2005 | OriginalPaper | Buchkapitel
Methoden und Theoreme sozialwissenschaftlicher Bevölkerungsforschung in Deutschland „um 1930“
verfasst von : Rainer Mackensen, Ursula Ferdinand, Michael Engberding, Katrin Hunsicker, Facil Tesfaye
Erschienen in: Das Konstrukt „Bevölkerung“ vor, im und nach dem „Dritten Reich“
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Das Forschungsvorhaben unter dem oben genannten Titel hat sich vorgenommen, einen Überblick über den Stand der Bevölkerungsforschung in Deutschland vor Antritt der NS-Machtherrschaft herzustellen und diesen durch Detailstudien zu veranschaulichen. Der Grund zu dieser Absicht beruht darauf, dass in der Sekundärliteratur dieser Zustand vielfach nicht erkennbar wird: Die Bevölkerungsforschung dieser Zeit wird gelegentlich wie ein wohldefiniertes Fachgebiet behandelt, aus dem sich die massive, zunehmend ausgeweitete und radikalisierte Bevölkerungspolitik des NS-Staates mehr oder weniger folgerichtig ergeben habe. Dieser Eindruck entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Vielmehr gab es zu jener Zeit weder eine einheitliche, institutionalisierte Bevölkerungswissenschaft, noch ist die NS-Bevölkerungspolitik ohne weiteres aus ihr abzuleiten. Zwar hat sich eine unter dem Terminus Bevölkerungswissenschaft zusammenzufassende, aber konzeptionell vielseitige, in etlichen Fachgebieten angesiedelte und strittig definierte Bevölkerungsforschung generell auf die politischen Zustände und Aufgaben bezogen. Auch hat sich diese von allem Anfang an mit Möglichkeiten einer staatlichen Regulierung von Bevölkerungsvorgängen -also mit Bevölkerungspolitik — befaßt und die dann vom NS-Staat zusammengefaßten und durchgesetzten Maßnahmen in ihren Grundbegriffen, empirischen Methoden und inhaltlichen Grundzügen längst vor 1933 entworfen und diskutiert. Doch waren weder in ihren eigenen Kreisen noch öffentlich solche Intentionen unstrittig und mehrheitsfähig: sie wurden dazu erst unter der NS-Herrschaft unter Aussonderung entgegenstehender Autoren und Vorstellungen definiert und organisiert.