Skip to main content

27.02.2013 | Medien | Interview | Online-Artikel

Wenn Journalisten nicht fragen, was Wirtschaftspolitik darf

verfasst von: Andrea Amerland

2:30 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Wie haben Nachrichtenmedien die Forderung nach staatlicher Intervention in der Finanzkrise aufgriffen und bewertet? Dieser Frage ist Oliver Quiring nachgegangen - mit zum Teil erstaunlichen Ergebnissen.

Springer für Professionals: Sie haben die Medienberichterstattung zur Finanzkrise untersucht und dazu die Hauptnachrichten von ARD, ZDF und RTL, aber auch Artikel von FAZ bis Bildzeitung, von Spiegel bis Focus untersucht. Was sind die Kernergebnisse dieser Untersuchung?

Oliver Quiring: Die deutschen Medien haben die Finanz- und Wirtschaftskrise sowie die politischen Versuche zu ihrer Eindämmung intensiv verfolgt und entsprechend häufig darüber berichtet. Dabei wurde eine große Zahl von Argumenten für oder gegen staatliche Eingriffe ausgetauscht. Allerdings ist auch zu bemerken, dass die Argumentation durchaus mehr in die Tiefe gehen hätte können. Beispielsweise wurde die Legitimität der staatlichen Eingriffe nur selten hinterfragt. Eher erweckte die Berichterstattung den Eindruck, dass zwar wirtschaftliche Akteure die Krise versursacht hatten, sich der Staat aber um die Lösung der Probleme kümmern sollte - auf Kosten der Bevölkerung.

Gab es bei den verschiedenen Medien Unterschiede in der Art der Berichterstattung? Gibt es vielleicht ein Leuchtturm-Medium, dass seiner Wächter- und Transparenz-Funktion besonders gut nachgekommen wäre? Und welches Medium hat besonders schlecht in Ihrer Untersuchung abgeschnitten?

Die meisten wissenschaftlichen Studien zeigen – je nach Grundausrichtung des Mediums – tatsächlich Unterschiede in der Berichterstattung über ein und dasselbe Ereignis bzw. ein und dieselbe Entwicklung. Umso überraschender war für uns, dass sich die untersuchten Medien hinsichtlich der Nennung und Bewertung einzelner wirtschaftspolitischer Maßnahmen in der Krise nicht stark unterschieden.

Welche Formen staatlicher Eingriffe haben deutsche Medien befürwortet oder abgelehnt und warum?

Die eindeutigste Zustimmung fanden Regulierungsmaßnahmen auf dem Finanzsektor, z.B. die Regulierung von "Hedgefonds". Daneben wurde auch die sehr teure Finanzmarktstabilisierung eher positiv bewertet. Dementsprechend war letztlich eine Kombination aus kurzfristiger Stabilisierung der aktuellen Situation und mittelfristiger Prävention zukünftiger Krisen die in den Medien am ehesten favorisierte Handlungsoption. Da die Krise erkennbar vom Finanzmarkt, und hier vor allem von der Verbriefung von US-amerikanischen Immobilienkrediten ausging, waren Eingriffe leicht zu rechtfertigen. Bei allen anderen Maßnahmen hielten sich die Pro- und Contra-Argumente die Waage. Eine eindeutige Ablehnung einzelner Maßnahmen durch die Medien konnten wir nicht feststellen. Interessanterweise wurde dabei aber weniger danach gefragt, ob die entsprechenden Maßnahmen in einer sozialen Marktwirtschaft legitim sind, sondern vor allem danach, ob sie hilfreich sind oder nicht.

Welche Konsequenzen hatte die Berichterstattung zur Finanzkrise für das Image und die Wahrnehmung der Finanzbranche in der Bevölkerung?

Es hat ihr Ansehen zumindest nicht nachhaltig gefördert. Unsere Studie lässt keine direkten Aussagen über das Image der Finanzbranche in der Bevölkerung zu. Wir wissen aber aus anderen Studien, dass es gelitten hat.

Was wünschen Sie sich nach Ihrer Analyse von Wirtschaftsjournalisten?

Dass sie die Bevölkerung auf eine verständliche Weise über die Entwicklung der wirtschaftlichen Probleme in Europa informieren. Und dabei neben der Zweckmäßigkeit von Wirtschaftspolitik auch die Legitimität einzelner wirtschaftspolitischer Maßnahmen umfassender hinterfragen. Oder auf den Punkt gebracht: Darf Wirtschaftspolitik überhaupt alles, was angedacht wird?

Lesen Sie auch:

Wirtschaftsjournalismus glaubt man nicht

print
DRUCKEN

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt