Die auf die Arbeitsausführung ausgerichteten Szenarien werden durch ein viertes Szenario ergänzt, welches Vorgehen und Erfahrungen der befragten Unternehmen und Organisationen im operativen Umgang mit krisenbedingten Herausforderungen bzw. der Pandemie, inklusive der Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse von neuen Maßnahmen umfasst.
Gemäß den Grundsätzen für die Szenariengenerierung wird eine übergeordnete Zielsetzung für alle formulierten Szenarien konzipiert: Ziel des Unternehmens/der Organisation ist es, die Arbeitsfähigkeit in Anbetracht der pandemiebedingten Herausforderungen aufrechtzuerhalten bzw. zu fördern und dabei die Standards Gute Arbeit einzuhalten.
4.1 Szenario „Ortsgebundenes Arbeiten“
Das erste Szenario adressiert ortsgebundenes Arbeiten. Relevant ist dieses Szenario beispielsweise für produzierende Unternehmen, ambulante oder stationäre Pflege sowie Anbau bzw. Ernte land-/oder forstwirtschaftlicher Erzeugnisse. Physische Anwesenheit ist in diesem Szenario unabdingbar, was sich beispielsweise aus dem für die Erbringung einer Dienstleistung zwingenden persönlichen Kontakt ergibt oder aus der technologischen Notwendigkeit.
In diesem Szenario durchlebt eine fiktive Person einen Arbeitstag im Unternehmen vor Ort. Dabei werden insbesondere Aspekte des Hygienekonzepts, die räumliche Trennung von Personen und Arbeitsbereichen und die Möglichkeit zu Weiterbildung und Schulungen dargestellt. Einen zentralen Baustein des Szenarios stellen die Kommunikation des Unternehmensstatus sowie die Kommunikation der Etablierung von Maßnahmen dar.
Der Logik des MTO-Ansatzes entsprechend, werden die Inhalte im Folgenden differenziert, die im Rahmen des Szenarios zu ortsgebundenem Arbeiten adressiert werden.
4.1.1 Mensch
Ein Themenkomplex, der im Szenario zu ortsgebundenem Arbeiten von großer Bedeutung ist und der Dimension Mensch zugeordnet wird, dreht sich um die Themen Interesse und Bedürfnisse. In den Interviews wurde die Möglichkeit zur Mitsprache der Belegschaft häufig hervorgehoben, da es pandemiebedingt vermehrt zu top-down Entscheidungen kam. Im Sinne der Belegschaft sollten Möglichkeiten zur Mitsprache in ausgewählten Bereichen jedoch auch während der Pandemie gewährt werden. So wünschen sich viele Beschäftigte mehr Flexibilität und Mitsprache bei der Planung von Schichtarbeit und Arbeitszeit.
Von den Teilnehmenden wurde zudem der fehlende bzw. reduzierte soziale Kontakt angesprochen. Der Wegfall gemeinsamer Pausen und Treffen vor Ort beeinflussten das Wir-Gefühl und den informellen Austausch zwischen Beschäftigten. Anhand gezielter Maßnahmen und Angebote kann der Austausch in der Belegschaft gefördert werden.
Die Qualifikation und digitale Kompetenz der Belegschaft ist ein weiterer Baustein des Szenarios. Vereinzelt kam es in Unternehmen pandemiebedingt zu Kurzarbeit oder der Substitution auszuführender Tätigkeiten. Die Zeit für zwischenzeitlich nicht ausführbare Tätigkeiten hätte nach Einschätzung eines Interviewpartners gewinnbringend für Weiterbildungen und Schulungen genutzt werden können.
Persönliche Schutzausrüstung, insbesondere das Tragen der Masken (FFP2-Masken, medizinische Masken oder Mund-Nase-Bedeckungen), welche während der Pandemie bei ortsgebundenem Arbeiten in Unternehmen und Organisationen obligatorisch war, wurde in den Interviews zwar als Belastung beschrieben, jedoch gleichzeitig überwiegend positiv bewertet, da nur so das Arbeiten vor Ort möglich ist. Dass ausreichend Schutzausrüstung von Unternehmen/Organisationen zur Verfügung gestellt werden und die Masken am Arbeitsplatz abgenommen werden können, erhöht die Akzeptanz in der Belegschaft.
