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2011 | Buch

Mikrobiologie von Böden

Biodiversität, Ökophysiologie und Metagenomik

verfasst von: Professor em. Dr. sc. agr. habil. Johannes C. G. Ottow, M. Sc. bact (KSU, Manhattan, USA), Dipl.-Ing.agr. (Gießen), B.Sc. (Deventer, NL)

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : Springer-Lehrbuch

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Über dieses Buch

Böden sind voll mit Leben.

Dichte und Artenvielfalt an Organismen sind in Böden riesengroß. Dabei sind die meisten Prokaryoten (Bacteria, Archaea), Echten Pilze (Fungi) und Protozoen noch unbekannt und bisher nicht kultivierbar. Sie bilden ein enormes genetisches Reservoir für neue industrielle, vor allem pharmazeutische, Produkte.

Ein regelmäßiger horizontaler Gen-Austausch findet mittels Transformation, Konjugation und Transduktion in den Böden statt. Diese Prozesse sichern die genetische Variabilität von Prokaryoten.

Die Kommunikation zwischen Bakterien und Pilzen in Biofilmen und Kolonien erfolgt mittels bestimmter Botenstoffe (quorum sensing), wobei diese Zell-Zell-Kommunikation über Art- und Gattungsgrenzen hinweg funktioniert („mikrobielles Esperanto").

Die Wurzeln von Pflanzen sind mit Bakterien und Pilzen dicht besiedelt, deren Aktivitäten für das Pflanzenwachstum außerordentlich wichtig sind.

Tauchen Sie ein in die spannende Welt zu Ihren Füßen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Böden als Lebensräume
Zusammenfassung
Böden sind die lebenswichtigsten Organe der Erde. Sie übernehmen in unserer Gesellschaft sehr verschiedene Funktionen (Tabelle 1.1). In allen Funktionen sind Böden zunächst Lebensräume für Pflanzenwurzeln, zahlreiche Mikroorganismen, verschiedene Vertreter der Mikrofauna und für ein sehr breites Spektrum an Tieren (Boden- oder Pedofauna). Prokaryotische Mikroorganismen gliedern sich in Bakterien und Archaeen (Box 1.1). Zu der Gruppe der eukaryotischen Mikroorganismen zählen weiter Algen (Chlorophyceen und Diatomeen), Fungi (Echte Pilze), Schleimpilze (Myxomyceten), pilzähnliche Mikroorganismen (Oomyceten) und Flechten (Lichenen), während die Mikrofauna die heterogene Gruppe der Protozoen (einzellige Urtiere) und die kleinsten Arten unter den Nematoden (Fadenwürmer, Nematoda) und Rädertierchen (Rotatoria) umfasst. Die Gesamtheit an Lebensgemeinschaften von Mikroorganismen und Tieren in Böden wird nach R. H. Francé (1874–1943) als Edaphon (gr. edaphos = Erdboden) bezeichnet. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Bodenorganismen nicht nur mit ihrem Lebensraum, dem Boden, in intensiver Wechselwirkung stehen, sondern auch mit den abiotischen Komponenten im Biotop eine bodenspezifische Einheit bilden.
Johannes C. G. Ottow
2. Funktionen und Quantifizierung der mikrobiellen Biomasse in Böden
Zusammenfassung
Die mikrobielle Biomasse (MB) umfasst jenen Anteil der organischen Bodensubstanz, der aus lebenden Mikroorganismen besteht. Diese organische Fraktion beinhaltet Prokaryoten (Bacteria und Archaea), Pilze (einschließlich Schleimpilze und Pseudofungi), Protozoen und einige kleine Formen unter den frei lebenden Nematoden. Die quantitative Erfassung der MB ist von großer Bedeutung, da die Mikroorganismen – insbesondere die Prokaryoten und Echten Pilze – in Böden sehr verschiedene, aber essenzielle Funktionen und Aktivitäten übernehmen (Tabelle 2.1).
