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26.07.2022 | Metalle | Interview | Online-Artikel

"Unser Stahl wird einen 30 % niedrigeren CO2-Fußabdruck haben"

verfasst von: Michael Reichenbach

4:30 Min. Lesedauer

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Im Interview erklärt Basjan Berkhout von Tata Steel, wie ein Stahlwerk eine nachhaltige Mobilität der Zukunft gestaltet, bei der Wasserstoff den Kohlenstoff ersetzt, mit dem Ziel, bis 2050 CO2-neutral zu werden.

ATZ _ Springer Professional: Herr Berkhout, Tata Steel hat ein Versprechen abgegeben, die Automobilhersteller bei der Entwicklung von nachhaltigeren Elektrofahrzeugen zu unterstützen. Wie muss man sich dies im täglichen Entwicklungsprozess-Austausch mit einem OEM vorstellen?

Berkhout: Der Begriff Nachhaltigkeit umfasst für uns ein sehr breites Spektrum von Anforderungen. Unser Versprechen bezieht sich daher vor allem auf die verantwortungsvolle Beschaffung von Rohstoffen für unsere Produkte, einschließlich der mit ihrer Gewinnung verbundenen Aspekte des Wohlergehens und der Menschenrechte. Als Mitglied der Non-Profit-Organisation ResponsibleSteel und durch unsere eigenen Beschaffungsprozesse erwarten wir von unseren Lieferanten sehr hohe Standards in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Kriterien bezüglich Environmental, Social and Corporate Governance, kurz ESG-Kriterien) – und geben diese an sie weiter. Beim Thema Nachhaltigkeit geht es auch um den Übergang zu einer kreislauforientierten und dekarbonisierten Zukunft. Unser Ansatz ist ein regelmäßiger und intensiver Dialog mit unseren Kunden. Wir halten sie stets über den aktuellen Stand unserer Tätigkeiten auf dem Laufenden und informieren sie zudem über unsere Zukunftspläne und zeitlichen Ziele für den Übergang und die damit im Zusammenhang stehenden Auswirkungen auf ihre Produkte. Bis 2030 planen wir, wesentlich mehr kreislauffähige Produkte mit einem um mindestens 30 % niedrigeren CO2-Fußabdruck anzubieten. 

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Dank neuer Verfahren auf Basis von Wasserstoff als Reduktionsmittel kann die Stahlproduktion künftig weitestgehend klimaneutral erfolgen. Für die Automobilhersteller bietet sich damit die Möglichkeit, die Umweltbilanz ihrer Produkte über den gesamten Lebenszyklus weiter zu verbessern.

Stahlhersteller sollen nachhaltiger werden. Wo stehen Sie beim Thema grüner Stahl? Andere wie Ovako und SSAB liefern schon an Automobilhersteller wie Volvo Trucks.

Grüner Stahl ist ein recht unspezifischer und sehr weitreichender Begriff. Alle unsere derzeitigen Produkte haben einen wesentlich geringeren CO2-Fußabdruck als der weltweite Durchschnitt. Und bis 2030 wollen wir wie gesagt unseren Fußabdruck um mindestens 30 % weiter reduzieren. Dies wird durch eine umfassende Umstellung unserer Eisenerzeugungsanlagen bis 2030 erreicht, bei der die bestehende Hochofentechnik durch das Verfahren Direkt reduziertes Eisen (Direct Reduced Iron, DRI) unter Verwendung von grünem Wasserstoff und/oder Erdgas ersetzt wird. Das wird uns dann in die Lage versetzen, mindestens 2,0 Millionen Tonnen "grüner" Stahlprodukte anbieten zu können. Wir sind uns jedoch bewusst, dass wir jetzt handeln müssen. Kurzfristig werden wir daher zunächst die Leistung unserer bestehenden Anlagen weiter verbessern, die CO2-Emissionen senken und den Anteil von Altstahl in unseren Produkten erhöhen.

Grüner Stahl wird zu 100 % mit Wasserstoff statt Kohlenstoff in Direktreduktionsanlagen hergestellt, heißt es. Laut Materialwissenschaften braucht das Eisen aber doch Kohlenstoff, um zu Stahl zu werden, oder? Nur so ist Stahl nicht zu spröde und besser zu verarbeiten. Wie ist das zu verstehen?

Für die Umwandlung von Eisen in Stahl ist in der Tat Kohlenstoff erforderlich, aber in den meisten modernen Bandstählen sind die erforderlichen Mengen relativ gering: Abgesehen von Spezialprodukten liegt der Kohlenstoffgehalt unserer Produkte selten über 0,2 % und bei einigen Produkten sogar 100 Mal darunter! Die Verwendung von Kohlenstoff zur Reduktion von Eisenerz führt dazu, dass weit mehr Kohlenstoff im Stahl enthalten ist, als wir benötigen. Und dieser muss entfernt werden. In Zukunft werden wir Wasserstoff zur Reduktion von Eisenerz verwenden und nur die geringe Menge an Kohlenstoff hinzufügen, die zur Erfüllung der Produktanforderungen erforderlich ist.

Danke, dann kann also der Wasserstoff den Kohlenstoff für die Erzeugung grünen Stahls per DRI-Verfahren fast zu 100 % ersetzen. Andere Frage: Welche sich ändernden Trends erkennen Sie, etwa beim Thema sichere internationale Lieferketten? Muss wieder mehr in der Nähe hergestellt werden? Wie wirkt sich das auf die Kosten aus, zum Beispiel einer Stahlkarosserie?

Wir beobachten einen klaren Trend zur Lokalisierung der wichtigsten, strategischen Produkte für die OEMs. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die für diesen Trend verantwortlich sind: Das Risiko innerhalb der Lieferkette (ausgelöst durch Coronapandemie, Blockade des Suez-Kanals, Mangel an Mikrochips, Ukrainekrieg etc.) soll verringert werden. Der ökologische Fußabdruck soll im Rahmen von Nachhaltigkeitsstrategien verkleinert werden. Die Schaffung schlanker Lieferketten mit geringen Lagerbeständen, um die Kosten zu senken, ist weiterhin notwendig. Es gilt, die Kontrolle über die Entwicklung differenzierender Technologien (das heißt insbesondere für E-Motoren und Batterien) zu erhalten. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Trend zu wesentlich höheren Selbstkostenpreisen führen wird. Die OEMs haben sich schon immer nur teilweise auf Importe verlassen, sodass die Entwicklungen hin zur Lokalisierung der Lieferkette im Großen und Ganzen keine völlig unerwarteten und neuen Veränderungen mit sich bringen werden.

Alle reden derzeit von steigenden Energiepreisen für Gas und Strom auf den Weltmärkten. Wie stark sind Sie als niederländischer Stahlhersteller davon betroffen? Wie steuern Sie in Europa gegen?

Die Energiepreise (Gas und Strom) sind bereits seit Mitte 2021 stark gestiegen. Natürlich sind wir davon betroffen – wie alle anderen auch. Ein positiver Effekt könnte allerdings sein, dass die steigenden Energiepreise (und ihre Abhängigkeiten) zum Katalysator für die Beschleunigung der Nutzung von Wasserstoff in Europa werden.

Herr Berkhout, haben Sie vielen Dank für das aufschlussreiche Interview.

Mehr vom Interview können Sie in der ATZ 9-2022 lesen, die am 26. August 2022 erscheint.

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Die Hintergründe zu diesem Inhalt

2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

Stahl

Quelle:
Stahlerzeugung

2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

Stahlherstellung

Quelle:
Die Welt des Stahls

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