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19.08.2021 | Mess- und Prüftechnik | Interview | Online-Artikel

"Wir testen hier BEVs, die mehr als 800 km Reichweite ausweisen"

verfasst von: Michael Reichenbach

4 Min. Lesedauer

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FEV North America hat seine Testkapazitäten um eine Solarsimulation erweitert. Dr. Patrick Hupperich, Vorsitzender der Geschäftsführung, erklärt die Beweggründe und Vorteile.

ATZ / Springer Professional: Herr Dr. Hupperich, Sie haben Ihr Prüfzentrum in Auburn Hills im November 2020 um eine Anlage zur Solarsimulation ergänzt, damit vielfältige Tests zu Kraftstoffverbrauch, Abgasemissionen und elektrischer Reichweite nach US-Standards möglich werden. Wie unterscheidet sich die Herangehensweise bei Ihren Thermomanagement-Untersuchungen an Pkw mit Verbrennungsmotor (VKM) gegenüber der bei Hybridfahrzeugen und batterieelektrischen Fahrzeugen (BEVs)?

Dr. Hupperich: Für VKM-Pkw sind die Versuchsprozeduren seit vielen Jahren bekannt. Die gleichen Testzyklen werden hier in den USA auch für Hybridautos und BEVs verwendet. Allerdings werden die Zyklen in unterschiedlicher Art kombiniert. Für Hybridautos und BEVs muss der elektrische Energiebedarf ermittelt werden. Hierzu ist es notwendig, Strommesszangen am Fahrzeug anzubringen und mit hochpräzisen Strommessgeräten zu analysieren. 

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Bei BEVs muss der komplette Reichweiten-Testzyklus je nach Batteriekapazität neu ausgelegt werden. Er besteht aus mehreren dynamischen und stationären Sequenzen, und es ist vorgeschrieben, welche Anteile im dynamischen und welche im stationären Modus absolviert werden müssen. Der Reichweitentest gilt als abgeschlossen, wenn das Fahrzeug nicht mehr aus eigener Kraft die letzte Stationärgeschwindigkeit halten kann, weil die Batterie entladen ist.

Müssen bei Hybridfahrzeugen besondere Betriebsmodi für VKM und Elektromotor beachtet werden?

Hybridfahrzeuge vereinigen die Vorteile von beiden Welten, sie haben jedoch auch Testherausforderungen. Zum einen müssen bei ihnen Abgasemissionen gemessen werden, und zum anderen soll der elektrische Energiebedarf quantifiziert werden. Bei Hybridfahrzeugen muss man auch unterscheiden, ob man ein Fahrzeug im "Charge Sustaining Mode (CSM)" oder "Charge Depletion Mode (CDM)" betreibt. Beim CSM muss sichergestellt sein, dass das Fahrzeug vor dem Test einen stabilen "State of Charge (SoC)" hat. Nach einem Test sollte der SoC auf dem gleichen Level liegen wie vor dem Test. Dann kann man den Kraftstoffverbrauch ohne elektrischen Einfluss berechnen. 

Der CDM-Test ist ähnlich wie bei BEVs. Man fährt das Fahrzeug elektrisch so weit, bis die Batterie entladen ist und der VKM wieder anspringt. Mit der Vielfalt an Fahrzeugantriebslösungen gibt es genauso mannigfache Testmethoden. Was alle eint ist, dass eine Fahrzeugmessrolle benötigt wird, um ihren Verbrauch zu bestimmen. Dies ist unabhängig davon, wo die Energie herkommt.

Sie testen nach der US-Vorschrift "EPA 40 CFR Part 1066" das Abgas leichter und schwerer Fahrzeuge. Worauf kommt es dabei an?

Diese Vorschrift beinhaltet alles, was man zur Durchführung von Fahrzeugabgastests wissen muss. Messmethoden, Prozeduren, Berechnungen und Randbedingungen sind vollständig im Detail beschrieben. 1066 ist limitiert auf Fahrzeugrollentests. Das beinhaltet zurzeit Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht bis zu 14.000 lbs oder 6,35 t. Motoren von größeren Fahrzeugen werden in Motorenprüfständen gemäß 40 CFR Part 1065 zertifiziert. In Auburn Hills bieten wir unseren Kunden auch diesen Service an.

Sie stellen auch EPA-Reichweiten-Zertifizierungen für Elektrofahrzeuge zur Verfügung. Welches Pkw-Modell schneidet am besten ab, welches liegt hinten?

Es gibt Fahrzeuge, die mit relativ kleinen Batterien sehr gute Reichweiten erzielen, und es gibt Fahrzeuge, die ähnliche Reichweiten mit großen Batterien erreichen. Die Unterschiede in der Effizienz sind faszinierend. Wir sind ein unabhängiger Engineering-Dienstleister und arbeiten wie erwähnt mit vielen verschiedenen Kunden. Wir haben hier BEVs getestet, die eine Reichweite von mehr als 500 mi oder 800 km ausweisen.

Hierbei benötigt dann ein Reichweitentest mehr als 12 h von ununterbrochenem Rollenprüfstandsbetrieb. Ich bin mir sicher, dass wir in naher Zukunft einen Test fahren, bei dem wir Personal von der dritten Schicht mit einbeziehen müssen. Bei solchen Testergebnissen kommt der Begriff "Range Anxiety" (Reichweitenangst) gar nicht mehr auf. Die Zahlen führen zu einer erhöhten Akzeptanz von elektrischen Fahrzeugen beim Kunden.

Welchen Arbeitsanteil machen bei Ihnen regulatorische Tests aus (für die Homologation), welchen spezielle Tests nach OEM-Kundenwunsch?

Unser Vehicle Development Center (VDC) ist erst seit gut zweieinhalb Jahren in Betrieb. Ich würde sagen, über 80 % der Tests, die wir durchführen, sind regulatorische Testzyklen wie der FTP75 und andere von der EPA beschriebene Tests. Die anderen 20 % sind kundenspezifische Tests oder solche, die in anderen Teilen der Welt als Zertifizierungszyklen gefahren werden wie etwa NEFZs oder WLTPs. 

Herr Dr. Hupperich, haben Sie vielen Dank für den aufschlussreichen Dialog.

Mehr vom Interview können Sie in der ATZ 10/2021 lesen, die am 24. September 2021 erscheinen wird.

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