Die Einführung eines Standardprozesses bei Verdachtsfällen wurde im Rahmen der Interviews als wertvoller Beitrag für die Vermittlung eines Sicherheitsgefühls für die Beschäftigten beschrieben. Insbesondere um Unsicherheiten und Ängste der Beschäftigten vorzubeugen, sind Infektionsfälle umgehend zu melden.
4.1.2 Technik
In der Dimension Technik lässt sich die Einführung und der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien verorten. Die Bereitstellung von Information über synchrone und asynchrone Wege, um einerseits die Möglichkeit zu geben, Fragen zu stellen und andererseits sicherzustellen, dass die gesamte Belegschaft jederzeit auf die Informationen zugreifen kann, wurde im Rahmen der Interviews hervorgehoben. Ebenso wurde auf positive Resultate durch die Einführung von Online-Bewerbungsgesprächen und Online-Terminvereinbarung zur Aufrechterhaltung von Prozessen verwiesen.
Hinsichtlich der Arbeitsmittel wurden vorwiegend Hygieneaspekte aufgeführt. Dies umfasst neben der Einführung von Plexiglasscheiben zwischen Arbeitsplätzen auch die Desinfektion der Räumlichkeiten und die Möglichkeit persönlicher Desinfektion. Sowohl mit Blick auf die persönliche Schutzausrüstung als auch auf die Arbeitsmittel gingen die Befragten teilweise davon aus, dass angepasste Hygienekonzepte auch nach der Pandemie bestehen bleiben, da sich die Maßnahmen scheinbar auch positiv auf die Prävention anderer Erkrankungen, wie beispielsweise grippale Infekte, ausgewirkt haben. Im Vergleich zu den Vorjahren konnte in manchen Unternehmen ein Rückgang der AU-Tage verzeichnet werden.
4.1.3 Organisation
Die Dimension Organisation umfasst vorwiegend Aspekte zu räumlichen Bedingungen und Arbeitsort bzw. -zeit. Neben der Schichtzusammensetzung aus festen, kleinen Teams führten auch zeitlich versetzte Pausen dazu, dass weniger Kontakte zwischen Beschäftigten verschiedener Teams entstehen. Dies ermöglicht einerseits, dass die Arbeit auch im Falle eines Infektionsfalls Großteils weitergeführt werden kann. Andererseits kann es zu einer Spaltung in Arbeitsbereichen führen, da der Personenkreis, der sich vor Ort regelmäßig sieht/begegnet, stark eingeschränkt ist.
Die Kommunikationsstrukturen und -formen zur Verbreitung von Entscheidungen stellen in allen Szenarien einen wichtigen Anteil dar. In den Interviews wurden die Notwendigkeit der Begründung und der nachvollziehbaren Erläuterung eingeführter Maßnahmen sowie deren Anpassung betont. Insbesondere die frühzeitige Einbeziehung des Betriebsrats kann dabei einen positiven Beitrag leisten. Die regelmäßige und transparente Kommunikation von Neuerungen führt den Interviews zufolge zu einer erhöhten Akzeptanz in der Belegschaft.
4.2 Szenario „Teilweise ortsgebundenes Arbeiten“
Das zweite Szenario adressiert teilweise-ortsgebundenes Arbeiten. Es deckt ein breites Spektrum von Arbeitstätigkeiten sowohl im Sekundär- als auch im Tertiärsektor ab, wobei Sachbearbeitung, Geschäftsführung und Verwaltung beispielhafte Anwendungsfälle darstellen. Definiert wird das Szenario dadurch, dass die Leistungserbringung des Unternehmens/der Organisation teilweise physische Anwesenheit erfordert, wie z. B. für Abstimmungsprozesse und Unterschriften. Die Umsetzung vieler Aufgabenschritte ist jedoch nicht ortsgebunden und kann auch aus der Ferne erfolgen.
