Skip to main content

20.05.2016 | Metalle | Schwerpunkt | Online-Artikel

Hochfest und gut verformbar zugleich

verfasst von: Dieter Beste

3:30 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …


Materialforschern ist es gelungen, die zwei gegensätzlichen Werkstoffeigenschaften Festigkeit und Duktilität in einer Metalllegierung zu vereinen. Die Aussichten auf einen janusköpfigen Stahl, der beide Eigenschaften aufweist, stehen gut.

Die Ausgangslage fassen die Autoren von "Werkstoffmechanik" gleich zu Anfang des ersten Kapitels so zusammen: "Viele metallische Werkstoffe – 82 der 105 Elemente des Periodensystems sind Metalle – zeichnen sich durch hohe Festigkeit und hohes Verformungsvermögen aus. Die Festigkeiten schwanken zwischen den geringen Werten ultrareiner, unlegierter Metalle und der theoretischen Festigkeit fehlerfreier Kristalle als größtmöglichem Wert. Die Duktilität variiert von ideal-spröde, das heißt praktisch ohne jegliche plastische Verformung, bis extrem duktil bei höchstreinen Metallen. Keine andere Werkstoffgruppe, weder polymere und erst recht nicht keramische Werkstoffe, bietet ein so breites Spektrum dieser beiden Eigenschaften, noch dazu von tiefsten bis zu sehr hohen Temperaturen." 

Gleichwohl müssen sich Werkstoffentwickler in der Praxis entscheiden: Festigkeit oder Duktilität. Bislang ließ sich die eine Materialeigenschaft nur auf Kosten der anderen verbessern. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung (MPIE) in Düsseldorf berichten jetzt in im Wissenschaftsmagazin "nature" über einen neuartigen metallischen Werkstoff, der gleichzeitig sehr fest und trotzdem gut formbar ist. "Wir haben bei der Entwicklung dieses Materials eine neue Strategie verfolgt, die generell neue Möglichkeiten für das Design metallischer Werkstoffe schafft", sagt MPIE-Direktor Dierk Raabe. Das Forscherteam habe bei einem Legierungstyp angesetzt, der zwar seit ein paar Jahren untersucht werde, sich aber für viele Anwendungen bisher als zu spröde erwiesen habe.

Atomares Durcheinander macht Legierungen fest

In sogenannten Hochentropie-Legierungen – Entropie ist auch ein Maß für die Unordnung – verteilen sich die Atome der verschiedenen Elemente ohne erkennbare Ordnung auf die Positionen in den Kristallgittern dieser Stoffe. Solche Materialien können besonders fest sein, weil das Durcheinander der vielen verschiedenen Atome in einer Struktur die Bewegung von Versetzungen (Fehlern im Kristallgitter) erschwert. Die hohe Festigkeit aufgrund der atomaren Unordnung hat jedoch auch eine Kehrseite – das Material ist spröde: Unter einer Lasteinwirkung verformt es sich üblicherweise sehr abrupt und bricht rasch.

In den Kristallen der meisten Stahlsorten, die hauptsächlich Eisen, in der Regel eine weitere Hauptkomponente und geringe Mengen anderer Bestandteile wie etwa Kohlenstoff, Vanadium oder Chrom enthalten, sind die Atome mehr oder weniger regelmäßig angeordnet. Besonders duktil sind diese Stähle dann, wenn sie dabei von einer in eine andere Struktur wechseln können. Denn dieser Prozess schluckt Energie, die in dem Material dann keinen Schaden mehr anrichten kann.

Durch Wechsel der Kristallstruktur wird das Material duktil

Ein solches Nebeneinander unterschiedlicher Kristallstrukturen galt bislang in Hochentropie-Legierungen als schädlich. "Diese Auffassung haben wir jetzt gekippt, auch weil einige Untersuchungen aus jüngster Zeit gezeigt haben, dass es darauf nicht ankommt", sagt Zhiming Li, der die materialwissenschaftliche Strategiewende zum Gegenstand seines Projektes am MPIE gemacht hat. Gemeinsam mit seinen Kollegen hat Zhiming Li nach einem Material geforscht, das einerseits fest ist wie eine Hochentropie-Legierung und andererseits wie besonders duktile Stähle zwei Kristallstrukturen nebeneinander aufweist. Bei der Suche herausgekommen ist eine Legierung aus 50 Prozent Eisen, 30 Prozent Mangan und jeweils 10 Prozent Kobalt sowie Chrom.

Empfehlung der Redaktion

2015 | Buch

Werkstoffkunde für Ingenieure

Grundlagen, Anwendung, Prüfung

Der Inhalt

Nach einer Einführung in die Grundlagen der Werkstoffwissenschaft werden die Anwendungsaspekte behandelt. Insbesondere die Gesetzmäßigkeiten der mechanischen Eigenschaften und das Verhalten von Werkstoffgruppen unter unters


"Mit dieser Legierung haben wir bewiesen, dass unser Konzept funktioniert“, kommentiert Dierk Raabe. „Wenn wir die Mikrostruktur und die Zusammensetzung weiter verbessern, können wir die Festigkeit und Duktilität aber sicher noch stärker erhöhen." Ziel der Entwicklung sei ein Stahl, der sich so leicht und kostengünstig verarbeiten lasse wie ein besonders duktiler Stahl und als Karosseriebauteil in einem Unfall auch genauso viel Energie des Aufpralls aufnehme. Gleichzeitig werde der neue Werkstoff aber so fest sein, dass daraus gefertigte dünne – und somit preiswerte, ressourcenschonende – Bleche nicht schon bei geringen Belastungseinwirkungen nachgeben würden. 

print
DRUCKEN

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

2014 | OriginalPaper | Buchkapitel

Festigkeit und Verformung der Metalle

Quelle:
Werkstoffmechanik

2015 | OriginalPaper | Buchkapitel

Eisenwerkstoffe

Quelle:
Werkstoffkunde für Ingenieure

Das könnte Sie auch interessieren

19.01.2016 | Werkstofftechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Die innere Struktur von Superlegierungen

09.09.2015 | Werkstofftechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Untypische Kristallstruktur im Stahl entdeckt

10.12.2013 | Werkstofftechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Neue Materialeigenschaften à la carte

    Marktübersichten

    Die im Laufe eines Jahres in der „adhäsion“ veröffentlichten Marktübersichten helfen Anwendern verschiedenster Branchen, sich einen gezielten Überblick über Lieferantenangebote zu verschaffen.