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30.07.2014 | Maschinen | Schwerpunkt | Online-Artikel

Code der Turbulenz geknackt

verfasst von: Dieter Beste

3 Min. Lesedauer

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Das Rätsel Turbulenz begleitet Strömungsmechaniker auf ihrem Berufsweg. Mit Hilfe von Hochleistungsrechnern ist es nun einem Wissenschaftlerteam gelungen, den statistischen Gesetzen der großen und kleinen Wirbel auf die Schliche zu kommen.

Turbulenzwirbel entstehen durch einen äußeren Antrieb, etwa einem Druckgefälle oder einer Wärmezufuhr. Sie reiben sich aneinander und zerfallen in einem ständigen Kommen und Gehen. Dabei geben sie ihre Bewegungsenergie an kleinere Wirbel – ihre „Bruchstücke“ – weiter, die diesen Schwung wiederum nahezu verlustfrei zu noch kleineren Wirbeln mittels derselben Prozesse durchreichen.

Diese Abwärtskaskade erzeugt immer feingliedrigere sogenannte Scherschichten zwischen den zerfallenden Wirbeln. Dabei handelt es sich um lokalisierte dünne Schichten, in denen sich die Geschwindigkeit über kleinen Distanzen stark ändert (siehe Abbildung). Die Kaskade der Bewegungsenergie hört erst auf, wenn die Wirbel so klein sind, dass die molekulare Zähigkeit des turbulenten Mediums bedeutend wird und die Wirbelbewegung in Wärme wandelt. In Windböen ist das bei etwa einem Millimeter der Fall. Je stärker die Turbulenzen sind, desto größer ist der so genannte inertiale Kaskadenbereich zwischen den größten und kleinsten Wirbeln. In „Numerische Strömungssimulation in der Hydrodynamik” stellt Springer-Autor Helmut Martin ab Seite 49 Grundlagen der Turbulenz vor.

Kolmogorov-Hypothese

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Es war der bekannte russischer Mathematiker Andrei Nikolajewitsch Kolmogorov, der vor mehr als 70 Jahren in einem nur vier Seiten langen Bericht an die Akademie der Wissenschaften der damaligen Sowjetunion die Hypothese aufstellte, dass das scheinbar zufällige Auftreten der größeren und kleineren Wirbel immer den gleichen statistischen Gesetzen folgt, wenn man sich Geschwindigkeiten nur hinreichend „weit unten“ in einem ausgedehnten Kaskadenbereich anschaut. Die Turbulenz sollte dort vergessen haben, wie sie aufrechterhalten wird; der Tanz der Wirbel folgt dort stets den gleichen Gesetzen. Seither haben Heerscharen von Strömungsforschern versucht, immer stärkere Turbulenzen zu erzeugen bzw. in immer mächtigeren Supercomputern zu studieren. Die heutigen Superrechner sind jedoch immer noch nicht leistungsfähig genug, um einen weit ausgedehnten inertialen Kaskadenbereich zu erhalten, der für die Bestätigung von der Hypothese von Kolmogorov notwendig wäre.

Scherschichten sind der Schlüssel zum Verständnis

Eine Gruppe von in Deutschland und den USA arbeitenden Wissenschaftlern unter Leitung von Jörg Schumacher von der Technischen Universität Ilmenau hat im Laufe der letzten acht Jahre in wissenschaftlicher Detektivarbeit Indizien gesammelt, die eine alternative Route zur Bestätigung von Kolmogorovs Hypothese vorschlagen. Statt auf die Wirbel selbst zu schauen, konzentrierten sie sich auf die sehr feinen Scherschichten zwischen den Wirbeln. Die Forscher berichten in der Zeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA", dass im direkten Vergleich dreier turbulenter Strömungen mit unterschiedlichem Antrieb stets die gleichen statistischen Gesetze für die Fluktuationen eben dieser feinen Scherschichten folgten. Universalität konnte damit zu mindestens für diese drei Strömungen gezeigt werden. Die Turbulenzen sind also in der Tat universell und müssen nicht mal besonders stark sein. Der „genetische Code“ der Turbulenz ist folglich mit heute vorhandener Höchstleistungsrechentechnik bereits entschlüsselbar, wenn man auf die richtigen physikalischen Größen – die Scherschichten – schaut. Schumacher und seine Kollegen griffen dazu im Laufe der letzten Jahre immer wieder auf Europas schnellste Rechner wie die Supercomputer am Jülich Supercomputing Centre zurück.

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Die Hintergründe zu diesem Inhalt

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