Dieses Szenario begleitet eine fiktive Person an einem Arbeitstag, welcher durch einen Wechsel seines Arbeitsplatzes zwischen Büro und Home-Office geprägt ist. Im Fokus des Szenarios stehen die flexible Wahl des Arbeitsortes in Abhängigkeit der Arbeitsaufgaben, die daraus resultierenden Anforderungen und Anpassungen der internen und externen Kommunikationsprozesse sowie die Auswirkungen auf die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben.
4.2.1 Mensch
Der Dimension Mensch sind insbesondere Aspekte zuzuordnen, in denen sich die flexible Wahl des Arbeitsortes auf die Arbeitsweise und die Integration des Arbeitstages in den Alltag der Mitarbeitenden auswirkt. In Bezug auf die eigentliche Arbeitstätigkeit ist hier die unterschiedliche Eignung von Arbeitsorten für verschiedene Aufgaben zu nennen. Während insbesondere kollaborative Zusammenarbeit und Entscheidungsfindungsprozesse bei komplexen und kritischen Themen von Abstimmungen in Präsenz profitieren, sind Aufgaben, welche in konzentrierter Einzelarbeit zu bearbeiten sind, gut für Arbeitsphasen von Zuhause geeignet, sofern dort die notwendigen Arbeitsbedingungen geschaffen werden können.
Die Arbeitsphasen in Präsenz tragen ebenfalls dazu bei, die sozialen Kontakte und den Austausch zwischen den Mitarbeitenden aufrecht zu erhalten, wodurch sowohl die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit und Ausnutzung von Synergiepotentialen innerhalb des Unternehmens gefördert werden kann als auch ein wichtiger Beitrag für das Wohlbefinden der Beschäftigten durch sozialen Anschluss geleistet wird. Die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben kann verbessert werden, wenn die Flexibilisierung des Arbeitsortes durch flexible Arbeitszeitregelungen ergänzt wird und die Reduktion der Arbeitszeit vor Ort auch die Reduktion der Anzahl an Dienstreisen einschließt.
Um von den Vorteilen einer Flexibilisierung des Arbeitsortes bestmöglich zu profitieren, spielt die konkrete Ausgestaltung innerhalb des Unternehmens eine wichtige Rolle. Offenkundig ist, dass je nach Tätigkeitspektrum innerhalb des Unternehmensbereichs, den Kompetenzen und der Arbeitsweise der beteiligten Mitarbeitenden und Führungskräfte sowie den zur Verfügung stehenden Arbeitsbedingungen im Home-Office, die Regelungen zur Wahl des Arbeitsortes kontextabhängig gestaltet werden sollten. Abseits bestehender Absprachen kann die Möglichkeit zu deren flexibler Anpassung im konkreten Bedarfsfall sowohl die Effektivität der Arbeitsprozesse als auch das Erfüllen privater Verpflichtungen begünstigen.
In der beschriebenen Form stellen Flexibilität und Mitsprache bei der Wahl des Arbeitsortes ein vielfach gewünschtes Zukunftskonzept dar. Dabei bietet der Wechsel zwischen Präsenz und Homeoffice ein großes Potenzial, um nicht nur die Vorteile für die Abstimmung von Arbeit und Privatleben zu ermöglichen, sondern zugleich zentrale Probleme reiner Home-Office-Lösungen, wie die Verringerung sozialer Kontakte in der Belegschaft, zu vermeiden.
4.2.2 Technik
In diesem Szenario stehen die Einführung oder vermehrte Anwendung von Kommunikations- und Informationstechnologien im Zentrum der Entwicklungen auf der Dimension Technik. Der verstärkte Fokus auf räumlich getrenntes Arbeiten erhöht den Bedarf für technische Lösungen, um formelle und informelle Kommunikationswege aufrecht zu erhalten. Besonders begünstigt werden die kommunikativen Abläufe, wenn verschiedene Interaktionsformen, wie Chat, Videokonferenz und Datenaustausch, in einer Software-Lösung integriert werden, um die Übersichtlichkeit der digitalen Kommunikation zu wahren. Zudem stellt die Möglichkeit Präsenzmeetings per Videokonferenz zu erweitern und so für Personen, die nicht in Präsenz arbeiten, zugänglich zu machen, eine wichtige Voraussetzung dafür dar, dass die Flexibilisierung des Arbeitsortes tatsächlich gelebt werden kann.
