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2022 | Buch

Medien – Demokratie – Bildung

Normative Vermittlungsprozesse und Diversität in mediatisierten Gesellschaften

herausgegeben von: Prof. Dr. Gudrun Marci-Boehncke, Prof. Dr. Dr. Matthias Rath, Malte Delere, Hanna Höfer

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Buchreihe : Ethik in mediatisierten Welten

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Über dieses Buch

Die Beiträge des Bandes thematisieren den Zusammenhang von Medien, Demokratie und Bildung im Dreischritt „Information” als Basis politischer Öffentlichkeit, „Partizipation” als anzustrebende demokratische Praxis sowie „Reflexion” auf die grundlegenden Wertvoraussetzungen gelingender gesellschaftlicher Organisation die digitale Kommunikation. Sie behandeln diesen Dreischritt dabei unter ethischen sowie Bildungsgesichtspunkten und formulieren Folgerungen für Bildungsdiskurse in demokratischen Gesellschaften.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Medien – Demokratie – Bildung: Normative Vermittlungsprozesse und Diversität in mediatisierten Gesellschaften
Zusammenfassung
Mit unserem gemeinsamen Band, herausgegeben von der Forschungsstelle Jugend – Medien – Bildung (FJMB) zusammen mit dem Interdisciplinary Media Ethic Center (IMEC), knüpfen wir an bisherige durchgekoppelte Publikationstitel an – begonnen mit BlickRichtungFrauen, dem Band BildTextZeichen lesen, dem dreibändigen Forschungsprojekt Jugend – Werte – Medien bis hin zu den Ergebnissen der Kita-Studie Kinder – Medien – Bildung.
Gudrun Marci-Boehncke, Matthias Rath, Hanna Höfer, Malte Delere

