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29.09.2022 | Metalle | Schwerpunkt | Online-Artikel

Für Offshore-Pipelines ist Korrosion das häufigste Risiko

verfasst von: Thomas Siebel

5 Min. Lesedauer

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Durch den Einsatz spezieller Metalle und Beschichtungen sollen Offshore-Rohrleitungen ihrer rauen Umgebung über Jahrzehnte standhalten. Im Normalbetrieb liegt das größte Risiko für Leckagen in der Korrosion von Innen.

Offshore-Gaspipelines leisten ihren Dienst in einer rauen Umgebungen: Von außen wirken Salzwasser, Wasserdruck und Strömungen auf die Rohrleitungen, von innen reibt und drückt das durchströmende Gas. Im Unterschied zu Gasleitungen an Land verfügen Offshore-Leitungen über größere Durchmesser, in der Regel mehr als 1000 mm, und werden mit über 150 bar bei deutlich höheren Drücken betrieben, wie Hans-Burkhard Horlacher, Ulf Helbig und Hubert Schäferlein im Kapitel Verlegung von Rohrleitungen im Wasser des Buchs Rohrleitungen 2 schreiben. Der außenseitige Wasserdruck, der mit 1 bar je 10 m Wassertiefe zunimmt, ist vor allem beim Verlegen der noch leeren Pipeline riskant und kann dazu führen, dass die Rohre verbeulen, instabil werden oder versagen. Das alles stellt besonders hohe Anforderungen an Material und Fertigung sowie Montage und Instandhaltung der Röhren.

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2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

Extreme Value Analysis for Offshore Pipeline Risk Estimation

Low alloy or mild steel pipelines operating under high pressures are widely used as economic solutions for oil and gas conveyance in the offshore industry. Protected externally with coatings or concrete, they are prone to corrosion of the internal surfaces.

Bei Offshore-Pipelines unterscheidet man zwischen frei im Wasser schwebenden Leitungen und Röhren, die auf dem Meeresboden abgelegt oder eingebettet werden. Frei schwebende Pipelines werden mithilfe von Ankern und Seilen am Meeresgrund befestigt und bleiben dann, infolge ihres Auftriebs, in ausreichendem Abstand zur Wasseroberfläche in Position. Zum Einsatz kommen sie, wo eine Verlegung am Meeresgrund technisch nicht möglich oder wirtschaftlich unrentabel ist, beispielsweise in Meeresregionen mit Wassertiefen von deutlich über 100 m oder bei Meeresgründen mit schwieriger geologischer Struktur.

Nord Stream als Beispiel für grundverlegte Pipelines

Grundverlegte Offshore-Pipelines bestehen in der Regel aus niedrig- oder unlegiertem Stahl, wobei Güten wie X52, X50 oder X65 verwendet werden, oder aus hochfestem, niedriglegiertem Stahl, sogenanntem HSLA-Stahl. Hochlegierte rostfreie Stähle kommen hingegen aus Kostengründen nicht zum Einsatz, wie Robert E. Melchers im Kapitel Extreme Value Analysis for Offshore Pipeline Risk Estimation des Buchs Engineering for Extremes schreibt.

Bekannteste Beispiele für grundverlegte Offshore-Erdgasleitungen sind die Nord Stream-Pipelines, die weitgehend parallel zueinander über eine Länge von über 1200 km verlaufen. Eine Doppelröhre setzt sich dabei aus circa 200.000 Einzelrohren aus hochfestem, warmgewalzten Stahl der Güte X70 zusammen. Für die Herstellung der im Schnitt 12,2 m langen und 30 t schweren Rohre wurden Stahlbleche zunächst O-förmig gebogen und dann entlang ihrer Längsnaht zusammengeschweißt. Das verwendete Material und die Stahlkomponenten der Nord Stream-Pipeline sind auf eine Lebensdauer von 50 Jahren ausgelegt.

Material sparen durch druckangepasste Rohre

Offshore-Pipelines haben entlang ihrer gesamten Länge einen konstanten Innendurchmesser. Bei Nord Stream 1 beträgt dieser 1153 mm. Beschichtungen, zum Beispiel aus Epoxid, können die Innenseite zudem vor Reibung und korrosiven Einflüssen schützen, die beispielsweise durch im Gas enthaltene Feuchtigkeit entstehen. Der Gasdruck in der Pipeline ist am Einspeisepunkt am höchsten und fällt dann mit circa 0,1 bar/km ab. Um Material zu sparen, werden Gasleitungen deswegen in Abschnitte mit unterschiedlichen Druckniveaus eingeteilt, wobei die Wanddicke der Röhren jeweils an den vorherrschenden Innendruck angepasst wird. Die Nord Stream-Pipelines bestehen aus drei Abschnitten mit Drücken von 220, 200 und 177,5 bar. Die jeweiligen Wandstärken der Röhre betragen 34,4, 30,9 und 26,8 mm.