Ein weiterer Anwendungsfall für digitale Technologien zur Unterstützung des örtlich flexiblen Arbeitens ist die Anwesenheitsplanung. In diesem Szenario, in dem Mitarbeitende nur einen Teil ihrer Arbeitszeit in Präsenz arbeiten, sollten diese Phase auch gezielt für Arbeitsschritte genutzt werden, welche von der Anwesenheit vor Ort profitieren. Da hierzu insbesondere Abstimmungsprozesse zwischen Kolleginnen und Kollegen gehören, kann über eine Anwesenheitsplanung sichergestellt werden, dass die entsprechenden Personen vor Ort sind und Rücksprachen einfach möglich sind. Insgesamt stellt die Sicherstellung von Transparenz über Anwesenheit, Erreichbarkeit und erbrachte Leistung einen zentralen Erfolgsfaktor für flexible Arbeitskonzepte dar.
Neben den Abstimmungsprozessen innerhalb eines Unternehmens bietet der vermehrte Einsatz digitaler Kommunikationskanäle auch Möglichkeiten Prozesse mit Kundenunternehmen zu vereinfachen. So kann bspw. durch die Digitalisierung von Supportprozessen bis hin zur Fernwartung die Reaktionszeit und ggf. die Anzahl erforderlicher Dienstreisen reduziert werden. Die Ausweitung digitaler Prozesse in den Arbeitsabläufen des Unternehmens erhöht dabei die Anforderungen an eine umfassende IT-Ausstattung der Beschäftigten sowie effektive Datenschutzkonzepte.
4.2.3 Organisation
Auch wenn eine Feinabstimmung der Regelungen zum Arbeitsort an die individuellen Bedürfnisse von Mitarbeitenden wünschenswert ist, so ergeben sich auch auf der Organisationsebene relevante Maßnahmen. Zum einen sollten grundlegende Richtlinien zur Umsetzung der Arbeitsplatzwahl formuliert werden, auf die in den Arbeitsverträgen der Beschäftigten Bezug genommen werden kann. Des Weiteren ist zu erwarten, dass sich hierdurch der Anteil von Arbeitstätigkeiten, welche in Präsenz ausgeführt werden, verändert. Dementsprechend wird es für Unternehmen relevant, bestehende Raumkonzepte nicht nur hinsichtlich der Größe, sondern auch hinsichtlich der Ausstattung zu überdenken.
Die Flexibilisierung des Arbeitsortes ging in vielen der befragten Unternehmen auch mit einer flexibleren Gestaltung der Arbeitszeitregelungen einher. Während durch diese Maßnahme die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben der Mitarbeitenden weiter gefördert wird, entstehen auch zusätzliche Anforderungen an die Arbeitsorganisation. Insbesondere für die Transparenz und Steuerung der Erreichbarkeit der Mitarbeitenden müssen einfache Lösungen gefunden werden. Neben einer generellen Flexibilisierung der Arbeitszeit haben sich während der Pandemie ergänzende Freiräume für Beschäftigte im Bedarfsfall als wertvoll erwiesen. So könnten während der Pandemie ermöglichte Karenztage oder Ausnahmeregelungen für das Arbeitszeitkonto Beschäftigten mit akuten privaten Verpflichtungen, wie dem Pflegen von Angehörigen oder dem Betreuen von Kindern, benötigte Spielräume in ihrer Arbeitsgestaltung schaffen.
