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25.03.2020 | Materialentwicklung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Biobasierte Polyamid-Familie geht an den Start

verfasst von: Dieter Beste

3 Min. Lesedauer

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Biokunststoffe haben im Vergleich zu erdölbasierten Materialien oft schlechtere Eigenschaften bei höheren Produktionskosten. Wie sich die Konkurrenzfähigkeit dieser Werkstoffe verbessern lässt, zeigen Forscher mit einem neuen Polyamid.

Polyamide (PA) gehören zu den Hochleistungspolymeren und erfreuen sich seit der Entwicklung des ersten industriellen Polyamids durch Wallace Hume Carothers in den 1930er Jahren großer Beliebtheit; heute zählen sie zu den wichtigsten Thermoplasten. Die Springer-Autoren Wolfgang Weißbach, Michael Dahms und Christoph Jaroschek charakterisieren den Kunststoff in "Werkstoffe und ihre Anwendungen": Eigentlich handele es sich bei Polyamid um eine Werkstoff-Familie. "Die Ketten haben jeweils zwischen der Amidgruppe (-NH-CO-) unterschiedlich lange abgesättigte Kohlenstoffketten. Entsprechend der Anzahl der Kohlenstoffatome dieser Zwischenglieder bezeichnet man die Polyamide als PA6, PA11, oder PA12" (Seite 389). Je kürzer die Zwischenglieder sind, desto mehr Amidgruppen sind vorhanden – der Grund dafür, warum die Glastemperatur und die Wärmeformbeständigkeit der PA-Typen variieren.

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Ein Team um Volker Sieber, Professor für Chemie biogener Rohstoffe an der Technischen Universität München (TUM), hat nun eine völlig neue Polyamid-Familie entwickelt, die sich nicht wie üblich aus Erdöl, sondern aus Terpentinöl, herstellen lässt. Die Forscher berichten in Nature Communications, wie sie den biogenen Ausgangsstoff (+)-3-Caren für ihr Polyamid mit verhältnismäßig geringem Aufwand in hoher Reinheit aus diesem Nebenprodukt der Zelluloseproduktion herausdestillierten. Die daraus hergestellten Polyamide überzeugen nach Einschätzung der Materialentwickler durch spezielle Eigenschaften, die sie für viele Anwendungen attraktiv machen. 

Grundsätzlich komme es bei der Konzeption neuer Werkstoffe darauf an, die richtige Strategie zu verfolgen, lässt sich das Entwicklerteam in Nature Communications in die Karten schauen: Um das Potenzial von Naturstoffen voll auszuschöpfen, sei es wichtig, solche Funktionalitäten zu nutzen, die sie gegenüber den auf fossilen Rohstoffen basierenden Ressourcen überlegen machen könnten. So würden die neuen Polyamide beispielsweise erst bei höheren Temperaturen weich als vergleichbare PA-Werkstoffe auf Erdölbasis. Zudem ließen sich die neuen Verbindungen sowohl transparent als auch teilkristallin herstellen: "Wir können leicht über Reaktionsbedingungen und Katalysatoren während der Synthese steuern, ob wir am Ende ein transparentes oder teilkristallines Polyamid erhalten", erläutert Sieber. Die Grundlage dafür sei vor allem die spezifische Struktur der biobasierten Ausgangsstoffe, die aus fossilen Rohstoffen so nur sehr aufwändig zu erhalten wäre.

Nachhaltige Kunststoffe

Aufgrund des zunehmenden Bewusstseins über die schwindenden fossilen Ressourcen und die Umweltprobleme, die bei der Verwendung von fossilem Öl als Kunststoffbasis auftreten, sind alternative Monomerressourcen für Polymere im Allgemeinen und für Polyamide im Besonderen zu einem Schwerpunkt in Forschung und Entwicklung geworden. Insgesamt betrachtet, haben Biokunststoffe bisher jedoch noch einen kleinen Anteil an der Kunststoffproduktion. Von etwa 348 Millionen Tonnen, die im Jahr 2017 weltweit hergestellt wurden, sind nur rund 2,3 Millionen Tonnen den Biokunststoffen zuzurechnen, halten die Springer-Autoren Hannah Behnsen und Hans-Josef Endres in "Biokunststoffe unter dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit und Kommunikation" fest (Seite 12). Trotz dieses heute noch relativ kleinen Marktanteils, gewinnen Biopolymere jedoch an Bedeutung, kommentiert Achim Eggert vom VDI-Fachbereich Kunststofftechnik die Entwicklung: "Besonders im Zusammenhang mit den großen globalen Problemen, wie zum Beispiel Kunststoffabfälle im Meer, können Biopolymere zukünftig einen wichtigen Beitrag leisten." 

Herstellung lässt sich skalieren

Gut möglich, dass sich mit der neuen PA-Familie die Marktverhältnisse ein Stück weit in Richtung Biokunststoffe verschieben lassen. Allerdings sind die Forscher noch nicht mit der erreichten Gesamtausbeute ihres Prozesses zufrieden, sie liege bei 25 Massenprozent. Allerdings: "Dank der einfachen Skalierbarkeit ist das Potenzial für einen effizienten Prozess sehr hoch", sagt Paul Stockmann, auf dessen Doktorarbeit an der TUM die Ergebnisse beruhen. Aktuell arbeitet der Chemiker am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) daran, die neuen biobasierten Polyamide zur Marktreife zu bringen.
 

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