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20.11.2020 | Materialentwicklung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Kohlenstoff zeigt ein neues Gesicht

verfasst von: Dieter Beste

3:30 Min. Lesedauer

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Kohlenstoff kommt in vielfältigen Modifikationen vor, wobei das Allotrop Carbin aus einer einzigen sehr langen Kette von Kohlenstoffatomen besteht. Gelingt es, die elektronischen und mechanischen Eigenschaften dieses fragilen Materials nutzbar zu machen?

Kohlenstoff, das mit dem Buchstaben "C" bezeichnete 6. Element im Periodensystem der Elemente, ist das vierthäufigste Element im Universum; es bildet die chemische Grundlage für das Leben auf der Erde aufgrund seiner Fähigkeit, stabile Bindungen mit anderen Kohlenstoffatomen, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel und vielen anderen Elementen einzugehen. Für die Existenz einer Vielzahl anorganischer Kohlenstoffformen sind auch stabile kovalente Kohlenstoff-Kohlenstoff-Einfach- und Mehrfachbindungen verantwortlich, führen die Autoren Boris Ildusovich Kharisov und Oxana Vasilievna Kharissova eingangs in "Carbon Allotropes" aus. Bei einem solchen Prozess – die Verkettung – verbindet sich ein Element mit sich selbst zu langen Ketten. Lange waren nur zwei konventionelle Kohlenstoff-Allotrope bekannt, Graphit (schwarz, weich und leitfähig) und Diamant (glänzend, transparent und extrem hart). Erst in den letzten Jahrzehnten wurden neue synthetische Kohlenstoff-Allotrope wie Kohlenstoff-Nanoröhren, Fulleren und Graphen entdeckt. Darüber hinaus, so die Springer-Autoren, "wurde bis heute über eine Vielzahl weiterer Kohlenstoffstrukturen berichtet, die teils schon synthetisiert sind, teils noch vorhergesagt werden." 

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Hierzu zählt das Carbin. Diese Modifikation des Kohlenstoffs lässt sich inzwischen synthetisch herstellen und besteht aus einer einzigen sehr langen Kette von Kohlenstoffatomen. Vor rund 20 Jahren war Carbin noch ein Exot: "In der Literatur findet man auch gelegentlich Berichte über sog. Carbyne", schrieb Wolfgang Krätschmer 1996 im Buchkapitel "Fullerene und Fullerite, neue Formen des Kohlenstoffs". In Carbin (engl. Carbyne) seien die Kohlenstoffatome mit nur zwei Nachbarn verbunden und bildeten lineare Ketten; die Kristalle bestünden aus gebündelten Strängen solcher Ketten, aber, so das noch nicht sehr weit zurückliegende Fazit des Materialphysikers, der 1990 zusammen mit Lowell D. Lamb, K. Fostiropoulos und Donald R. Huffman in Nature erstmals über die Produktion des Fullerens C60 ("buckyball") berichtet hatte: "Die Existenz der Carbyn-Form ist allerdings umstritten."

Carbin ist inzwischen in der Realität angekommen und gilt als Material mit äußerst interessanten elektronischen und mechanischen Eigenschaften. "Doch Kohlenstoff zeigt in dieser Form eine hohe Reaktivität", sagt Clémence Corminboeuf von der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL). "So lange Ketten sind äußerst instabil und entsprechend schwierig zu charakterisieren." Einem Wissenschaftlerteam um Clémence Corminboeuf, Dirk M. Guldi von der Universität Erlangen-Nürnberg, Holger Frauenrath von der EPFL und Rik R. Tykwinski von der University of Alberta gelang nun dennoch dieses Kunststück – über Umwege, wie sie in nature communications berichten.

Material mit außergewöhnlichen Eigenschaften

"Wir können Carbin-Ketten in definierter Länge herstellen und vor Zersetzung schützten, indem wir an den Kettenenden eine Art Stoßstange aus Atomen einbauen. Diese chemisch ausreichend stabile Verbindungklasse wird Oligoine genannt", erklärt Holger Frauenrath das Vorgehen des Teams. Die Wissenschaftler stellten gezielt zwei Serien von Oligoinen her – mit unterschiedlicher Symmetrie und mit bis zu 24 alternierenden Dreifach- und Einfachbindungen. Im Anschluss daran verfolgten sie mittels Spektroskopie die Deaktivierungsprozesse der jeweiligen Moleküle von der Anregung durch Licht bis hin zur vollständigen Relaxation. "So konnten wir den gesamten Deaktivierungsweg der Oligoine aus einem angeregten Zustand zurück in den ursprünglichen Grundzustand mechanistisch erfassen – und dank der gewonnen Daten eine Vorhersage über die Eigenschaften von Carbin treffen", bilanziert Rik R. Tykwinski.

Eine wichtige Erkenntnis dabei: Die sogenannte optische Bandlücke erwies sich als deutlich kleiner als bisher angenommen. Die Bandlücke ist ein Begriff aus der Halbleiterphysik und beschreibt die elektrische Leitfähigkeit von Kristallen, Metallen und Halbleitern. "Das ist ein Riesenvorteil", kommentiert Dirk Guldi, denn "je kleiner die Bandlücke ist, desto weniger Energie muss zugeführt werden, um Strom zu leiten." Diese wichtige Eigenschaft besitze zum Beispiel Silizium, das aktuell in Mikrochips ebenso stecke wie in Solarzellen. Carbin könne – dank seiner ausgezeichneten photophysikalischen Eigenschaften – eines Tages Silizium ergänzen.
 

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