4.3 Szenario „Ortsungebundenes Arbeiten“
Im dritten Szenario wird das ortsungebundene Arbeiten dargestellt, womit beispielsweise Arbeitstätigkeiten aus den Bereichen IT-Dienstleistung, Entwicklung/Programmierung, Journalismus/Schriftstellerei, Social-Media-Marketing, telefonischer Kundensupport, Beratungstätigkeit, kommunale Verwaltung, Konstruktions- und Entwicklungsabteilung oder Personalabteilung abgedeckt werden. Eine Leistungserbringung erfordert demnach keine physische Anwesenheit und die Arbeitstätigkeiten können gänzlich aus der Ferne erledigt werden.
Im Szenario zu ortsungebundenem Arbeiten wird eine fiktive Person bei ihrer Arbeitstätigkeit begleitet, die erst seit Kurzem im Unternehmen arbeitet. Die Person arbeitet komplett von zu Hause aus, weshalb sich dieses Szenario vorwiegend auf die Vor- und Nachteile der Arbeit im Home-Office bezieht sowie auf die technologischen Möglichkeiten zur Arbeit über Distanz.
4.3.1 Mensch
In der Dimension Mensch sind zunächst Aspekte zu verorten, die den persönlichen Ressourcen zugeordnet werden können. Wenn die Arbeit ausschließlich von zu Hause aus mittels digitaler Technologien ausgeführt wird, kommt es für viele Personen zu einer verstärkten Entgrenzung von Arbeit und Privatleben. Durch den Wegfall von Wegezeiten und die enge Taktung von Online-Meetings kommt es für einige Beschäftigte zwar zunächst zu erhöhter Produktivität, jedoch geht diese Entwicklung auch mit einer zunehmenden Verdichtung von Arbeit einher. Dies verschärft sich zusätzlich dadurch, dass der soziale Anreiz für Pausen mit Kolleginnen und Kollegen entfällt und deshalb häufig kaum oder keine Pausen gemacht werden. Hinzu kommt das Gefühl vieler Beschäftigter ständig erreichbar sein und mehr leisten zu müssen, um zu zeigen, dass sie auch im Home-Office produktiv sind.
Die Situation im Home-Office impliziert ein hohes Maß an Eigenverantwortung und erfordert selbstorganisiertes und selbstständiges Arbeiten. Auf diese Kompetenzen sollte neben dem Aufbau digitaler Kompetenzen besonderes Augenmerk gelegt werden. Die offene Kommunikation von Erwartungen und die frühzeitige Kommunikation wichtiger Termine, inklusive einer gewissen Planungssicherheit kann der Belegschaft darüber hinaus helfen, die Arbeit in einem reinen remote Szenario besser zu bewältigen.
Emotionale Bindungen stellen einen weiteren zentralen Aspekt der Dimension Mensch im Szenario des ortsungebundenen Arbeitens dar. Aufgrund der pandemiebedingten gezielten Reduzierung persönlicher Kontakte hat, den Interviewergebnissen zufolge, die emotionale Bindung in der Belegschaft nachgelassen. Vertrauen sowie das Gefühl von Zusammengehörigkeit und Verbundenheit bauen sich über digitale Kommunikationstechnologien demnach langsamer auf und auch wenn die gemeinsame Bewältigung einer schwierigen Situation das Wir-Gefühl stärken kann, sollte ein gezielter Fokus auf den Zusammenhalt in Teams gelegt werden.
Dies kann beispielsweise durch dedizierte Treffen zur Förderung des persönlichen Austauschs in Präsenz mit einzelnen ausgewählten Personen gefördert werden. Auch die Einführung eines Mentoring-Programms, vor allem für neue Beschäftigte, sowie die Begünstigung eines regelmäßigen Austauschs kann den Zusammenhalt im Team fördern. Die gemeinsame Erarbeitung einer Netiquette, inklusive der potenziellen Übereinkunft zur Aktivierung von Webcams in Online-Meetings, kann dabei helfen auch non-verbale Reaktionen zu erfassen und persönliche Bedürfnisse zu berücksichtigen.
