immer mehr Werbegelder, wie eine Prognose von Zenith kürzlich gezeigt hat. Das hängt auch mit dem Präsenzdruck aufgrund junger Zielgruppen der Generation Y und Z zusammen, die sich in diesen Netzwerken bewegen und von Unternehmen werblich angesprochen werden müssen.
Im Zuge der veränderten Werbemärkte müssen sich auch Werbungtreibende stärker wirtschaftlichen und makroökonomischen Fragen stellen. Der Springer-Autor Ralf Nöcker betrachtet im Buchkapitel "Zukunft der Werbung und der Agenturen" die Tatsache, dass vor allem die neuen digitalen Kanäle "viele Gesetze der Marketingkommunikation außer Kraft gesetzt" haben:
- Die Zahl der Kommunikationskanäle ist erheblich gewachsen,
- der Dialog mit dem Kunden tritt zunehmend an die Stelle der reinen Absenderwerbung,
erklärt Nöcker. Zudem rückten gerade, wenn digitale Kanäle ins Spiel kämen, Kommunikation, Verkauf und Vertrieb näher zusammen. Mit der nachstehenden Übersicht macht er deutlich, welche Vielzahl allein an sozialen Kanälen beworben werden müssen und wie sie die Werbelandschaft insgesamt verändern.
Eine Vielzahl von Social-Media-Kanälen erschwert Werbungtreibenden das sinnvolle Splittung von Werbegeldern.
Aus: Nöcker, R.: "Zukunft der Werbung und der Agenturen", 2018, Seite 158
Für Werbe- und Marketingverantwortliche in Unternehmen wie Agenturen erschwert sich damit das richtige Splitting bei den Werbeinvestitionen. Nöcker fällt auf, dass nicht nur die Zahl der für Marketing-Kommunikation nutzbaren Kanäle zugenommen hat, sondern auch die Qualität der Kommunikation in Richtung eines Dialogs zwischen Werbung treibenden Unternehmen und Kunden driftet. Auch Agenturen müssen daher ihre Wertschöpfungsarchitektur als Werbemittler überdenken, denn Pauschalkonzepte für eingesetzte Werbebudgets greifen nicht mehr. Agenturen nehmen künftig entweder die Rolle des kreativen Datenverwalters, kreativen Beraters oder Generalunternehmers ein. Nöcker stellt fest, dass Agenturen und Berater immer stärker in Produktentwicklung und Marketing-Strategie der Unternehmen eingebunden sind.