Johannes C. G. Ottow
3. Ökophysiologie der Bodenbakterien und -pilze
Zusammenfassung
Die mikrobiellen Stoffwechselprozesse des Abbaus (Katabolismus oder Energiestoffwechsel) in Böden sind gekennzeichnet durch eine Vielfalt an Wasserstoff(Elektronen)-Donatoren (organische und anorganische Substrate) und Wasserstoff(Elektronen)-Akzeptoren (organische und anorganische e-Akzeptoren). Im Stoffwechsel sind Oxidationen mit der Abgabe von Wasserstoff bzw. Elektronen verbunden, die dabei auf einen Akzeptor im oxidierten Zustand übertragen werden (Thauer et al. 1977; McGill 2007). Dieser wird somit reduziert (Redoxreaktionen). Zweck dieser Redox-Prozesse ist die Konservierung von Energie (ATP-Synthese) im Energiestoffwechsel und ihre Bereitstellung im Baustoffwechsel (Anabolismus) (Abb. 3.1). Die verschiedenen Stoffwechselwege stellen einerseits die Vorstufen (Metabolite) für die Syntheseprozesse zur Verfügung, andererseits liefern sie Energie (Reduktionsäquivalente, ATP) für lebenswichtige Vorgänge. Der Energiestoffwechsel ist ein exergones Redox-System (wobei Energie frei wird) und besteht dazu aus Elektronen abgebenden und aufnehmenden Reaktionen, die durch Elektronenträger (Carrier) gekoppelt sind.
Johannes C. G. Ottow
4. Die genetische und funktionelle Diversität von Böden
Zusammenfassung
Bodenlandschaften mit ihren unterschiedlichen Bodentypen besitzen aufgrund der standortspezifischen klimatischen, botanischen und chemisch-physikalischen Eigenschaften eine fast endlose Anzahl und Vielfalt ökologischer Mikronischen (im Mikrometerbereich). Die heterogene Verteilung und Strukturierung der festen Phasen (Mineral- und Humuskörper), der Pflanzenwurzeln (Rhizosphären; Kap. 17), des Porenraums (Bodenlösung und Gasphase) und der bevorzugten Transportwege (preferential flow) sind Ursache dafür, dass die Mikronischen und ihre mikrobiellen Lebensgemeinschaften (hot spots) unregelmäßig mosaikartig verteilt sind. Im Allgemeinen nimmt die räumliche Heterogenität von Böden in der Reihung Waldboden > Grünland > Ackerstandort deutlich ab. Eine große räumliche (und zeitliche) Heterogenität bedeutet in der Regel eine hohe Diversität (Vielfalt) an Organismen.
Johannes C. G. Ottow
5. Horizontaler Gentransfer: Sex in Böden?
Zusammenfassung
In der Sexualität von Eukaryoten erfolgt die Neukombination von Genen durch Gametenkopulation (Gametogamie mit Plasmogamie und Karyogamie) und anschließende Meiose (Reduktionsteilung). Gen-Übertragung bei geschlechtlicher Fortpflanzung wird als vertikaler Gentransfer bezeichnet. In Prokaryoten (Bacteria und Archaea) findet die Rekombination von genetischem Material jedoch ohne diese Sexualität statt. Dennoch kann genetisches Material durch mehrere Übertragungsund Rekombinationsmechanismen ausgetauscht werden (Parasexualität). Eine Übertragung von Genen außerhalb der geschlechtlichen Fortpflanzung über Artgrenzen hinweg wird bei Prokaryoten horizontaler oder lateraler Gentransfer genannt (HGT bzw. LGT). Auf parasexuellem Wege können Erbanlagen von Prokaryoten durch Mechanismen wie Transformation, Konjugation und Transduktion sowohl auf artverwandte als auch auf genetisch weit entfernte Prokaryoten übertragen werden. Auch Echte Pilze und Hefen können auf asexuellem Wege genetisches Material rekombinieren und auf artverwandte Organismen übertragen, wenngleich dem HGT bei anamorphen filamentösen Pilzen (ohne bekannte geschlechtliche Vermehrungsformen) bisher eine geringe Bedeutung beigemessen wird. Hingegen scheint die genetische Variabilität bei diesen Pilzen durch transponierbare Elemente sowie durch Heterokaryonbildung als Folge von Anastomosen (vegetative Fusion zweier Hyphenspitzen) weit verbreitet zu sein (Kap. 8). Echte Pilze (in Form von Protoplasten) lassen sich allerdings durch künstliche Transformation leicht genetisch verändern (Fincham 1989).