Information: Medien und Demokratie

Frontmatter
Transmedia, Speculative World-Building and the Civic Imagination
Abstract
I explore some of the ways that various groups have tapped resources from popular culture in order to work towards social change on the ground. I will argue that social change is linked to how people imagine themselves, their communities, the process of change, and the alternatives to current situations. We have seen world-building in particular move from the toolkit that media makers use to construct transmedia franchises to a set of practices people can use within grassroots communities to identify shared visions for a better world and begin to work to achieve them. And I describe some of the ways our USC Civic Imagination Project has built on our observation of these processes to develop workshops that help bring communities together. We are offering models of successful practices we hope other groups might use to foster new kinds of civic imagination in their communities.
Henry Jenkins
Ermächtigungsmaschinen. Ein Essay.
Zusammenfassung
Die Digitalisierung hat Ermächtigung für viele versprochen. Geliefert hat sie Machtmaschinen in den Händen weniger. Die Big-Tech-Unternehmen monopolisieren Informationsmacht und wandeln diese in ökonomische und auch politische Macht.
Thomas Ramge
Die Ko-Regulierung Algorithmen-basierter Plattformunternehmen als institutionentheoretische Frage
Zusammenfassung
Der Beitrag thematisiert ökonomische und ethische Phänomene, die durch die immer wichtigere Rolle digitaler Plattformen sichtbar werden. Nach einer kurzen Beschreibung medienökonomischer Ursachen für den wirtschaftlichen Erfolg solcher Plattformen stehen einige medienethische Problemfelder, die aus diesem Erfolg resultieren, im Fokus. Am Beispiel des Umgangs mit sogenannten Open Data (offenen Daten) möchte der Autor ausloten, welche Konsequenzen eine institutionenökonomische Analyse für die zur Zeit diskutierten Regulierungsformen digitaler Plattformunternehmen haben kann. Da sich daraus ergibt, dass das System der Ko-Regulierung hier eine effektive Unterstützung sein kann, wird dafür plädiert, in Zukunft verstärkt diese Methode der Governance mitzudenken, wenn es um medienpolitische Regulierungsfragen geht. Diese Ko-Regulierung benötigt aus ethischer Sicht eine institutionenethische Verankerung der Verantwortung, wofür am Ende des Beitrags erste Überlegungen angestellt werden.
Michael Litschka
Regulierung von Internet-Inhalten: Ombudsstellen als Governance-Option an der Schnittstelle von Recht und Ethik
Zusammenfassung
Internet-Plattformen wie Facebook stehen vor der Herausforderung adäquat mit einer riesigen Menge an Inhalten umzugehen, die über ihre Dienste verbreitet werden. Sie etablieren Gemeinschaftsstandards und komplexe Systeme zur Inhaltsregulierung (content moderation). Diese werden regelmäßig kritisiert, weil sie die Macht der Plattformen fördern, zu wenig sensibel für regionale Begebenheit sind und als private Regelsysteme über gesellschaftliche Kommunikation bestimmen. Der vorliegende Beitrag bietet einen Überblick zum aktuellen Regulierungssystem für Internetinhalte und arbeitet die Schwächen der privaten und staatlichen Regulierung heraus. Anschließend werden nationale Ombudsstellen als eine Governance-Option vorgestellt, mit der Macht und Verantwortlichkeit in der Regulierung von Internet-Inhalten besser verteilt werden könnte.
Florian Saurwein
Schulbezogene Meldeplattformen als Prototypen medialer Normalitätsverschiebung – Konsequenzen für die Unterrichtsgestaltung und Lehramtsausbildung im Fach Deutsch
Zusammenfassung
Die Veränderung der politischen Landschaft, die mit dem Erstarken autoritärer Strömungen und eines „autoritären Nationalradikalismus“ (Heitmeyer, 2018, S. 234) einhergeht, stellt auch die Akteur*innen der gesellschaftlichen Institution Schule vor neue Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund analysiert der Beitrag ein prototypisches reales Beispiel medialer Normalitätsverschiebungen durch parteipolitische Internetpräsenz und leitet hieraus Konsequenzen für die Vermittlung von Kompetenzen im Bereich des Umgangs mit Texten und Medien ab. Lesekompetenz im Deutschunterricht verlangt immer auch die Auseinandersetzung mit den Inhalten von Texten und damit auch eine Reflexion normativer Strukturen. Schüler*innen benötigen sprachliche Schlüsselkompetenzen für gesellschaftlich-demokratische Partizipation sowie die Fähigkeit, politische Texte und Kampagnen vor dem Hintergrund ethischer Überlegungen zu reflektieren. Damit einher geht, dass zur universitären Ausbildung von Deutschlehrer*innen neben der Vermittlung fachdidaktischen Wissens eine Bewusstseinsbildung für die demokratieerzieherische Verantwortung und eine Auseinandersetzung mit normativen Argumenten gehören muss.
Malte Delere, Tatjana Vogel, Gudrun Marci-Boehncke