4.3.2 Technik
Die Dimension Technik umfasst in diesem Szenario vorwiegend Aspekte digitaler Technologien und Prozesse. Gerade für neue Beschäftigte ist der Einstieg ins Unternehmen bei rein virtueller/ortsungebundener Zusammenarbeit schwierig. Neben der Durchführung von Online-Vorstellungsgesprächen können virtuelle Unternehmensführungen einen guten Einblick ins Unternehmen geben. Ein formalisierter On-Boarding Prozess kann auch online durchgeführt werden und wenn die Arbeitsmaterialien per Post zugestellt werden, kann eine Remote-Einarbeitung, idealerweise mit der Unterstützung durch die IT-Abteilung, gelingen.
Die Digitalisierung von (Verwaltungs‑)Prozessen und die Einführung digitaler Signaturen setzen ein hohes Maß an Datenschutz voraus, stellen jedoch eine zwingende Voraussetzung für reine Remote-Szenarien dar.
Zudem sollten auch Kommunikationstechnologien für den formellen und informellen Austausch zur Verfügung stehen, was unter anderem die Einführung eines Gruppenchats, virtuelle Kaffeepausen oder Online-Teambuilding Angebote umfassen kann.
4.3.3 Organisation
Der Dimension Organisation werden im Rahmen des Szenarios zu ortsungebundenem Arbeiten Aspekte die Führung betreffend zugeordnet. Dies umfasst die nötige Sensibilisierung von Führungskräften im Hinblick auf die Führung auf Distanz. Es fällt vielen Führungskräften schwer einzuschätzen, wie es um den Arbeitsfortschritt und die Arbeitslast der Beschäftigten bestellt ist. Auch die Kommunikation komplexer Sachverhalte ist online schwerer zu vermitteln und die Durchführung von Besprechungen außerhalb der Kernarbeitszeit stellt für viele Beschäftigte im Home-Office ein Problem dar. Der Umgang mit diesen und vergleichbaren Themen sollte daher von Führungskräften entsprechend berücksichtigt werden.
Die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort ist für viele Beschäftigte eine Chance zu einer effektiveren Zeitnutzung während der Arbeit. Das hohe Maß an Flexibilität und Gestaltungsfreiheit wird insgesamt positiv bewertet, ebenso die Tatsache, dass Arbeitsort und Wohnort durch die Möglichkeiten der digitalen Zusammenarbeit nicht zwangsläufig aneinandergebunden sind und der Wohnort nicht gleich dem Arbeitsort sein muss. Die standortübergreifende Zusammenarbeit hat sich durch die vermehrte Nutzung digitaler Technologien verbessert, die Kollaboration insbesondere in Kreativprozessen gestaltet sich jedoch schwieriger.
Der Aufbau neuer Kundenkontakte über reine Online-Formate sowie der Netzwerkaustausch stellt eine größere Herausforderung dar, jedoch wurde positiv hervorgehoben, dass Online-Formate zusätzliche Möglichkeiten bieten, Inhalte adressatengerecht zu präsentieren bzw. aufzubereiten.
Abschließend werden der Dimension Organisation Anpassungen von Arbeitsverträgen und rechtlichen Rahmenbedingungen zugeordnet. Die vertragliche Zusicherung eines erhöhten Maßes an Flexibilität hinsichtlich Arbeitsort und Arbeitszeit wurde von Führungskräften genannt, wobei es die Vorgaben zum Arbeitsschutz einzuhalten gilt.
4.4 Operative Bewältigung
Dieses Szenario greift den im Prozessmodell adressierten Aspekt des Veränderungsprozesses als Reaktion auf die Pandemie sowie dabei relevante Erfolgsfaktoren und Hemmnisse auf. Die relevanten Aspekte sind überwiegend der Dimension Organisation des MTO-Ansatzes zuzuordnen, daher wird in der folgenden Darstellung auf eine Differenzierung nach den Aspekten Mensch, Technik und Organisation verzichtet.