Johannes C. G. Ottow
6. Diversität und Merkmale kultivierbarer Bakterien in Böden
Zusammenfassung
Nach der taxonomischen Zugehörigkeit der kultivierbaren Bacteria in Böden (sie stellen etwa 0,1% bis 20% der mikroskopisch sichtbaren Zellen) entfällt die überwiegende Mehrzahl auf die „Vier Großen“ Phyla: Actinobacteria > Firmicutes > Proteobacteria > Bacteriodetes. Im Allgemeinen gehören die meisten kultivierbaren Bakterienisolate zu den Proteobacteria (∼ 54%), Actinobacteria (∼ 23%), Firmicutes (∼ 14%) und Bacteriodetes (∼ 6%). Somit unterscheiden sich die häufigsten isolierbaren Bacteria aus Böden in der Reihenfolge deutlich von der allgemeinen Häufigkeit der kultivierbaren Bacteria. Wenn die Häufigkeit der 16S-rRNA und 16S-rRNA-Gensequenzen in den Datenbanken (Kap. 4 und 7) einmal als Indikator für die taxonomische Zugehörigkeit der dominanten Boden-Bacteria zugrunde gelegt wird, dann würden Vertreter der Proteobacteria, Acidobacteria, Actinobacteria, Verrucomicrobia und Bacteriodetes die dominanten Vertreter stellen (Janssen 2006). Dieses Ergebnis kann zwar nicht als repräsentativ für die taxonomische Zugehörigkeit der häufigsten Bacteria gelten, doch gibt es Aufschluss über die Diversität von bisher nichtkultivierbaren Bacteria in Böden (Kap. 7).
Johannes C. G. Ottow
7. Diversität der nichtkultivierbaren Mehrheit: neue Phyla von Prokaryoten in Böden
Zusammenfassung
Die molekularbiologischen Untersuchungen von Böden mithilfe von 16S-rRNA und 16S-rRNA-Gensequenzen haben sowohl zu erweiterten Kenntnissen von Phyla mit beschriebenen Arten als auch zu mehreren neuen Phyla unter den Prokaryoten geführt. Nach dem aktuellen Erkenntnisstand gibt es insgesamt mindestens 50 selbständige Phyla von Prokaryoten, 26 davon sind zurzeit in Bergey’s Manual of Systematic Bacte riology: Taxonomic outline of the prokaryotes, 2. Aufl., Ausgabe 6.0 (2005) aufgeführt (Garrity et al. 2005; Tabelle 4.2). Die restlichen 24 Phyla bestehen ausschließlich aus neuen, weitgehend unbekannten 16S-rRNA-Gensequenzen und haben infolgedessen allenfalls einen vorläufigen Status. Für die Anerkennung von Taxa-Namen oberhalb der Klasse gibt es noch keine offiziellen Regeln, was die Heterogenität der Bezeichnungen erklärt (Tabelle 4.2).
Johannes C. G. Ottow
8. Diversität und Funktionen von Pilzen in Böden
Zusammenfassung
Die Pilze umfassen eine heterogene Gruppe aus Echten Pilzen (Reich der Opisthokonta, Fungi) und pilzähnlichen Organismen wie die Schleimpilze (Phylum Myxomycota, Amoebozoa, Eumycetazoa) und Pseudofungi oder Eipilze (Phylum Oomycota, Chromalveolata, Stramenopiles). Pilze sind kohlenstoff-heterotrophe chlorophyllfreie eukaryotische Organismen (ohne Photo- und Chemolithoautotrophie), die morphologisch, cytologisch und phylogenetisch sehr unterschiedlich sind. Den verschiedenen Echten Pilzen und pilzähnlichen Organismen ist der eukaryotische Aufbau ihrer Zellen mit mindestens einem echten Zellkern und einem Cytoskelett (mit Mikrotubuli aus α- und β-Tubulin) sowie die heterotrophe (saprophytische und/oder parasitische) Lebensweise gemeinsam. Sowohl für die Echten Pilze als auch für die pilzähnlichen Organismen sind Böden, Streuauflagen, Komposte und Gewässersedimente die wichtigsten Lebensräume. Im Haushalt der Natur nehmen die Fungi als Reduzente (Saprophyten) eine Schlüsselstellung ein. Sie haben sich an die verschiedenen ökologischen Nischen in Böden, Streuauflagen, Rhizo- und Phyllosphäre sehr gut angepasst und besitzen infolgedessen eine sehr hohe Diversität, die noch weitgehend unerforscht ist.
