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30.03.2015 | Medien | Schwerpunkt | Online-Artikel

Was vom Pressekodex übrig bleibt

verfasst von: Andrea Amerland

3 Min. Lesedauer

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Journalisten, die sich vorm Elternhaus des Germanwings-Co-Piloten tummeln und voreilige Berichterstattung: Die Medien überschlagen sich und vergessen publizistische Grundsätze. Ein Kommentar.

Frühzeitig hatte der Deutsche Presserat die Medien aufgefordert, die Opfer des Germanwings-Flugzeugunglücks in Südfrankreich und deren Angehörige zu schützen. Diese Reaktion war schnell und notwendig. Denn viele Journalisten drängten auf Preisgabe der Namen, um sie ebenso rasch zu veröffentlichen, wie die vielen Eilmeldungen zum Thema. Genauso rasant kam Kritik an der Berichterstattung auf, etwa am ARD-Brennpunkt vom 24.03.2015, der viele Spekulationen, aber wenig Fakten zum Thema bot.

Viele Überschriften machten Lufthansa bereits zu einem sinkenden Stern, der mit seiner Billigpolitik auch bei Flugstunden, Wartung und Flugzeugen spare, obwohl die Absturzursache noch gar nicht klar und die Behauptungen noch nicht bewiesen waren. Auch Günther Jauch drohte beim Sonntagabend-Talk in Spekulationen abzudriften. Gott sei Dank steuerten die Gäste gegen. Auf Jauchs Frage, was die Passagiere vom Unglück mitbekommen haben, bremst Lufthansa-Vorstand Kay Kratky souverän: "Ich würde mit Rücksicht auf die Angehörigen keine Szenarien diskutieren wollen." Man müsse die Ermittlungen abwarten.

Ist der Germanwings-Co-Pilot eine Person der Zeitgeschichte?

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Dass die Mahnungen des Deutschen Presserats weitestgehend verpufften, zeigt sich auch an der Eilfertigkeit, mit der ein Name voll ausgeschrieben in den Medien erschien: der Name des Co-Piloten, der die Germanwings-Maschine mit 150 Passagieren vorsätzlich am Alpenmassiv zerschellen ließ. Scharen von Journalisten tummeln sich seither vor dessen Elternhaus im Westerwald und haben damit die rheinland-pfälzische Beschaulichkeit vorerst zerstört. Und wohl auch das beschauliche Leben der Eltern. Denn ob sie, die einen Sohn und womöglich ihren Ruf im kleinstädtischen Umfeld verloren haben, dort weiterleben können, ist mehr als fraglich.

Viele Medien haben den Namen und eine Foto des Elternhauses zunächst veröffentlicht und sind dann plötzlich mit Entschuldigungen zurückgerudert. Die zuständige Lokalpresse etwa, aber auch viele der großen überregionalen Titel und Fernsehanstalten verfuhren so. Ist der Pliot bereits eine Person der Zeitgeschichte oder nicht? Offenbar besteht Unsicherheit. Aber auch das Publikum, der Leser meldet sich verstärkt als Korrektiv zu Wort, weil ihm die gezeigten Bilder zu weit gehen oder ihm die Berichterstattung zu hanebüchen wird.

Ist das, was an psychologischen Analysen und O-Tönen von vermeintlichen Bekannten des Co-Piloten durch die Berichterstattung geistert, Journalismus? Es ist schwer, dafür einen Begriff zu finden. Der medienwissenschaftliche Terminus "mediale Skandalisierungstendenz" reicht bei weitem nicht aus, um diesen journalistischen Shitstorm in Worte zu fassen, der sich jetzt auch auf das Thema Depression bzw. auf jedwede Form psychischer Erkrankung ausweitet.

Kennen Medienvertreter den Pressekodex?

Denn publizistische Grundsätze, wie sie der Pressekodex formuliert und wie sie eigentlich in jeder guten journalistischen Ausbildung vermittelt werden, scheinen für viele Medienvertreter Schnee von gestern oder etwas aus der Mottenkiste zu sein. Also sollten wir uns erinnern, was da geschrieben steht: "Nicht alles, was von Rechts wegen zulässig wäre, ist auch ethisch vertretbar", heißt es in der Präambel. Was folgt, ist eine Auflistung von Grundregeln, die im Buchkapitel "Publizistische Grundsätze (Pressekodex)" nachgelesen werden können. Dass sie in einer "Einführung in den praktischen Journalismus" zu finden sind, zeigt, dass wir offenbar ganz zurück an den Anfang müssen.

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