Partizipation: Digitale Bildung auf allen Ebenen der Gesellschaft

Frontmatter
Paradoxien virtueller Partizipation. Sondierungen im Spannungsfeld ko-kreativer Gestaltung von freien Bildungsmedien und globaler Bildungsindustrie
Zusammenfassung
Seit den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts ist eine Konjunktur von Diskursen über Formen und Potenziale internetbasierter Partizipation zu verzeichnen. Während anfangs die virtuellen Partizipationsformen durchwegs im Kontrast zu ‚realen‘ Partizipationsmöglichkeiten im Modus physischer Präsenz charakterisiert wurden, sind in der weiteren Folge zunehmend die lebensweltlichen, kommunikativen und medienkulturellen Verflechtungen in den Blick genommen worden. Der Beitrag befasst sich mit einigen Paradoxien virtueller Partizipation im Bildungsbereich und sondiert entsprechende Unterscheidungsmöglichkeiten im Spannungsfeld ko-kreativer Gestaltung von freien Bildungsmedien und globaler Bildungsindustrie. Dabei werden sowohl horizontale Dimensionen der verstärkten Beachtung der Relevanz von digitalen Kommunikationstechnologien und intermediären Plattformen für Partizipationsprozesse als auch vertikale Dimensionen der Medialität und Virtualität berücksichtigt.
Theo Hug
Medienkompetenz als Herausforderung für Demokratie und politische Bildung
Zusammenfassung
Neue Informations- und Kommunikationstechnologien haben die modernen Demokratien verändert. Der digitale Strukturwandel der demokratischen Öffentlichkeit soll, so die Erwartungen, durch aktive Teilhabe an Rezeptions- sowie an Kommunikationsprozessen zur Inklusion aller Bürger*innen beitragen. Zugleich zeigen sich aber auch neue Gefahren: zunehmende digitale Kontrolle, digital divides und fake news, die nicht mehr journalistisch gefiltert werden. Angesichts dieses Wandels in modernen Demokratien bedarf es neuer Orientierungsfähigkeiten der Bürger*innen, die unter dem Schlagwort „Medienkompetenz“ diskutiert werden. Der Beitrag nimmt zunächst die gewandelten Bedingungen einer digitalisierten Demokratie genauer in den Blick, skizziert sodann grundlegende Dimensionen einer politischen bzw. politikbezogenen Medienkompetenz und geht abschließend auf die aktuellen Erfordernisse einer Medienkompetenzvermittlung in der politischen Bildung unter den neuen Strukturen der digitalen Welt ein.
Monika Oberle
Menü statt à la carte – Warum wir digitale, politische und ethische Bildung gemeinsam denken müssen
Zusammenfassung
Das Kapitel problematisiert die isolierte Vermittlung einzelner Kompetenzen in Angeboten zur digitalen Bildung und fordert eine Verschränkung von medienpädagogischen Inhalten mit ethischer und politischer Bildung. Unterschiedliche Kompetenzkonzepte werden zunächst begriffshistorisch eingeordnet und gängigen Ansätzen zu Kompetenzrastern gegenübergestellt. Aus den Problemstellungen werden konkrete Ansätze abgeleitet, die mögliche Schnittstellen für die Einbindung von Komponenten ethischer und politischer Bildung aufzeigen sowie Szenarien zum lebensweltorientierten Erwerb von Digitalkompetenzen anbieten. Anknüpfend an Fachdebatten zur aktiven Medienproduktion (MakerSpaces), ganzheitlicher Kompetenzentwicklung (Dagstuhl-Dreieck) sowie Entzauberung von Medienlogiken und -strukturen (Filterblasen) wird gefolgert, dass es Räume zum Ausprobieren, Austauschen und Aushandeln braucht, um individuelle Lebenswelten im Einklang mit politischen und ethischen Einsichten selbstbestimmt zu erweitern.
Anna Soßdorf, Lukas Gallach
Digitale Literacy als ‚neue‘ Medienkompetenz mit einer Prise IT-Sicherheit – ein Blick auf den tertiären Bildungssektor am Beispiel der Medienwissenschaft
Zusammenfassung
Digitale Literacy, verstanden als Begriffserweiterung von Medienkompetenz, etabliert sich zur neuen diskursiven Kompetenz, mit Medien im technologischen wie auch sozialen Bezug und im Hinblick auf persönliche Entwicklungsziele erfolgreich und vor allem sicher umgehen zu können. Digitale Literacy wird heute schon in diversen Bereichen der Gesellschaft gefördert. Allerdings wird der Aspekt der IT-Sicherheit sowie die technische Variante der Auseinandersetzung mit digitalen Medien in vielen gesellschaftlichen Gebieten und insbesondere in wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit den ‚Neuen Medien‘ beschäftigen, ausgeklammert. Besonders im Bereich der Medienwissenschaften bedarf es daher einer Erweiterung der Medienanalyse um den Aspekt der technischen Variante. Der hier vorliegende Beitrag verdeutlicht implizit die aktuelle Ungleichheit der medientechnischen Grundlagenausbildung im tertiären Bildungsbereich und fokussiert hierbei explizit das Fach der Medienwissenschaft. Der Verlauf wird mittels des Diskurses zur Medienkompetenz mit Blick auf die fachinterne Konzeption der Medienwissenschaft dargestellt und die Notwendigkeit zur Erweiterung der Grundlagenausbildung für die Medienanalyse verdeutlicht.
Raphael Morisco
Ethik-, Medien- und Politikdidaktik im Gespräch – Über den Nutzen der TRAP-Mind-Theory und digitaler Medien für die inklusive politische Bildung
Zusammenfassung
Der Beitrag zeigt, wie man Konzepte der Ethik-, Medien- und Politikdidaktik gewinnbringend miteinander verbinden kann, um inklusive politische Bildungsprozesse planen, durchführen und evaluieren zu können. Dafür wird auf das Politikkompetenzmodell von Joachim Detjen et al. (2012) zurückgegriffen und es wird verbunden mit Frank Brosows (2020b) TRAP-Mind-Theory und der dazugehörigen Matrix aus der Philosophiedidaktik. Ebenso werden Konzepte aus dem Bereich der Medienpädagogik und Medienbildung genutzt, um unter Annahme eines weiten Inklusionsbegriffs zeigen zu können, wie unter der Beachtung der didaktischen Referenzen digitale Medien sinnvoll für inklusive Prozesse politischer Bildung genutzt werden können.
Lynn Hartmann, Patrick Maisenhölder
Funktionen informeller Bildung, Aufklärung und Gemeinschaftsbildung durch Fernsehserien am Beispiel von 13 Reasons Why
Zusammenfassung
Kaum eine Fernsehserie wurde in den letzten Jahren kontroverser diskutiert als 13 Reasons Why. Einerseits sah sich die bei Jugendlichen sehr beliebte Netflix-Serie um den Suizid einer Highschool-Schülerin starker Kritik ausgesetzt, da ein Nachahmer-Effekt („Werther-Effekt“) befürchtet wurde, andererseits wurde die Serie für die Thematisierung von sonst tabuisierten sozialen Fragen wie Drogenmissbrauch und sexuelle Gewalt unter Jugendlichen gelobt und die potentiell aufklärerische und damit prophylaktische Wirkung („Papageno-Effekt“) hervorgehoben. Dabei zeigt sich an diesem Beispiel die Komplexität der Beschreibung des interdependenten Verhältnisses zwischen Fernsehserie und ihrem Publikum sowie der vom Medium ausgehenden Bildungs- und Sozialisierungsfunktionen. In der fernsehwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Wirkung von Fernsehserien dominiert daher weniger der problematische Versuch einer Art ‚Gewinn- und Verlustrechnung‘ von Effekten (wie etwa des Saldos von verhinderten und vermeintlich verursachten Suiziden), sondern eine Theoretisierung der verschiedenen Funktionen der Gemeinschaftsbildung durch Fernsehserien: Am Beispiel von 13 Reasons Why soll gezeigt werden, wie Serien neben konkreten Verhaltensvorschlägen für herausfordernde Lebenssituationen, also der Normierung gesellschaftlich angemessenen Verhaltens, auch ein Gefühl für gesellschaftliche Verursachungsprozesse und neuartige Temporalstrukturen vermitteln, auf diese Weise ein Partizipieren an der Gegenwartsgesellschaft ermöglichen und typisch modernen Einsamkeitserfahrungen entgegenwirken. Der Beitrag verbindet die Erkenntnisse aktueller Studien aus der Medienpsychologie mit einer Diskursanalyse fernsehwissenschaftlicher Konzepte zu einer neuen Theorie der vielfältigen sozialisierenden Vermittlungsprozesse, die durch Fernsehserien in Gang gesetzt werden.
Denis Newiak, Anastasia Schnitzer