Johannes C. G. Ottow
9. Quorum sensing, die Koordinationssprache der Mikroorganismen in Böden
Zusammenfassung
Sowohl Prokaryoten als auch Echte Pilze (insbesondere Hefen) haben in heterogenen Lebensgemeinschaften (Kolonien, Konsortien, Biofilmen) allgemein verständliche Regelmechanismen entwickelt, um die Expression von bestimmten Genen nur dann zu induzieren, wenn die Zelldichten und ökologischen Bedingungen günstig sind. Diese Kommunikation von Zelle zu Zelle über Art- und Gattungsgrenzen hinweg („mikrobielle Esperanto“) wird als quorum sensing (QS) bezeichnet, um zu betonen, dass bestimmte Organismen-Zelldichten (quorum) erforderlich sind, bevor die Expression von Ziel-Genen induziert oder unterdrückt wird. QS ist somit die zelldichtenabhängige Regulierung von Genexpressionen mithilfe von chemischen Botenstoffen. Bemerkenswert ist dabei, dass nicht die Aktivitäten der einzelnen Zelle, sondern das koordinierte Vorgehen der Lebensgemeinschaft bezweckt wird. Dieses Verhalten ist eigentlich charakteristisch für multizelluläre (höhere) Organismen. Durch QS sollen bestimmte Prozesse (z. B. die Ausscheidung von Enzymen oder Virulenzfaktoren) in der Lebensgemeinschaft effizient koordiniert werden, wie es Hormone in höheren Organismen tun.
Johannes C. G. Ottow
10. Mikrobiologie und Biochemie des Kohlenstoffkreislaufes
Zusammenfassung
Der globale CO2-C-Gehalt in der Atmosphäre (Abb. 10.1) wird heute auf etwa 700 bis 800 Pg C (1 Petagramm = 1015 g = 1 Giga-t C) geschätzt, was im Vergleich zum C-Gehalt in den globalen terrestrischen Ökosystemen (ca. 1000 bis 2300 Pg C) und in den weltweiten Ozeanen (ca. 39 000 bis 41 000 Pg C) relativ gering ist. Ursache dieser sehr geringen atmosphärischen CO2-Konzentration von etwa 0,0383 Vol.-% (bei 78,09 Vol.-% N2 und 20,95 Vol.-% O2) ist die sehr effiziente CO2-Fixierung durch die oxygenen Photosyntheseprozesse (Primärproduktion PP) (Gl. 10.1)
6 CO2 + 6 H2O ↔ C6H12O6 + 6 O2 (10.1)
wodurch das globale Fließgleichgewicht eindeutig auf der rechten Seite liegt und CO2 für die pflanzliche Biomasse in den terrestrischen und aquatischen Ökosystemen zum wachstumsbegrenzenden Faktor geworden ist.
Johannes C. G. Ottow
11. Biochemie, Eigenschaften und Funktionen des Humuskörpers
Zusammenfassung
In den globalen terrestrischen Ökosystemen (innerhalb der oberen 2 m) bildet Humus (lat. Erdboden) mit etwa 75% entsprechend ca. 1000–2300 Gt C (1 Gt = 1012 kg) die größte Kohlenstoffsenke innerhalb des Gesamtkohlenstoffvorrates auf den Kontinenten (Abb. 10.1, Kap. 10). Böden bilden infolgedessen eine gewaltige Reserve an potenziell mineralisierbaren C-, N-, P- und S-Verbindungen, an essenziellen Nährstoffen (K, Mg, Ca, Fe, Mn) und an Mikronährstoffen. Nach dem heutigen (vorläufigen) Erkenntnisstand nimmt der C-Gehalt von Böden global im Schnitt mit etwa 1,4 ± 0,7 Gt C jährlich zu, wobei allerdings die tropischen Standorte eher als C-Quellen (CO2-Verluste durch Landnutzungsänderungen, Brandrodungen, etc.), jene der gemäßigten und borealen Klimabreiten hauptsächlich als C-Senken funktionieren. Im Unterboden unterhalb der ersten 2 m befinden sich schätzungsweise noch 800 bis 900 Gt an C. Höchstens 25% des terrestrischen Kohlenstoffes befinden sich in der oberirdischen lebenden Biomasse aus Pflanzen und Tieren. Noch geringer ist der Corg-Anteil im Edaphon. Schätzungsweise 0,2–5% des terrestrischen C-Gehaltes sind in der mikrobiellen Biomasse und in der Bodenfauna festgelegt. Dieser Pool besitzt allerdings relativ hohe Umsatzraten und kann infolgedessen als aktiv bezeichnet werden (Kap. 2).
