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2019 | Buch

Medienklatsch

Eine hermeneutische Begriffsanalyse massenmedialer Klatschkommunikation

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Über dieses Buch

Eva-Maria Lessinger beschreibt, wie der Klatsch in den Massenmedien als mediale Adaption alltäglicher Klatschgespräche theoretisch und historisch aus dem Face-to-Face-Klatsch abgeleitet werden kann und welche Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Interdependenz zwischen interpersonalem und massenmedialem Klatsch bestehen. Sie zeigt, in welcher Weise diese Mediengattung versucht, die Legitimation der öffentlichen Selbstdarstellung von Prominenten zu überprüfen und das Geheimnis von deren authentischer Persönlichkeit zu lüften. Die hermeneutische Begriffsanalyse legt den Schluss nahe, dass der Klatschjournalismus nur selten unautorisiert persönliche Grenzen überschreitet, sondern überwiegend als Erfüllungsgehilfe der Aufmerksamkeitsstrategien von Prominenten fungiert.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Medienklatsch – (k)ein ernst zu nehmender Forschungsgegenstand
Zusammenfassung
Die Urteile über den Medienklatsch sind fast so schimmernd wie die Geschichten, die er kolportiert: Klatschjournalisten werden als „moralisch zwielichtige Truppe“, „sensationsgeile Meute“ oder „Büffet-Plünderer und champagnersaufende Partylöwen“ tituliert (vgl. Wechert, Elter, & Welker, 2015, S. 5, 6). Für ihre Arbeitsweise ist in Deutschland die „euphemistische Bezeichnung ‚People-Journalismus‘„ (Schuldt, 2009, S. 93) üblich und in kritischerer Diktion der Begriff „Schlüsselloch-Journalismus (keyhole-journalism)“ (Renger, 2000b, S. 95, 149), während sie in Großbritannien, wo „Klatschblätter Informanten bis zu sechsstellige Summen“ für besonders brisante Stories zahlen, als „Scheckbuchjournalismus“ (vgl. Schuldt, 2009, S. 93) etikettiert wird. Die Berichte von Klatschjournalisten werden als „Alltagsinformationen und -klatsch“, „Sentimentalstories aus dem Milieu von Prominenten“ und „Infotainment“ abgetan (vgl. Renger, 2000b, S. 139, 161; Wittwen, 1995). Die Klatschmedien selbst werden unter Kategorien wie „Regenbogenpresse“, „Sorayapresse“, „Revolver- und Asphaltpresse“ (Renger, 2000b, S. 138, 150) subsumiert.
Eva-Maria Lessinger
Kapitel 2. (Medien)Klatsch im Kontext alltäglicher Lebenswelt
Zusammenfassung
(Medien)Klatsch ist in doppelter Hinsicht eine Form alltäglicher Unterhaltung: Man unterhält sich im Alltag miteinander und wird unterhalten durch das Alltagswissen anderer über Alltagsgeschichten wieder anderer Menschen, ganz gleich, ob diese Alltagsgeschichten über einen abwesenden Dritten nun von einem Gesprächspartner vis-à-vis oder von einem Massenmedium erzählt werden. Ihre unhinterfragte Selbstverständlichkeit macht diese Form interpersonaler wie massenmedialer Unterhaltung zu einem ebenso banalen wie allgegenwärtigen, aber zugleich auch zu einem schwer identifizierbaren Alltagsphänomen. Da interpersonaler und massenmedialer Klatsch nur in den seltensten Fällen „durch eine selbstreferentielle Formulierung als ‘Klatsch’ gekennzeichnet werden“ (vgl. Bergmann, 1987a, S. 52, 53), müssen ganz offensichtlich andere Indikatoren bzw. Mechanismen existieren, die es uns im Alltag ermöglichen, ein Klatschgespräch oder eine Medienklatschgeschichte als solche zu identifizieren.
Eva-Maria Lessinger
Kapitel 3. Die Geschichte des (Medien)Klatsches
Zusammenfassung
Aus sozialphänomenologischer und wissenssoziologischer Sicht handelt es sich beim Face-to-Face- und beim Medienklatsch um eine kommunikative Gattung und eine Mediengattung, die nicht nur fließend ineinander übergehen, sondern auch miteinander verwoben sind, indem der Face-to-Face-Klatsch dem Medienklatsch nicht nur vorausgeht, sondern auch nachfolgt. Unter dieser Voraussetzung erscheint es theoretisch gerechtfertigt, den Medienklatsch als mediale Adaption einer interpersonalen Kommunikationsform zu begreifen. Die kommunikative (Medien)Gattung (Medien)Klatsch zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass ihr thematischer Bezug fast vollkommen beliebig ist. Oder anders formuliert: (Medien)Klatsch lässt sich nicht anhand typischer Themen identifizieren.