Reflexion: Disruption und Konvergenz

Frontmatter
Medien – Demokratie – Bildung: Praxisorientierte Überlegungen zur medienethischen Bildung des animal politicum digitalis
Zusammenfassung
Der Beitrag nimmt seinen Ausgangspunkt von einer anthropologischen Grundthese: Der Mensch ist grundsätzlich fähig, aber auch darauf angewiesen, in und durch Gemeinschaft sein Leben zu organisieren. Tut er dies nicht fremdbestimmt, dann organisiert er diese Gemeinschaftlichkeit demokratisch. Unter den Bedingungen der aktuellen Mediatisierung ist diese Demokratie digital und damit sind zum einen die Bildungsansprüche an den Menschen digitalkompetent, zum anderen – und diese Ansprüche begründend – muss daher der Mensch selbst digitalkompetent gedacht werden. Nach einer Analyse des digital agierenden sozialen Wesens Mensch und den medienethischen Implikationen dieses Agierens entfaltet der Beitrag praxisnah Kompetenzanforderungen an Lernende wie Lehrende, an die digitalen Materialien, die dafür entwickelt werden müssten, und die Bildungsprozesse, die diese Kompetenzen zu ermöglichen hätten.
Nina Köberer
Überwachung als Norm – Reflexionen zu medienethischer Forschung und Didaktik
Zusammenfassung
Welche Rolle spielen digitale Medien bei der Entstehung von gesellschaftlichen Normen? Diese Fragestellung aus dem Call for Papers zur Jahrestagung des IMEC 2021 (2020) wird als Ausgangspunkt für eine Betrachtung des Themas auf zwei unterschiedlichen Ebenen genommen. Zum einen sollen empirische Ergebnisse zu Digitaler (Selbst-)Überwachung aus einem Lehr-Forschungsprojekt an der Universität Klagenfurt vorgestellt werden, um anhand der Widersprüchlichkeit des Themas aus ethischer Perspektive zu zeigen, dass digitale Überwachung inzwischen zu einer Norm geworden ist, die auf eine breite Selbstverständlichkeit oder auch auf eine schicksalhafte Ignoranz trifft. Zum anderen soll das didaktische Konzept der Lehrveranstaltung herangezogen werden, um Überlegungen zu Möglichkeiten der Integration medienethischer Forschung, Theoriebildung und Didaktik mit dem Ziel der Reflexion auf unterschiedlichen Ebenen zu formulieren. Dazu wird – nach kurzen theoretischen Vorbemerkungen – zunächst der Ablauf des Projektseminars knapp skizziert, danach werden die zentralen Ergebnisse aus dem Lehr-Forschungsprojekt mit Blick auf die eingangs gestellte Frage kurz vorgestellt, ehe abschließend didaktische Aspekte reflektiert werden.
Larissa Krainer
Demokratie 2.0 – Rawls’ und Nussbaums Gerechtigkeitstheorien im Kontext der digitalen Öffentlichkeit
Zusammenfassung
Dieser Beitrag intendiert anhand eines Vergleichs verschiedener gesellschaftlicher Bereiche aufzuzeigen, dass unter dem Eindruck der Digitalisierung eine neue Form der Demokratie entsteht, welche Potenziale, aber auch Risiken für Staat und Gesellschaft birgt. Diese Demokratie 2.0 rückt das bürgerliche Individuum ins Zentrum des politischen Geschehens, woraus sich neue Fragestellungen an Recht und Ethik ergeben. Antworten sollen John Rawls‘ sowie Martha Nussbaums Gerechtigkeitstheorien liefern, indem auf deren Grundlage und unter Berücksichtigung Hans Jonas‘ philosophischen Überlegungen sowohl für eine Verantwortungsethik der mediatisierten Welt als auch für die Förderung einer Medienkompetenz plädiert wird.
Michelle Tannrath
Zwischen „Hate Speech” und „Cancel Culture”: eine medienethische Betrachtung aktueller Debatten um Meinungs- und Redefreiheit im Internetzeitalter
Zusammenfassung
In den Medien wird aktuell eine hitzige Debatte um die angebliche Gefährdung der Meinungsfreiheit durch „Political Correctness“ oder „Cancel Culture“ geführt, die hier aus ethisch-philosophischer Perspektive untersucht wird. Sie basiert, so wird gezeigt, auf einem verzerrten Begriff von Meinungsfreiheit. Das Gebot des Schutzes der Meinungsfreiheit impliziert kein universelles Recht, bei jeder Gelegenheit und in jedem Zusammenhang jede beliebige Ansicht äußern zu können. Redefreiheit kann auch in einer pluralistischen Demokratie nie grenzenlos sein. Eine Anerkennung der Tatsache, dass manche Äußerungen schutzwürdiger sind als andere, unterminiert nicht grundsätzlich die Meinungsfreiheit als Grundrecht. Wer das Recht auf freie Meinungsäußerung aus Voraussetzungen wie der gleichen Würde aller Menschen ableitet, kann nicht ohne Selbstwiderspruch die Duldung von Äußerungen einfordern, die Würde und Sicherheit anderer Menschen gefährden.