Johannes C. G. Ottow
12. Mikrobiologie und Ökophysiologie des Stickstoffkreislaufs
Zusammenfassung
In Atmosphäre, Böden und Gewässern der Erde befinden sich ca. 4 × 1021 g N (= 4 × 1015 t N = 4 Pt N) im Umlauf, allerdings liegen mehr als 99% davon in Form von atmosphärischem N2 vor. Im N-Kreislauf unseres Planeten sind weniger als 0,1% des Gesamt-N-Gehalts organisch gebunden, im Wesentlichen in den terrestrischen Ökosystemen. In diesen Ökosystemen, einschließlich Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen, sind global etwa 332–350 Pg N (1 Pg = 1015 g) enthalten. Sedimente, Steinkohle und Gesteine speichern zusätzlich noch ca. 2 × 1018 g N. In den terrestrischen Ökosystemen verteilen sich ungefähr 88–100 Pg N auf organisch gebundenen N in Ah- und Ap-Horizonten von Böden, ca. 2,0 Pg N auf die Streuauflagen (O-Horizonte), etwa 10–13 Pg N auf die pflanzliche und ca. 0,2 Pg N auf die tierische Biomasse. Etwa 2 Pg N befinden sich global in der mikrobiellen Biomasse von Böden (Batjes 1996). Die Mengen an tonmineralfixiertem NH4 +-N in Böden werden global auf 20 Pg N geschätzt.
Johannes C. G. Ottow
13. Die mikrobiologische N2-Fixierung (Diazotrophie) in Böden und Rhizosphäre
Zusammenfassung
Es war Hermann Hellriegel (1831–1895), der im Jahre 1888 die bakterielle Luftstickstoffbindung in den Wurzelknöllchen von Leguminosen entdeckte und die Bedeutung dieses Phänomens für die N-Versorgung von Pflanzen hervorhob. Fast ein Jahrhundert lang wurde die N2-Bindung zwar als ein besonderes, aber unter Prokaryoten sehr begrenzt verbreitetes Phänomen betrachtet. Heute wissen wir, dass die potenzielle Fähigkeit zur N2-Bindung (Diazotrophie) unter den Bacteria, Cyanobacteria und Archaea sehr weit verbreitet ist und keinen Sonderstatus mehr besitzt. Wahrscheinlich ist die Fähigkeit zur N2-Bindung unter den Prokaryoten bisher nur zum geringsten Teil bekannt. Fast täglich werden neue Prokaryoten mit der potenziellen Fähigkeit zur N2-Bindung entdeckt und beschrieben. Inzwischen gehört die potenzielle Fähigkeit zur N2-Bindung ebenso wie die potenzielle Denitrifikation (Kap. 12) und die potenzielle Eisenreduktion (Kap. 14) zu jenen Eigenschaften, die unter den Prokaryoten in Böden erst zum Einsatz kommen, wenn bestimmte ökologische Bedingungen erfüllt worden sind.
