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Wenn Metalle ihr Gedächtnis behalten

  • 20.10.2025
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MIT-Forschende zeigen: Selbst stark verformte Metalle behalten verborgene chemische Muster – ein Phänomen mit Folgen für die Entwicklung neuer Hochleistungslegierungen.

Computersimulation einer Metalllegierung: Farbig markierte Atome ordnen sich in feinen chemischen Mustern unter einem Netzwerk aus grünen Linien an, die Versetzungen darstellen. Diese Defekte bewegen sich während der Verarbeitung und erzeugen die vom MIT-Team entdeckte atomare Nichtgleichgewichtsordnung.


Selbst in industriell gefertigten Metallen sind winzige chemische Muster verborgen, die bislang niemand beachtet hat. Forschende am Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben nun gezeigt, dass diese Strukturen nicht zufällig entstehen, sondern auf ein bisher unbekanntes physikalisches Phänomen zurückgehen.

Bislang galt: In Metallen sind die Atome nach der Verarbeitung weitgehend zufällig verteilt. Doch das Team um Rodrigo Freitas, Assistenzprofessor für Materialwissenschaften am MIT, fand das Gegenteil. Auch nach intensiver Umformung und Erhitzung seien feine chemische Muster bestehen geblieben, die bestimmte Atomanordnungen bevorzugten.

"Man kann die Atome in einem Metall nie vollständig durchmischen", so Freitas. "Diese nicht-gleichgewichtigen Zustände bleiben bestehen, egal wie man das Material verarbeitet."

Maschinelles Lernen offenbart atomare Ordnung

Um das Phänomen zu verstehen, simulierten die Forschenden metallurgische Prozesse mit Hilfe von maschinellem Lernen. Millionen Atome wurden virtuell verformt, erhitzt und erneut deformiert. Erwartet hätte man, dass diese energiereichen Vorgänge die chemische Ordnung zerstören. Stattdessen zeigte sich: Die Metalle erreichten nie einen vollständig zufälligen Zustand.

Damit stießen die Forschenden auf einen bislang unbekannten Mechanismus. In den Simulationen seien wiederkehrende chemische Muster entstanden, teils bei höheren Temperaturen als erwartet, sowie völlig neue Anordnungen – sogenannte "far-from-equilibrium states". 

Ein einfaches Modell habe schließlich die Erklärung geliefert: Die Ursache liege in sogenannten Versetzungen – mikroskopischen Verwerfungen im Metallgitter, entstanden beim Verformen. Diese Defekte hätten sich nicht beliebig bewegt, so das MIT, sondern energetisch günstige Wege bevorzugt. Dadurch hätten sich subtile chemische Präferenzen herausgebildet, die die atomare Ordnung dauerhaft prägen würden. 

Das Team beschreibt diese Defekte als "dreidimensionale Kritzeleien", die während der Umformung ganze Atomreihen mit sich ziehen. Anstatt Ordnung zu zerstören, schaffen sie neue, komplexe Muster.

Von der Grundlagenforschung zur Anwendung

Mit ihrer Arbeit wollen die Forschenden nicht nur eine theoretische Erklärung, sondern auch ein Werkzeug geliefert haben: Ein Modell, mit dem sich vorhersagen lässt, welche chemischen Muster bei bestimmten Prozessbedingungen entstehen. Damit könnten künftig gezielt Legierungen mit gewünschten Eigenschaften entwickelt werden. 

Besonders relevant sei das für Branchen, in denen es auf spezifische Materialeigenschaften ankommt – etwa Luft- und Raumfahrt, Halbleiterfertigung oder Kerntechnik. Auch bei elektrochemischen Prozessen oder in der Katalyse könnten die Muster eine Rolle spielen, da sie das Verhalten metallischer Oberflächen beeinflussen.

Neues Denken für den Werkstoff Metall

Für Freitas ist das Ergebnis auch eine Bestätigung, dass sich Grundlagenforschung lohnt – selbst in vermeintlich ausgeforschten Gebieten. Er betonte, die Frage sei lange als zu theoretisch gegolten. Wer verstehe, dass selbst chaotisch wirkende Herstellungsprozesse geordnete Strukturen hinterließen, könne beginnen, diese Ordnung gezielt zu steuern – und Materialien neu zu denken.

Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. 

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