Die Unternehmen und Organisationen standen mit dem schnellen Überschwappen der Pandemie nach Deutschland vor der Herausforderung, ihr Leistungsportfolio und damit auch die Organisation ihrer Wertschöpfung an die resultierenden Bedingungen anzupassen. Diese waren zu Beginn der Pandemie durch die Festlegung des weitgehenden Lockdowns geprägt. Die entscheidenden externen Einflussfaktoren für die Unternehmen und Institutionen waren über den gesamten Zeitraum die umzusetzenden Hygieneverordnungen und die Schließung von Kindertagesstätten und Schulen, die insbesondere Auswirkungen auf die verfügbare Personalkapazität hatte. Vor diesem Hintergrund wurde das Leistungs- und Serviceangebot der Unternehmen und Organisationen durch die Geschäftsleitungen hinterfragt und auf eventuell notwendige Leistungseinschränkungen oder Leistungsabsagen zur Beschränkung der persönlichen Kontakte geprüft.
Die Unternehmen und Organisationen reagierten auf die Situation mit Leistungsabsagen, wodurch unter Umständen jedoch neue Aufgaben in Form der Rückabwicklung entstanden, mit Einschränkung aller nicht zwingend notwendigen Leistungen, die aufgrund der Hygieneverordnungen nicht oder nur unter erhöhtem Aufwand möglich waren sowie mit Umstellung auf kontaktlose Leistungserbringung bzw. Alternativangebote. Damit waren in unterschiedlichem Umfang, aber in allen Bereichen zusätzliche Aufwände bei der Leistungserbringung erforderlich.
Wenig Relevanz hatte, zumindest im Untersuchungszeitraum, die Problematik unterbrochener Lieferketten für die Unternehmen. Zwar waren Materiallieferungen und Auslieferungen mit höherem Aufwand verbunden, wurden jedoch als beherrschbar eingeschätzt. Die mit Leistungsabsagen u. U. verbundenen Produktionsstillstände konnten durch die Kurzarbeitsregelung abgefedert werden. Teilweise wurden Beschäftigte anderen Geschäftsbereichen und Aufgaben zugeordnet oder bisher zurückgestellte Arbeiten realisiert. In einzelnen Bereichen gab es große Schwankungen im Kundenbedarf, so dass teilweise der Beschäftigungsumfang innerhalb kürzester Zeit von der Kurzarbeit bis zu Überstundenregelungen innerhalb eines Unternehmens ausgereizt wurde.
Die Einschränkung der persönlichen Kontakte wurde vor allem im Endkundenbereich negativ bewertet. Diese Aussage trifft insbesondere auf Kundengruppen zu, denen der Zugang zu online angebotenen Leistungen aufgrund fehlenden Internetzugangs nicht möglich war. Die Interaktion mit Lieferanten und bekannten Kunden hingegen war auch unter Pandemiebedingungen in ausreichendem Maße gegeben.
Für die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur Umsetzung der Corona-Verordnungen der Länder und der SARS-COV2-Arbeitsschutzverordnung wurde in den meisten Fällen frühzeitig ein Krisenstab oder Pandemiestab gebildet. Diesem gehörten neben der Geschäftsleitung weitere Führungskräfte und, wo aufgrund der Unternehmensgröße gegeben, auch Arbeitsschutzfachleute bzw. Betriebsärzte sowie Verantwortliche aus relevanten Unternehmensbereichen an. Als zielführend erwiesen sich das abgestimmte Verhältnis von globalen Entscheidungen und bereichsspezifischen Regelungen sowie die konsequente Terminsetzung für die Umsetzung der Maßnahmen.
Auch wenn vorhanden, waren die Betriebs‑/Personalräte nicht Teil des Krisenstabes, aber entsprechend der Mitbestimmungsregeln wurden die beschlossenen Maßnahmen mit der Arbeitnehmervertretung abgestimmt. Teilweise konnte bereits auf bestehende Betriebsvereinbarungen Bezug genommen werden, in Einzelfällen entstanden neue Betriebsvereinbarungen.