Johannes C. G. Ottow
14. Mikrobiologie und Ökophysiologie des Mangan- und Eisenkreislaufs
Zusammenfassung
Eisen (Fe) ist mit etwa 0,2 bis 5% nach Aluminium (Al) das am häufigsten vorkommende Metall in zahlreichen Mineralien, Gesteinen und Oxiden der Pedosphäre. Mangan (Mn) stellt nach Fe mit etwa 0,1% das zweithäufigste Schwermetall in der oberen Erdrinde dar. Durch chemisch-biologische Verwitterung von Mineralien und Gesteinen werden Fe(II)- bzw. Mn(II)-Ionen in unmittelbarer Umgebung der Verwitterungsprozesse ausgeschieden und durch O2 zu weitgehend unlöslichen amorphen wasserreichen Hydroxiden (Ferrihydrit, Fe(OH)3) bzw. zu Oxiden (Braunsteinen, MnO2) und Mn(III,IV),Fe(III)-Mischoxiden (Konkretionen) oxidiert und akkumuliert. In Böden liegen beide Metalle infolgedessen überwiegend als freie, nicht silikatisch gebundene (Hydr)Oxide vor. In Tonböden kommt Fe zudem in zwei- und dreiwertiger Form, strukturell gebunden in Zwischenschichten bestimmter Phyllosilikate vor, darunter vor allem in Fe(III)-reichen Smectiten (Nontronit), Montmorilloniten, Illiten und Chloriten. Je nach Pedogenese sind Mn- und Fe-Verbindungen in den einzelnen Horizonten infolge mikrobieller Reduktions- und Oxidationsprozesse heterogen verteilt. Mikrobiologie und Verhalten von Mn und Fe sind relativ ähnlich, sodass nachfolgend hauptsächlich auf Fe eingegangen wird.
Johannes C. G. Ottow
15. Mikrobiologie und Ökophysiologie des Methan-Kreislaufs
Zusammenfassung
Methan ist ein Spurengas in der Atmosphäre (1,8 ppmv), dessen Konzentration aufgrund von anthropogenen Aktivitäten jährlich mit etwa 0,5–1% zunimmt. Es wird zusammen mit CO2, N2O (Lachgas), O3 (Ozon) und Fluorchlorkohlenwasserstoffen (CFC) zu den potenziellen Treibhausgasen gerechnet. Methan ist mit etwa 15% am Treibhauspotenzial beteiligt und als Treibhausgas potenziell 20- bis 30-mal effektiver als CO2. Die globale CH4-Zunahme in der Atmosphäre wird von einem Ungleichgewicht zwischen CH4-Freisetzung und -Oxidation verursacht. Im globalen Methankreislauf bilden sowohl photochemische Vorgänge in der Tropo- und Stratosphäre (Methanoxidation durch OH-Radikale) als auch mikrobiologische Prozesse (Methanoxidation) in den terrestrischen Ökosystemen die wesentlichen CH 4 -Senken. Hingegen können weltweit die natürlichen Feuchtgebiete (Moore, Sümpfe, etc.), Nassreisböden (wetland rice soils), Verbrennung von Biomasse und fossiler Energie sowie die Pansen von Wiederkäuern als Hauptquellen der Methanbildung gelten (Tabelle 15.1). Überall wo CH4 durch methanogene Archaea gebildet wird, sind auch die methanotrophen (methanoxidierenden) Bakterien nicht weit.
Johannes C. G. Ottow
16. Bedeutung der Mikroorganismen und organischen Substanz für die Bodenfruchtbarkeit
Zusammenfassung
Die Ansprüche an Böden in der Gesellschaft sind je nach Funktion und Nutzungsart sehr unterschiedlich (Tabelle 1.1; Kap. 1). Unabhängig von den speziellen Funktionen übernehmen Bodentiere und Mikroorganismen in Böden stets die zentrale Rolle der Mineralisationstätigkeit (Transformationen) und damit die Rückführung der Nährstoffe in mineralische Formen (Ottow 1990, 1997). Als Produktionsstandort für Nahrungsmittel und Rohstoffe übernehmen Böden in der Land-, Forst- und Weidewirtschaft nach wie vor klassische Aufgaben. Waren noch im Jahre 1800 etwa 1 bis 2 ha zur Ernährung eines Menschen erforderlich, so wird heute durch die wissenschaftlich-technisch begründete Landbewirtschaftung nur noch etwa ein halber Hektar benötigt, vor allem weil die Erträge seit der systematischen Anwendung der Mineraldüngung signifikant gestiegen sind. Die grüne Revolution hat durch Zuchterfolge (insbesondere bei Weizen, Mais und Nassreis) die Getreideproduktion innerhalb der letzten 40 Jahre mehr als verdreifacht. Durch Anwendung neuer agrikulturchemischer, pflanzenbaulicher und agrartechnischer Erkenntnisse ist die Bodenfruchtbarkeit in weiten Teilen der Welt ständig gestiegen. In Westeuropa und den USA arbeiten heute nur noch 3 bis 5% der Bevölkerung in der Landwirtschaft.