Eva-Maria Lessinger
Kapitel 4. Die kommunikative (Medien)Gattung (Medien)Klatsch
Zusammenfassung
Während viele Publikationen über den privaten Face-to-Face-Klatsch den öffentlichen medienvermittelten Klatsch – mit dem Hinweis, dass es sich beim Medienklatsch um ein Sonderphänomen handele (vgl. z.B. Bergmann, 1987a, S. 70; Fritsch, 2004, S. 22; Noon & Delbridge, 1993, S. 25) – unberücksichtigt lassen, geht dies aus umgekehrter Sicht nicht. Entwicklungsgeschichtlich existierte der Face-to-Face-Klatsch fraglos vor der Entstehung des Medienklatsches, wohingegen Letzterer ohne Ersteren nicht denkbar ist: Medienklatsch ist die Fortsetzung des Face-to-Face-Klatsches mit anderen Mitteln. Aber auch nach der Entstehung des Medienklatsches existierte der Face-to-Face-Klatsch weiter – und zwar nicht nur unabhängig von, sondern auch in Interdependenz mit dem Medienklatsch.
Eva-Maria Lessinger
Kapitel 5. Prominente – die Protagonisten der Medienklatschgeschichten
Zusammenfassung
Die höchstpersönlichen Angelegenheiten unserer Mitmenschen werden umso interessanter, je besser wir die Betreffenden kennen. Zuweilen belauschen wir zwar im Café ungewollt die Privatgespräche fremder Tischnachbarn, aber im allgemeinen gestaltet sich das Berufs-, Freizeit-, Liebes- oder Familienleben anderer Zeitgenossen derart unspektakulär, dass es kaum der Rede wert ist, solange es sich bei den Geschichten nicht um ‘echte’ Sensationen (vgl. Dulinski, 2003, S. 68-71) oder eben um Neuigkeiten über eine uns zumindest mittelbar bekannte Person handelt. „Eine Erzählung über das merkwürdige Verhalten einer x-beliebigen Person würde in einem Zuhörerkreis, in dem niemand sie kennt, nur in begrenztem Maß Interesse wecken“ (Bergmann, 1998a, S. 143).
Eva-Maria Lessinger
Kapitel 6. Der (Medien)Klatsch und die Geheimnisse des Alltags
Zusammenfassung
Nachdem im fünften Kapitel die historische Entwicklung der Prominenz als Schlüsselbegriff für die Protagonisten des Medienklatsches beleuchtet worden ist, konzentriert dieses Kapitel nun abschließend auf die schwierigste Frage der Medienklatschanalyse, nämlich wie man das Spektrum potentieller (Medien)Klatschthemen theoretisch herleiten und eingrenzen kann, obgleich sowohl der Face-to-Face- als auch der Medienklatsch gleichermaßen themenunabhängig sind. Schwierig ist diese Frage, weil die Themenunabhängigkeit direkter und indirekter Klatschkommunikation nicht gleichbedeutend mit Inhaltsleere ist, sondern ganz im Gegenteil aus einem Überschuss an relativ beliebigen Themen resultiert. Zugleich soll erklärt werden, warum – trotz dieser Themenkontingenz – der (Medien)Klatsch im Alltagsverständnis automatisch mit der Thematisierung der Privatoder Intimsphäre einer abwesenden (prominenten) Person assoziiert wird.
Eva-Maria Lessinger
Kapitel 7. Medienklatsch – die mediale Adaption einer interpersonalen Kommunikationsform
Zusammenfassung
Ausgangspunkt dieser begriffsanalytischen Literaturstudie war die vorwissenschaftliche Beobachtung eines bemerkenswerten Imagewandels: Obgleich der Klatsch stets als untrüglicher Indikator für eine fortschreitende Boulevardisierung von Medienangeboten und die Klatschreporter als aufdringliche, unseriöse, die Privatsphäre prominenter Zeitgenossen missachtende Schnüffler und Verfasser gesellschaftlich irrelevanter, banaler, überflüssiger Stories galten, zeichnete sich an der Wende zum 21. Jahrhundert in den Medien selbst, in einigen populärwissenschaftlichen Publikationen und vereinzelt auch in wissenschaftlichen Quellen eine Neubewertung des Medienklatsches ab. Namhafte Medienvertreter attestierten dem Medienklatsch nicht nur eine Hochkonjunktur, sondern auch gesellschaftliche Salonfähigkeit. Neue Zeitschriften, Fernsehsendungen und Internetangebote buhlten mit expliziten Klatschversprechen um Aufmerksamkeit.
Eva-Maria Lessinger
Backmatter
Metadaten
Titel
Medienklatsch
verfasst von
Eva-Maria Lessinger
Copyright-Jahr
2019
Electronic ISBN
978-3-658-24639-6
Print ISBN
978-3-658-24638-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-24639-6