Inga Tappe
Mediale Hasssprache und technologische Entscheidbarkeit: Zur ethischen Bedeutung subjektiv-perzeptiver Datenannotationen in der Hate Speech Detection
Zusammenfassung
Mit den kommunikativen Möglichkeiten in den Sozialen Medien steigt auch die Verbreitung von Kommentaren, die als Hate Speech klassifiziert werden können. Die Technikwissenschaften haben es sich im Sinne einer Moderation daher zum Ziel gesetzt, solche Kommentare, Tweets und Inhalte algorithmisch detektierbar zu machen. In der vorliegenden Untersuchung wird gezeigt, dass jedoch gerade eine praxisrelevante Verbindung der einerseits ethischen Konzeptionen zu Hate Speech und der andererseits technologischen Methodik zur Hate Speech Detection auszubauen und zu vertiefen ist. Hierzu ist zum Ersten das Spezifikum von Hate Speech herauszuarbeiten, wobei insbesondere eine Abgrenzung zu offense und hateful erfolgen muss. Zum Zweiten ist aufbauend auf ethischen Theorien eine allgemeine Methodik des maschinellen Lernens kritisch zu begutachten, da sich Limitationen sowohl aus deontologischer wie auch aus konsequentialistischer Sicht zeigen lassen und die Forderung nach transparenter Gestaltung deutlich werden muss. Zum Dritten sind Kompromisslösungen nur dann sinnvoll, wenn sie die Problematik subjektiver Annotationen in den Blick nehmen und sich der transdisziplinären Kritik definitorischer, methodischer und ethischer Perspektiven bewusst sind.
Laurence Lerch, Maximilian Wich, Tobias Eder, Georg Groh
Digitale Demokratie – sind moralisch kompetente Maschinen Träger eigener Rechte?
Zusammenfassung
Der Beitrag geht der Frage nach, welche ethischen, politischen und rechtlichen Probleme kompetente moral machines aufwerfen, also digitale Maschinen, denen die Fähigkeit zu eigenständigen moralischen Urteilen eingeräumt wird. Aktuelle Diskussionen um „autonome Maschinen“ setzen diese Frage nach der Verantwortungsfähigkeit und damit der Freiheit artifizieller Systeme auch auf die politische Agenda. Ziel des Beitrags ist es, exemplarisch deutlich zu machen, dass moderne Gesellschaften, vor allem Demokratien, ihren wie selbstverständlichen Anspruch auf Rechtsstaatlichkeit unter den Bedingungen der aktuellen Mediatisierung kaum werden einlösen können, wenn sie keinen Diskurs darüber führen, wer eigentlich die Träger*innen dieser Rechte sind. Es wird notwendig sein, diese Frage zugunsten verantwortungsfähigen Maschinen zu entscheiden – und solange solche noch nicht Realität sind, uns rechtlich und politisch darauf vorzubereiten, wenn sie kommen und ihre legitimen Rechte beanspruchen.
Matthias Rath
EscapeRoom.EchoChamber – Möglichkeiten und Grenzen digital-theatraler Online-Partizipation
Zusammenfassung
Digitale Kommunikation erfordert zahlreiche Kompetenzen, u. a. das Erkennen von Interaktionsstrukturen und des Verhältnisses von Sprache und Norm. Ein Weg, diese zu fördern, so die Prämisse des Beitrags, ist das digitale postdramatische Theater. Im Theorieteil wird herausgearbeitet, warum gerade dieses geeignet ist, digitale Kommunikationsstrukturen, auch problematische wie Echokammern und Filterblasen, aktiv zu analysieren und zu reflektieren und somit Handlungskompetenzen im digitalen Raum zu fördern. Hierfür werden Theaterpädagogik und Medienbildung zusammen geführt. Der anschließende Praxisbericht stellt das digital-theatrale postdramatische studentische Projekt EscapeRoom.EchoChamber (Technische Universität Dortmund, Wintersemester 2020/21) vor und zeigt auf, inwiefern eine Beschäftigung mit aktuellen Vermittlungspraxen und theatraler Praxis das Verständnis für die aktuelle Mediatisierung über künstlerische und didaktische Lehr-Lernsituationen eröffnet.
Hanna Höfer, Stefan Schroeder
Metadaten
Titel
Medien – Demokratie – Bildung
herausgegeben von
Prof. Dr. Gudrun Marci-Boehncke
Prof. Dr. Dr. Matthias Rath
Malte Delere
Hanna Höfer
Copyright-Jahr
2022
Electronic ISBN
978-3-658-36446-5
Print ISBN
978-3-658-36445-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-36446-5