Johannes C. G. Ottow
17. Physiko-Chemie und Mikrobiologie der Rhizosphäre
Zusammenfassung
Der Naturwissenschaftler und Bakteriologe Lorenz Hiltner (1862–1923) der TU München erkannte im Jahre 1904 als einer der Ersten die Bedeutung der Mikroorganismen im Wurzelbereich für die Ernährung und Gesundheit einer Pflanze (Curl u. Truelove 1986; Hartmann et al. 2008). Er war es dann auch, der den Begriff Rhizosphäre einführte (gr. rhiza = Wurzel; sphaira = Kugel). Unter der Rhizosphäre verstand er das von Mikroorganismen dicht besiedelte Bodenvolumen, welches die Wurzeln von Leguminosen umgibt. Hiltner war damals beeindruckt von der Entdeckung der bakteriologischen N2-Bindung durch Rhizobien („Bacillus radicicola“) in Wurzelknöllchen von Leguminosen, welche der Zeitgenosse Hermann Hellriegel (1831–1895; Kap. 13) im Jahre 1888 gerade mit seinen Mitarbeitern entdeckt hatte. Hiltner vertrat zeitlebens die Vorstellung, dass die Ernährung der Pflanzen (Leguminosen) entscheidend von der Zusammensetzung und den Aktivitäten der Bakterien in der Rhizosphäre beeinflusst wird. Er bezeichnete diese nützlichen Rhizobien als Bakteriorhiza. Die Entdeckung der N2-Bindung in Wurzelknöllchen stand damals im Zentrum der aufkommenden bodenmikrobiologischen Forschung, denn auch der niederländische Botaniker Martinus Willem Beijerinck (1851–1931) beschäftigte sich mit Rhizobien und konnte nachweisen, dass eine Reinkultur von B. radicicola (heute Rhizobium spp.) nicht ex planta zur N2-Bindung befähigt ist. Im Laufe der Zeit wurde die ursprüngliche, auf Leguminosen bezogene Definition der Rhizosphäre zwar auf alle anderen Pflanzen erweitert, nicht jedoch präzisiert.
Johannes C. G. Ottow
18. Fußpilze der Pflanzen: Mykorrhizae
Zusammenfassung
Die Symbiose zwischen Fungi (Echten Pilzen) und den Feinwurzeln von Pflanzen wird als Mykorrhiza (gr. mykes = Pilz und rhiza = Wurzel) oder Pilzwurzel bezeichnet. Diese Lebensgemeinschaft ist unter Pflanzen die am weitesten verbreitete und wichtigste Symbiose. Die Symbiosen sind überwiegend mutualistisch, weil beide Partner aus der morphologisch-physiologischen Beziehung Nutzen ziehen. Der Mykobiont versorgt die Pflanze mit Wasser und mineralischen Nährstoffen (vor allem N und P) aus dem Boden, während der Phytobiont den Pilzhyphen Assimilate (Kohlenhydrate), Lipide und Vitamine zukommen lässt. Der Forstwissenschaftler und Mykologe R. Hartig (1839–1901) berichtete bereits in den Jahren 1873/1874 über das Vorkommen von Pilzhyphen in dunkelgefärbten Feinwurzeln von jungen Fichtenbeständen (Picea abies). Weil sich aber die (vermeintlich kranken) „infizierten“ Jungbäume sichtbar besser entwickelten als die benachbarten, nicht befallenen Exemplare, schrieb er dem betreffenden Pilz (Agaricus melleus) eine wachstumsfördernde Wirkung auf die Nadelbäume zu.
Johannes C. G. Ottow
Backmatter
Metadaten
Titel
Mikrobiologie von Böden
verfasst von
Professor em. Dr. sc. agr. habil. Johannes C. G. Ottow, M. Sc. bact (KSU, Manhattan, USA), Dipl.-Ing.agr. (Gießen), B.Sc. (Deventer, NL)
Copyright-Jahr
2011
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-00824-5
Print ISBN
978-3-642-00823-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-00824-5