Der Austausch mit anderen Unternehmen bei der Lösungsfindung und der Zugriff auf deren Erfahrungen bzw. auch der unternehmensinterne Austausch von Erfahrungen spielte eine große Rolle bei der erfolgreichen Maßnahmenumsetzung. Die Festlegung von Maßnahmen entsprechend der spezifischen Standort- bzw. Bereichsbedingungen hat sich bewährt. Allerdings waren gerade im Bereich der öffentlichen Verwaltung umfassende Abstimmungsnotwendigkeiten über verschiedene Hierarchieebenen hinweg zu beachten.
Für die Kommunikation der Festlegungen und Maßnahmen wurden u. a. die durch den Krisenstab oder in dessen Auftrag erarbeiteten Organisationsanweisungen genutzt. In einigen Fällen entstanden Krisenpläne, die ein Gesamtkonzept zum Gegenstand hatten und sich durch langfristige Adaptionsfähigkeit an sich verändernde äußere Bedingungen auszeichnen. Diese werden von den Unternehmen als zukunftsfähiges Instrument für die Bewältigung plötzlicher Ereignisse wie einer Pandemie angesehen.
Die fehlende Einbeziehung der Beschäftigten in die Maßnahmenentwicklung wurde zwar kritisiert, aber angesichts der umfassenden Kommunikation der festgelegten Maßnahmen und der Möglichkeit zum Feedback und ggf. darauffolgende Anpassung der Maßnahmen akzeptiert.
In einzelnen Fällen wurde von Eigeninitiativen der Beschäftigten berichtet, die praktikable Lösungen für die Bewältigung erarbeiteten. Solche Initiativen sind erfolgversprechend, wenn die Beschäftigte über die entsprechenden Kompetenzen und Motivation verfügen und sie auf eine bestärkende Resonanz im Unternehmen stoßen.
Entscheidend für den Erfolg der Maßnahmen und Festlegungen war die offene und umfassende Kommunikation innerhalb der Unternehmen und Institutionen. Es wurden, auch parallel, sehr verschiedene Kommunikationsformen genutzt. Das Spektrum reicht von persönlicher bis zu IT-unterstützter asynchroner Kommunikation. Die Hauptakteure waren die Geschäftsleitungen und die unmittelbaren Führungskräfte, die nicht nur die Maßnahmen, sondern auch die Hintergründe der Festlegungen kommunizierten. Insbesondere den unmittelbaren Führungskräften kam hierbei eine große Bedeutung zu, da sie auch auf individuelle Probleme reagieren konnten bzw. die Durchsetzung der Maßnahmen in ihrer Hand lag. Mit der Erläuterung von Gründen und der Alternativenauswahl konnten ein höheres Verständnis und positive Einstellung gegenüber dem Unternehmen bei den Beschäftigten erzielt werden.
Unternehmen mit kontinuierlich arbeitenden Krisenstäben überprüften und hinterfragten über den zurückliegenden Pandemiezeitraum die umgesetzten Maßnahmen. Aufgrund des Wellencharakters der Pandemie wurden je nach Verordnungslage die Maßnahmen an die konkrete Situation angepasst. Dem ganzen Vorgang liegt ein Lernprozess zugrunde, in dem ausgehend von zunächst intuitivem Vorgehen immer mehr begründete, erfolgsversprechende Maßnahmen fokussiert und die Erfahrungen der vorangegangenen Monate aufgriffen wurden.
Hindernisse für die Umsetzung von effektiven Maßnahmen wurden überwiegend im technischen Bereich benannt. Die anfangs fehlende technische Ausstattung mit Hardware und Softwarelizenzen konnte durch Nutzung von privaten Endgeräten abgefedert werden. Das stellte jedoch nicht für alle Bereiche eine gangbare Lösung dar, da dadurch Datenschutzregelung ausgehebelt und die Verletzlichkeit der IT-Infrastruktur erhöht wurde. Defizite bestanden auch hinsichtlich der Befähigung aller Beschäftigten zum Umgang insbesondere mit neuer Kommunikationssoftware, die eher unsystematisch und sehr individuell abgebaut werden mussten.