Beton schützt und beschwert

Zum Schutz vor salzwasserbedingter Korrosion wird zudem auch die Außenseite der Rohre beschichtet, beispielsweise mit nichtplastifiziertem PVC (uPVC) oder einem anderen hochdichten Kunststoff. Zum Einsatz kommen aber auch Vollummantelungen aus Beton oder Stahlbeton, die einerseits vor Korrosion schützen und deren Gewicht andererseits dem Auftrieb entgegenwirkt, sodass die Rohre am Meeresboden liegen bleiben. Ein kathodischer Korrosionsschutz wie bei Onshore-Pipelines ist bei Offshore-Rohrleitungen aufgrund der schwierigen Zugänglichkeit unwirtschaftlich.

Die einzelnen Rohre werden an Bord des Verlegeschiffs miteinander verschweißt. Im Fall der Nord-Stream-Pipeline wurden die Schweißnähte anschließend mit einer Schrumpfschlauchmanschette und einem PUR-Schaum-Verguss abgedichtet. Offline-Pipelines werden oftmals in Teilabschnitten gefertigt und am Meeresboden abgelegt. Die einzelnen Teilstücke werden später durch Unterwasserschweißroboter mit Unterstützung von Tauchern verbunden.

Größtes Risiko im Normalbetrieb durch Korrosion

Das größte Risiko beim Betrieb von Offshore-Pipelines geht von Korrosion und Erosion an der Innenseite der Rohre aus, wie Robert E. Melchers in Extreme Value Analysis for Offshore Pipeline Risk Estimation schreibt. Die Gefahr von Leckagen lässt sich demnach in der Hälfte aller Fälle auf Innenkorrosion zurückführen, zu 15 % auf Außenkorrosion. Betroffen von Innenkorrosion sind potenziell Rohrinnenwände, die Längsschweißnähte und die Verbindungsnähte zwischen den einzelnen Rohren.

Weitere Schadensursachen sind Überdruck, Schäden an Schweißnähten, Flanschen und Rohren, Bauschäden oder durch Dritte verursachte Schäden, beispielsweise infolge von Fischereiaktivitäten oder durch das Abwerfen von Ankern oder schweren Materialien von Booten. Wie die aktuelle Debatte um die Beschädigung der Nord Stream-Pipelines zeigt, kommt auch Sabotage in Betracht.

Intelligente Molche für Schadensnachweis im Rohr

Besonders gefürchtet bei der Innenkorrosion ist dabei der Lochfraß. Die exakte Tiefe einzelner Korrosionslöcher ist in der Praxis schwer nachzuweisen. Deswegen greift man oft auf die Schätzung zurück, dass Lochtiefen in etwa das Vier- bis Achtfache der Flächenkorrosionstiefe entsprechen.

Für den Nachweis von Schäden im Rohrinneren werden Inspektionsgeräte mit integrierten Magnetfeldsensoren eingesetzt, sogenannte intelligente Molche. Im laufenden Betrieb wird der Molch, der im Falle von Nord Stream über 6 m lang und 7 t schwer ist, vom Gasfluss angetrieben durch die Pipeline befördert. Dabei zeichnet er neben seiner Position Magnetfeldstörungen und Geometrieabweichungen auf. Algorithmen berechnen daraus das Ausmaß und die Tiefe von Lochfraß und Rillenkorrosion sowie von Beulen oder Unebenheiten entlang des Rohres.

Für Inspektion und Reparaturarbeiten in großen Tiefen an der Rohraußenseite kommen in der Regel ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge (Remotely Operated Vehicles, ROV) zum Einsatz, die bei Bedarf auch bemannt werden können. Neben Sensoren und Kameras verfügen sie oftmals auch über Manipulatoren. In der Regel sind die ROVs über eine Leitung mit einem Schiff verbunden. Aktuelle Forschungen beschäftigen sich jedoch auch mit kabellosen, autonomen Unterwasserrobotern für die Inspektion von Pipelines.

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